03.06.2024

TRAGÖDIE IN EINER WOHNWAGENSTADT (1967)

Als ein junger Mann aus Jux eine Teenagerin im Wald auf dem Heimweg in die Wohnwagenstadt erschreckt, kommt diese dort derart verstört an, dass man von einem sexuellen Übergriff ausgeht. Anstatt die Polizei zu rufen, will eine handvoll Selbstgerechter das Verbrechen persönlich rächen und geht mit dem Opfer von Tür zu Tür, da man davon ausgeht, dass es sich um einen der Bewohner des Trailer Parks handelt...

Zivilcourage...

Die ausländische Herkunft der Romanvorlage dieser deutschen Produktion ist unverkennbar, ist eine Wohnwagenstadt in Ländern wie den USA doch üblicher als hierzulande. Abgesehen davon lässt sich die Erzählung jedoch auf sämtliche Orte übertragen, so neutral Zeit und Raum in diesem für sich stehenden, eigenständigen Radius der Alternativkultur doch scheinen. Es ist die Produktion selbst, beginnend beim Schwarz/Weiß-Bild, welche das Geschehen dennoch den Anschein gibt, in der Vergangenheit zu spielen, die Erzählung selbst bleibt zeitlos und lebt von dem üblichen Konflikt von Machtausübung und Ehrbarkeit. Selbsternannte Verantwortliche, bildungsarm und entsprechend dümmlich, unterdrücken und führen auf fragwürdige Weise eine Untersuchung durch, unter welche das Opfer mehr leidet, als unter dem Vergehen, das geahndet werden soll. Menschen stellen sich selbst über das Gesetz, setzen ihre frisch erlangte Macht mit Drohungen und Gewalt durch, und dementsprechend ist klar, was dem Täter droht, wenn er gefasst wird. Nur kurz bei der Tat kennen gelernt, kehrt er für die Geschichte erst recht spät zurück, als Sohn der zunächst nebenbei eingeführten Identifikationsfigur, jenem Menschen, der Zivilcourage spät, aber besser als nie beweist, obwohl das Leben seines Sohnes auf dem Spiel steht. Das erschöpfte Opfer hat zuvor zu Beginn des letzten Drittels einfach einen Außenseiter zum Täter erklärt, einen Unschuldigen, einen Ausländer. In seiner moralischen, selbstgerechten Art kommt "Tragödie einer Wohnwagenstadt" zu gewollt und belehrend daher. Und nun, in dieser Phase des Dramas angekommen, in welcher der einzige und ehrbare Ausländer der Siedlung mit Vorurteilen konfrontiert, gedemütigt und misshandelt wird, atmet Günter Gräwerts Werk noch mehr linksgerichtete Luft, als ohnehin schon. Ein Werk mit ehrbarer Absicht wird immer mehr zum Propagandaprojekt, zur Erziehung des Zuschauers mittels einseitiger Blickwinkel in schlichter Gut- und Böseaufteilung. 

Das Bedrohliche der Situation hält den Film dennoch am Leben. Was hier geschieht, und die Entscheidung, welcher sich der Familienvater ausgesetzt fühlt, schnürt dem Zuschauer tatsächlich den Hals zu. Was wird die Konsequenz seines Tuns sein? Soviel sei verraten: eine weit weniger erschreckende, als angenommen. Denn nun im Finale lässt sich ein ganzes Dorf Rachsüchtiger von den moralischen Worten jenes Mannes einlullen, der Recht hat. Das hat er, keine Frage, aber unglaubwürdig wirkt das Szenario dennoch, auch wenn den Leuten urplötzlich in ihrer hochgepuschten Rachsucht der Spiegel vorgehalten wird. Aber gut, darüber kann man diskutieren, also auch anderer Meinung sein, ob das nun realistisch ist oder nicht, und schlecht ist es nicht, was da an Vorwürfen und berechtigten Beschuldigungen in die Menge gerufen wird, man ist ganz Ohr, lässt sich an diesem Punkt angekommen gern manipulieren, eben weil das hier propagierte Weltbild in dieser speziellen Situation Recht behält. Und eben auch weil der Spannungsbogen zuvor so hoch war. Das war er aber auch nur kurz zuvor, denn mehr als die Hälfte der Laufzeit beschäftigt sich das Werk mit der Monotonie der Vorgehensweise der Aggressoren. Dies immer wieder unterbrochen durch die Dialoge der Bewohner, die erst nach und nach begreifen, was gerade stattfindet, aber doch ständig die üblichen Methoden und Rechtfertigungen zeigend, die auch durch hervorragende Mimen dargestellt in dieser Wiederholungsschleife lange Zeit kein wahres Interesse an der Geschichte entstehen lassen. Verschlimmert wird dies durch die nervige Charakterisierung des Opfers, die selbst für naivere Filmzeiten etwas arg schwach und schlicht gestrickt gezeichnet ist, und fortwährend jammert und weint, noch bevor die Motivation ihrer Rächer sie immer mehr und mehr schwächt. Die wie immer stark spielende Ruth-Maria Kubitschek kommt in ihrer Nebenrolle zu kurz, um diesen Schwachpunkten etwas entgegenhalten zu können. So bleibt die TV-Produktion "Tragödie in einer Wohnwagenstadt" eine eher wackelige Angelegenheit, die durchaus ihre starken Momente besitzt, insgesamt aber, trotz guter Absichten, zu fragwürdig anmutet und zu schwach umgesetzt wurde.  OFDb

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