11.10.2012

NESN NOSE (2010)

Zwei Gangster sind unterwegs, um für ihren Auftraggeber einen Koffer zu besorgen. Nachdem sie den in ihren Besitz bringen fahren sie zum Treffpunkt der Übergabe: ins Nesn Nose. Aber nicht nur der Name dieses Etablissements ist ominös, auch seine Betreiber...

Pampelmusen und ein Mexikaner mit Geigenkasten...
 
Was macht der Durchschnitts-Teenager in seiner Freizeit? Disco, Party, Filme schauen, das andere Geschlecht erobern und Musik hören. Doch manch einer widmet sich nebenbei auch anderen Dingen, kreativen Dingen, und zu diesen Menschen darf sich Jungfilmer Moritz Stieber zählen, dessen Kurzfilm „Checkmate“ mich auf ihn aufmerksam gemacht hat. Der Mann hat Potential, und wenn man sein Alter im Hinblick auf sein Talent beachtet, dann darf man sich bei fortsetzender Filmarbeit über seine zukünftigen (vielleicht sogar irgendwann einmal fremdfinanzierten?) Arbeiten freuen.

Das angenehme an seiner Arbeit ist, und das bezieht „Nesn Nose“ mit ein: seine Filme sind kurzweilig, zitatfreudig, herrlich albern und mit freiwilligem Trash versehen, wie gerade die Spezialeffekte im hier besprochenen Film beweisen. Da wird mit dem Computer das Blitzgewitter einer schießenden MG eingefügt. Da fliegen künstliche Patronen durch die Luft, und herrlich billiges Computerkunst-Blut tritt aus den Schusswunden der Opfer. Der Spezialeffekt-Sektor Stiebers ist ohnehin nah am Schund gebaut. So gibt es Vampirzähne aus dem Karnevalsshop und herrlich unechte Autofahrt-Hintergründe.

Der Witz: die Tricks sind immer gut genug für genau diese Art Film. Sie sind nie zu billig, als dass sie nicht wirken würden. In einem professionellen Film hingegen wären sie einfach lächerlich. Doch im Gegensatz zu manch anderen Amateurfilmern steht Stieber zu der Art seines Produktes und versucht nicht krampfhaft professionell zu sein. Letztendlich guckt sich „Nesn Nose“ wie ein Jux unter Jugendlichen, und genau das ist er ja auch. Das kann für Dritte funktionieren (sein „Splatterer“, eine Parodie auf „Saw“ und Co, tat es leider nicht), aber die müssen freilich offen für Amateurproduktionen und Albernheiten sein.

Stieber ruht sich keinesfalls auf dem simpelsten Niveau eines Amateurfilmes aus, wie man nun meinen könnte, nach dem Motto „ist doch eh nur ein Amateur-Jux!“ Der Österreicher gibt sich sichtlich Mühe. Angefangen bei seiner Zitatfreude in Wort, Bild und Musik, weiterverfolgt im Stil von Kamera und Schnitt (auch hier nah an den Vorbildern) bis hin zur völligen Eigenständigkeit, einem Talent das man nicht erlernen kann: dem Gespür für eine kurzweilige Umsetzung mittels der richtigen Witze und ihrer passenden Dosierung.

Diese Dosierung stimmt im letzten Drittel nicht mehr so ganz, orientiert man sich doch im Gesamtfilm stark an Tarantino und seine Werke (sollte man auch meinen, schließlich ist dies eine Hommage an den berühmten Regisseur), und so darf Richtung Finale die Action nicht zu kurz kommen und wo viel Action ist, da wird nicht mehr viel geredet. Auch hier wird versucht jede Menge Witz einzubauen, meist im Nichtdialog, auf Dauer wird die Stimmung trotzdem etwas zu monoton. Das kann wer anders auch anders sehen, denn der Löwenanteil orientiert sich an den typisch endlosen Tarantino-Dialogen, mag sein dass andere dies etwas öde finden und sich dementsprechend über den Actionbereich im Finale freuen.

In meinen Augen sind die Dialoge aber der wahre Hingucker bzw. Hinhörer dieses Streifens. Aus dem Burgerwitz in „Pulp Fiction“ wird ein Gespräch über Grapefruits. Man diskutiert über coole Sprüche und kommt zu der Erkenntnis, dass es einen Beruf geben muss, in welchem Leute stundenlang im Büro sitzen, um sich Filmdialoge auszudenken. Dieser Gedankenanstoß führt nicht nur zu einem 16jährigen an seinem PC (na, worauf mag die Anspielung wohl hinzielen), sondern auch zu dem entscheidenden Punkt, der wichtig für ein Amateurprodukt ist.

Das Drehbuch wird in vielen Amateurfilmen vernachlässigt. Oft gibt es nur ein Szenenbuch, und Dialoge werden in ihrer Wichtigkeit ohnehin meist unterschätzt. Stieber aber weiß dass er mitunter darauf setzen muss, und da der Humor nur so sprudelt wohl auch darauf setzen will. Ein weiteres gutes Schaffen diesbezüglich ist sein Kurzfilm „Dr. Hannes“, der so sinnlos wie lustig ist. Eine Kostprobe aus „Nesn Nose“ wäre folgende: der Gangster versucht mit dem Kneipenbesitzer ein Gespräch aufzubauen. Er reagiert nicht. Der Gangster möchte dem Mann die Hand geben. Er reagiert nicht. Darauf der Gangster: „Russel J. Jackson!“ Nach einer kurzen Pause antwortet der Barkeeper „Nein, so heiße ich nicht.“ Der Gangster: „Ich aber!“ Der Wirt: „Ich weiß, das hast Du mir ja gerade gesagt.“

Stieber setzt in Sachen Humor jedoch nicht nur auf den wirklich geglückten Wortwitz, er arbeitet auch mit Seitenhieben, so z.B. in der Audrucksweise amerikanischer Filme, nur dass aus Fucking und Bitch im Österreichischen die Orientierung Richtung Kacke geht. Seitenhiebe richtet er auch gegen sich selbst (Humor ist wenn man über sich selbst lachen kann), und so gibt es ein paar Sprüche, die auf seine Frisur abzielen. Schön auch das Einspielen eines kurze Tusch, der nach einem besonders flachen Witz zu hören ist. Oder aber auch das Spiel mit Österreich. Hier wird zurecht die Frage gestellt wie viele große Mexikaner in Nieder-Österreich anwesend sind.

Hält man im Film den Mund, arbeitet Stieber auf der atmosphärischen Ebene. Ein guter Soundtrack begleitet banale Geschehnisse, wie einfahrendes Auto oder das Rauchen einer Zigarette. Immer hübsch gefilmt und mit einem Sound, der ins Ohr geht. Da gibt es Musikmaterial aus den Filmen, die man parodiert, da werden Oldies ebenso gespielt wie klassische Musik. Immer wie es gerade passt. Auch hierfür benötigt man ein Gefühl, das sich nicht schlicht erlernen lässt.

Wermutstropfen, wenn man denn bis auf die arge Länge von etwa 50 Minuten unbedingt noch zusätzlich einen braucht, wäre das Schauspieltalent. Für einen Amateurfilm finde ich die Akteure jedoch brauchbar genug, erst recht wenn man ihr Alter bedenkt. Trotzdem wäre es wünschenswert gewesen, wenn der Darsteller der Samuel L. Jackson-Parodie versucht hätte ein wenig dunkler oder rauer zu sprechen.

Nichtsdestotrotz bin ich zufrieden mit dem Werk, auch wenn es meiner Meinung nach auf 30 Minuten kurzweiliger gekommen wäre. Aber dafür hätte man sicherlich an den Dialogen sparen müssen, das wäre dann auch wieder ein Fehler.

Zwei Dinge noch: Der Vor- und der Abspann orientieren sich ebenfalls an den großen Vorbildern und sind meiner Meinung nach sehr geglückt (inklusive der besonders bescheuerten Flachköpper vor dem Vorspann). Und ein Witz hat mir besonders gut gefallen. Das "Nesn Nose" (dessen Namensbedeutung bis zum Schluss ein ähnliches Rätsel wie der Kofferinhalt in „Pulp Fiction“ bleibt) hat einen Türsteher. Mit dem gibt es einen lustigen Dialog, irgendwann mitten im Geschehen in der Kneipe vergisst man ihn (den Türsteher, nicht den Dialog! Na gut, den auch! Sonst würde man sich ja auch an den Türsteher erinnern). Nicht aber Stieber, der es sich nicht nehmen lassen konnte, im größten Tumult einer Schießerei kurz vor die Kneipe zu blenden, um den hohlen Blick des Türstehers zu zeigen, während wir die durch die Tür gedämpften Schüsse des Massakers hören dürfen.

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