15.04.2023

HARRY UND SALLY (1989)

Es sind nicht seine Drehbücher, die hat wer anders geschrieben, aber letztendlich hat Regisseur Rob Reiner die Eingangssequenz für "Harry und Sally" aus dem Hauptplot seines Teenfilms "Der Volltreffer" aus dem Jahr 1985 entnommen und lässt das ungleiche Paar diesmal erst erwachsen werden, bevor es zueinander findet. Hierfür spielt die Geschichte zwei Mal mit Zeitsprüngen, lässt dann aus den sich nicht sympathisch findenden Menschen Freunde werden, und von nun an fiebert der Zuschauer über einen inhaltlich lang gestreckten Zeitraum mit, dass diese wundervollen Menschen, mit ihren Macken, Tücken und ihrem Charme, partnerschaftlich zueinander finden. Der Weg dorthin ist äußerst amüsant, nicht weil die eigentliche Geschichte so höllisch interessant klingt, sondern weil das Drehbuch uns derart geniale Dialoge und Situationen beschert, dass "When Harry Met Sally..." (Originaltitel) damit etwas völlig Eigenständiges im Meer der romantischen Komödien wird. 

Fast scheint es so, als wäre ihm das Anliegen der Romantik egal, so lebensnah und bitter die Komik manches Mal anmuten mag, ohne dabei gleich zur Tragikomödie zu werden. Aber "Harry und Sally" hat sein Herz am rechten Fleck, verliert sein Ziel nie aus den Augen, gönnt uns jedoch statt dem üblichen Kitsch des Genres etwas, das den Zuschauer tatsächlich zum Schmachten bringt: er lässt uns die beiden richtig kennen lernen. Aus zwei Streithähnen werden Freunde, die sich all das anvertrauen, was sie dem eigenen Geschlecht nicht sagen können, und darüber hinaus freilich vieles mehr. Thematisiert werden Fragen wie, können Männer und Frauen einfach befreundet sein? Gibt es einen Zeitpunkt wo aus Freundschaft keine Liebe mehr werden kann? Was wollen Männer und Frauen jeweils in einer Beziehung? Wie gehen sie mit Trennung um? Und freilich geht es auch um das Reifen, um Theorie und Praxis und um die Menschen um einen herum, die hier keinesfalls, wie so oft in Vergleichsfilmen, entweder zu nervigen Sidekicks werden, oder zur enttäuschten ersten Wahl einer der Protagonisten. 

Stattdesen arbeitet ein Teil der Geschichte sogar damit, dass es eine solche Person im nahen Umfeld nicht gibt, ganz im Gegenteil, wie ein herrlich treffsicher Trinkspruch während einer Hochzeitsfeier bestätigt und zu einem der größten Lacher wird. Die Nebenfiguren sind ebenso greifbare Menschen wie die Hauptfiguren und ganz wichtig für das soziale Umfeld der beiden und für die Psychologie des Films, selbst für seinen Humors und seine Technik (z.B. die Split Screen-Sequenzen). "Harry & Sally" ist nicht nur darin und in den anderen bereits erwähnten Unterschieden zur typischen RomCom Ausnahme. Auch die berühmteste, lauteste und vulgärste Szene des Films, die in anderen Werken oft der Publikumsliebling der Masse mit ihrem einfach gestrickten Humor wird, während die tatsächlichen humoristischen Schätze fast unbemerkt bleiben, gehört hier tatsächlich zu den Highlights, auch von der Schauspielleistung Meg Ryans her. 

Was aber nicht bedeutet, dass diese Szene die zu entdeckenden Humorschätze besagter Vergleiche ersetzen würde. Die gibt es hier ebenfalls zu erleben und dies zuhauf, manchmal schlichtweg zur Verdeutlichung der Charaktere, wie die Idee mit den Karteikarten für die Videosammlung, oder die Unterhaltung über Sex nach einer missglückten Verabredung, manchmal um Stimmungen zu untermauern, wie die herrliche Situation rund um einen der hässlichsten Tische der Welt. Laute Komik, wie die Kernspuckszene im Auto und die berühmte Orgasmusszene, gehen Hand in Hand mit sensiblem Humor, empathischen Beobachtungen und tatsächlich auch manchem Filmklischee, das sich inmitten der genialen Zutaten nicht einmal wie ein solches anfühlt. "Harry und Sally" ist ein gute Laune Film, eine Komödie, die einem zum Träumen verführt, ein Film über Menschen, die man kennen und mögen lernt. Er ist einer der ganz großen Werke eines Subgenres, das meist nur der geistfreien Gefühls-Berieselung dient. Eben weil sich der Film guckt, als gehöre er nicht dazu, funktioniert er so gut und wird zum Pflichtfilm eines jeden Kinointeressierten.  Wiki

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