22.05.2021

SLEEPERS (1996)

"Sleepers" nimmt sich einer bitteren Thematik an, die auf wahren Begebenheiten beruhen soll. Wie nah oder nicht spielt eigentlich keine Rolle, ist es doch kein Geheimnis dass es zu derartigen Vorfällen kam, so dass der hier geschilderte spezielle Fall als Pate für alle anderen steht. Ich habe mit dem an sich engagierten Drama von "Rain Man"-Regisseur Barry Levinson jedoch mein übliches Problem großer Hollywood-Produktionen. Der mit allerhand Stars besetzte Film wirkt zu weichgespült. Dies nicht, weil er das Schicksal der Jungs nicht drastisch genug herausarbeiten würde, dafür bedarf er keiner deutlicheren Bilder, psychologisch geht man hier diesbezüglich erfolgreich vor. Es ist vielmehr die Blauäugigkeit an anderer Stelle, wenn der Film fragwürdige Umstände romantisiert, Abläufe und Zusammenhänge dramaturgisch passend für eine klassische Kinogeschichte zusammenstutzt, Beziehungen zu harmonisch sieht, diverse Berufsgattungen in ihren jeweiligen Klischees (positiv wie negativ) bestätigt und letztendlich Wohlfühlmomente zum höheren Ziel erklärt, auch genährt durch die entfachte Rachsucht der Protagonisten übertragen auf den Zuschauer. Letztgenanntes ist stets ein leichtes Ziel, um das Massenpublikum zu packen. 

Ich kann mich bis zu einem gewissen Grad mit derartigen Werken arrangieren, finde manche von ihnen teilweise sogar richtig gut. Bei "Sleepers" kam für mich jedoch zusätzlich unangenehm hinzu, dass kein echter Zugang zu den Charakteren aufgebaut wurde. Das beginnt bereits in der langen Phase vor der Haftanstalt. Was hätte ich mir hier ein Näherbringen der jugendlichen Seelen so stark empathisch ausgefallen wie in "Stand By Me" oder der Neuverfilmung von "Es" gewünscht. Stattdessen bekam man hauptsächlich verschmitzt erzählte, kriminelle Versuche in zu oberflächlichen Charakterzeichnungen geboten, die vier stets als Gruppe wahrnehmend, nie einen einzelnen zu exakt. Vom weiblichen Mitglied der Gruppe brauchen wir gar nicht erst sprechen, die wird nie von Bedeutung für den Gesamtfilm und ist einzig der Quote wegen mit eingebaut. "Sleepers" ist kein missglückter Film, aber er erscheint mir in vielen Punkten nicht konsequent und ehrlich. Er will bitter sein, er will nostalgisch sein, er will freundschaftliche Romantik knüpfen, gleichzeitig von Rache erzählen, zwielichtig sein und doch nur auf verständnisvolle Taten setzen. Ein oftmals zu bedeutungsschwanger anmutender Umgang mit den Einzelsituationen, wie z.B. das Ringen des Pfarrers mit seiner Entscheidung, greift dramaturgisch ebenfalls nicht tief genug. Vieles bleibt auf Gefühlsebene, im Gegensatz zum inhaltlichen Bereich, zu oberflächlich abgehandelt zurück. 

Somit lebt der Film fast einzig von seiner handwerklich professionellen Machart, den sympathischen Mimen, der Grundthematik, die wohl kaum wen kalt lässt, und bei mir persönlich durch sein nostalgisches Flair. Deshalb haben mir die letzten fünf Minuten, die einen Monat nach der Verhandlung spielen, auch am besten gefallen, wissentlich wie sehr ich hier von Levinson und Co manipuliert wurde. Der hat zusammen mit DeNiro und Hoffman ein Jahr drauf "Wag the Dog" gedreht, was man bei der lockeren Darbietung dort wohl als eine Art Entspannungstherapie nach dem bitteren, bemühten "Sleepers" verstehen kann.  OFDb

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