Drei Stadtplaner landen in einem von der Außenwelt vergessenen Ort.
Nachdem sie von einem Wahnsinnigen mit einer Heckenschere attackiert
werden, flüchtet Jan in eines der Häuser. Leichen, ominöses Inventar und
unheimliche Geräusche geben allerhand Rätsel auf. Seltsame Gestalten
vor der Türe hindern ihm am Entkommen. Der verstörte Mann stolpert von
einer Bluttat in die nächste und weiß bald nicht mehr was Wahn und
Wirklichkeit ist...
Geisterstadt Gehirn...
Die deutsche Horrorfilm-Amateur-Szene wird bevölkert von mal mehr mal weniger kreativen Köpfen, die für Zombie- und Mutationsfilme die Schlachtplatte eröffnen, um munter mit Kunstblut und Gekauften aus der Metzgerei herumzusauen und sich darauf auszuruhen. Eine Verallgemeinerung? Auf jeden Fall! Aber leider häufig zu beobachten!
Ralf Möllenhoff fiel mir das erste mal durch seinen „Dead Eyes Open“ auf, der zwar auch, wie so viele Amateur-Horrors, ein Zombiefilm war, aber Qualitäten aufblitzen ließ, die bei vergleichbaren Produkten keine Beachtung geschenkt bekamen. Der Mann achtete auf Atmosphäre und schaffte es durch eine Orientierung am Grusel mit echten Spannungsmomenten zu arbeiten. Dass sein nächstes Werk ein Psycho-Horror nach Edgar Allen Poe werden sollte, weckte die Neugierde somit freilich ungemein.
Aber was soll man sagen? Scheinbar ist die Bindung eines Amateur-Horrorregisseurs an die Gore-Szene recht stark, denn anstatt sich nun deutlich von dieser zu distanzieren, breitet Möllenhoff die Schlachtplatte aus. Zu Beginn des öfteren, mit Voranschreiten der Geschichte wohldosierter, aber selbst dort viel zu zelebriert und lange drauf gehalten. Was den Freund blutiger Genrebeiträge freut, hat mich ein wenig enttäuscht, denn diese extremen Bluttaten bremsen den Streifen aus.
Das ist um so trauriger, da mal wieder das Talent des Regisseurs aufblitzt. Gekonnt baut er einzelne Szenarien auf, die Wahn und Wirklichkeit verschwimmen lassen. Er schafft es erneut spannende Momente entstehen zu lassen (z.B. wenn der Mann mit der grünen Maske unbeachtet am Fenster erscheint), er vertraut der von ihm aufgebauten Suspense jedoch nie zu sehr, so dass er, wohl um das Stammpublikum nicht zu enttäuschen, wieder mit dem zu extremen Gore beginnt.
Ich will jetzt nicht abstreiten, dass es in „Nerves“ eines gewissen Blutgehalts bedarf, schließlich sind die Abscheulichkeiten, die der Held der Geschichte sichtet, wichtig für sein verstörtes Verhalten und Wahrnehmen. Aber es gibt blutige Szenen und blutige Szenen. Man kann auch mit intensiven Lebenssaft-Bildern arbeiten und trotzdem nicht ins zu Gewollte abrutschen. Gerade die Werke Argentos sind dafür ein passendes Beispiel.
Was Möllenhoff abseits des Gore bereithält ist schon nicht ohne. Sein Verwandter Michael Möllenhoff, der die Hauptrolle übernahm, schafft es wie der Held aus „Dagon“ und „Tanz der Teufel 2“ auf Amateurfilm-Niveau den Großteil der Szenerie zu beherrschen. Er trägt die Story und einen Teil ihrer Glaubwürdigkeit. Wirkt er in den ersten Augenblicken etwas untalentiert, beweist er sein Können im Laufe der Spielzeit. Dass ihm schweigende, verstörende Momente mehr liegen, als welche in denen er sprechen muss, ist zu erkennen. Dennoch kann man ihn für die Darbietung dieser wichtigen Rolle ruhig loben.
Ralf selbst blieb hinter der Kamera. Neben der Regie schrieb er auch das Drehbuch, das wohl nur sehr lose auf Poe beruhen soll, und den Schnitt hat er auch noch getätigt. Optisch legte er Wert auf einen Mix aus etwas verwackelter Kameraführung in ereignisreichen Situationen und ruhigen Stativ-Aufnahmen und Kamerafahrten in gegenteiligen Szenen. Leider sind gerade die Bilder von Szenen, welche die Aufmerksamkeit besonders wecken, oft zu dunkel und verwackelt eingefangen. Manchmal erkennt man nicht was der Protagonist nun wieder erlebt oder glaubt dies zu tun.
Das sind jedoch nur kurze Momente, die schnell verziehen sind. Denn auf der anderen Seite arbeitet Möllenhoff mit einem großartigen Sound. Sei es die geglückte Musikuntermalung, die teilweise wohl auch vom Regisseur stammt, oder noch mehr die Geräusche, die Möllenhoff nutzt um Grusel zu erzeugen. Ein pulsierendes Herz, Windgeräusche zu windstillen Bildern, jede Tür quietscht, und nicht zu vergessen jener skurrile Geräuschemix, der den Geisteszustand des Helden symbolisieren soll. Schön ist auch der Kniff die ruhige Musik nicht zu verändern, wenn die Bilder über die sie gelegt ist, intensiver und hektischer werden.
Damit der Sound wirken kann, nimmt sich Möllenhoff den Luxus seine Geschichte sehr langsam zu erzählen. Erste Hinweise auf die Hintergründe der rätselhaften Abscheulichkeiten, die man zu sehen bekommt, gibt es erst etwa nach 45 Minuten. Bis dahin lässt der Mann seine Hauptfigur durch ein Haus voller Unmöglichkeiten tapsen, die zunächst keinen Zusammenhang ergeben wollen.
Die groteske Atmosphäre des Hauses wird neben ihres dreckigen Eindrucks zum einen durch die weihnachtlichen Elemente eingefangen, die später Zentrum des Hintergrundes bilden werden, zum anderen durch die ominösen Spiralbilder an den Wänden. Schlichte aber wirksame Masken von umherwandernden Bewohnern der Geisterstadt werden zum Highlight des Rezepts zum Unwohlsein des Zuschauer-Gemüts.
Nach Sinn und Unsinn sollte man besser nicht fragen. Schon die Grundidee einer Geisterstadt in Deutschland wirkt etwas konstruiert. Die genauen Hintergründe machen auch nur innerhalb eines Horrorfilms Sinn. Aber erstens geht es hier nur zweitrangig um die Geschichte und zweitens bleibt es am Ende ohnehin dem Zuschauer überlassen zu entscheiden, was zur Einbildung gehört und was tatsächlich real gewesen sein kann. Zwar gibt Möllenhoff zwischen den Zeilen Hinweise, aber die sind nie deutlich genug. Gut so!
Was mir besonders gefallen hat, war das Einbauen der Familie des Helden, die dem Verstörten in ruhigen Situationen als Halluzination Trost spenden. Das gibt dem ganzen einen tragischen Aspekt, der dank des Mutes ein Kind mit einzubauen, auch zu funktionieren weiß.
Es ist jedoch nicht nur der oben erwähnte extreme Blutgehalt, der den Film nicht zur völligen Entfaltung bringt. Möllenhoff vernachlässigt es leider den Hauptcharakter zunächst kennen zu lernen, bevor man ihn in den Wahnsinn schuppst. Deswegen kann man auch nicht beurteilen wie vorgeschädigt er vor der Ankunft in der Geisterstadt war. Was war zuvor in seinem Schädel? Was für eine Art Mensch war er? So entsteht nie eine wirkliche Bindung zur theoretischen Identifikationsfigur.
Da der Charakter des Helden großteils ausgeblendet wird, erscheint einem sein Abenteuer in dem Zufluchtshaus zu sinnlos aneinandergereiht. Es dauert bis man sich als Zuschauer orientiert bekommt, was sicherlich gewollt ist. Der Nebenaspekt daran ist jedoch leider, dass es auch dauert bis man sich als Zuschauer für das Geschehen auch wirklich interessiert.
Was bleibt ist ein mutiger Versuch innerhalb der Amateurfilm-Horrorszene, mal andere Wege zu beschreiten. Spannungsmomente und das Aufblitzen künstlerischen Gehalts sind hier ebenso zu erkennen, wie in „Dead Eyes Open“. War der jedoch noch ein Zombiefilm, der das Verwurzeln an der Grundhaltung deutscher Amateurfilmer legitimierte, wäre es in „Nerves“ gerade das Loslassen vom Gorezwang gewesen, der wahren Mut bewiesen hätte, um zu einem richtig guten Ausnahmefilm zu werden. Hätte man sich nicht zu sehr auf den Ekel konzentriert, wäre einem vielleicht auch aufgefallen, dass der Protagonist einem näher gebracht werden muss.
„Nerves“ weiß momenteweise zu gefallen. Doch um mit dem vorhandenen Talent einen wirklich guten Film abzuliefern, muss sich Möllenhoff unbedingt von dem Gorezwang lösen. Alternativ fiele mir als Lösung lediglich ein, dass der Goregehalt einen Sinn erhalten müsste, so wie er ihn in „Braindead“ bekam oder in den Werken des eben erwähnten Künstlers Argento. Im hier besprochenen Film wirken diese blutigen Szenen zu willkürlich. OFDb
Was bleibt ist ein mutiger Versuch innerhalb der Amateurfilm-Horrorszene, mal andere Wege zu beschreiten. Spannungsmomente und das Aufblitzen künstlerischen Gehalts sind hier ebenso zu erkennen, wie in „Dead Eyes Open“. War der jedoch noch ein Zombiefilm, der das Verwurzeln an der Grundhaltung deutscher Amateurfilmer legitimierte, wäre es in „Nerves“ gerade das Loslassen vom Gorezwang gewesen, der wahren Mut bewiesen hätte, um zu einem richtig guten Ausnahmefilm zu werden. Hätte man sich nicht zu sehr auf den Ekel konzentriert, wäre einem vielleicht auch aufgefallen, dass der Protagonist einem näher gebracht werden muss.
„Nerves“ weiß momenteweise zu gefallen. Doch um mit dem vorhandenen Talent einen wirklich guten Film abzuliefern, muss sich Möllenhoff unbedingt von dem Gorezwang lösen. Alternativ fiele mir als Lösung lediglich ein, dass der Goregehalt einen Sinn erhalten müsste, so wie er ihn in „Braindead“ bekam oder in den Werken des eben erwähnten Künstlers Argento. Im hier besprochenen Film wirken diese blutigen Szenen zu willkürlich. OFDb
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