13.06.2013

DOUBLE TAKE (2009)

Über Regie-Liebling Alfred Hitchcock braucht man wohl keine Worte verlieren, ist er doch auch dem jüngeren Publikum spätestens durch Anthony Hopkins Darstellung im Kinoerfolg „Hitchcock“ ein Begriff, ein Film der die späte Phase seines Lebens wiedergibt. Künstler Johan Grimonprez setzt ihm eine andere Art Denkmal. Er macht Hitchcock zur Hauptfigur in einer Thriller-artigen Geschichte. Hitchcock stößt auf Hitchcock, sowohl in der Art der Geschichte, als auch in Person.

Hierfür verwendete Grimonprez Archivmaterial, Szenen aus Hitchcock-Filmen, Werbefilme und neu gedrehtes Material, für welches Hitchcock-Double Ron Burrage zur Seite stand. Zudem wird Fernsehmaterial aus Nachrichtensendungen und aus Hitchcocks TV-Arbeiten verwendet. Diese Collage aus Filmschnipseln wird jedoch nicht a la „Tote tragen keine Karos“ zu einem klassischen Spielfilm zusammen gesetzt, sondern bleibt das was sie ist: eine Collage. „Double Take“ ist ein Experimentalfilm, und es dauert etwas, bis man sich in seine ungewöhnliche Erzählstruktur eingefunden hat, ist die Geschichte doch recht sprunghaft erzählt, immer wieder unterbrochen von politischen Gleichnissen und anderem Material.

Nach einiger Zeit findet man sich dann doch zurecht in dieser nüchternen Erzählung, deren tiefere Bedeutung einem erst mit der Zeit klar wird. Da grübelt der junge Hitch über das Zusammentreffen von Doppelgängern und dass immer nur einer lebend aus einer solchen Situation heraus kommen kann, während der alte Hitchcock, der genau weiß was in seinem jüngeren Ich vorgeht, damit provoziert, dass es auch mehr als zwei Ichs geben könnte. Ein toller philosophischer Ansatz und damit nur einer von vielen.

Interessant arbeitet Grimonprez heraus, wie Hitchcock selbst am Tod des Kinos beteiligt war, indem er für das neu aufkommende Medium, den Fernseher, gearbeitet hat, und damit sein liebstes Baby tötete. Letztendlich tat er damit genau das, womit er schon immer sein Geld verdiente und seine eigenen Ängste verarbeitete, tötet Hitchcock in seinen Filmen doch meistens das was er liebt, da eben nur so ein guter Thriller funktionieren kann.

Hitchcock ging es immer darum das Publikum zu verstören, wenn auch nie ohne Eigennutz, stellte sich der durch eine strenge katholische Erziehung recht ängstlich aufgewachsene Hitchcock doch damit seinen eigenen Ängsten, verarbeitete sie und konnte dementsprechend mit ihnen umgehen. In „Double Take“ wird das Publikum nun ausgeschlossen, denn nun darf er nur mit sich und seinen Ängsten hadern. Ein gekonntes Gleichnis von Grimonprez.

Das Publikum wird tatsächlich ausgeschlossen, denn „Double Take“ ist kein Unterhaltungsfilm. Zielpublikum sind Cineasten und Kunstliebhaber, und nur die werden mit diesem anstrengenden Stück Experimentalfilm etwas anfangen können. Ja, auch ich habe die Gleichnisse verstanden, wenn politisches Treiben den Doppelgänger-Szenen Hitchcocks gegenüber gestellt wird. Die Manipulation durch Werbung, das Aufschüren und Kompensieren von Angst, das Fernsehen, welches nicht nur Kino gefährdet sondern durch die ständige Präsenz auch Einfluss auf das Auftreten von Politikern hat, da kommt einiges zusammen, immer im Hinblick auf das Thema Doppelgänger und damit einhergehend mit dem Aspekt des Konkurrenzdenkens. Der Film ist also durchaus durchdacht und keine sinnlose Aneinanderreihung von Bildern, die einen Hitchcock huldigen sollen.

Aber scheinbar bin ich nicht der Typ für solche Arbeiten. Ich dachte ich wäre es, aber ich bin es nicht. Denn wirklich gefallen hat mir „Double Take“ nicht, und dass dies nicht die Schuld am Film selbst ist, sieht man daran, dass ich an ihm nichts zu kritisieren habe. Er liefert genau das, was man von einer Collage zu erwarten hat, ist geistreich erzählt, spielt gewitzt mit analytischen Erkenntnissen und weiß das Zeitgeschehen beider Hitchcocks innerhalb der zu treffenden Aussagen zielgenau mit einzubeziehen. Grimonprez hat dafür meinen Respekt und hatte auch auf die komplette Lauflänge meine Aufmerksamkeit, aber um „Double Take“ so zu achten wie er es verdient, bin ich einfach nicht künstlerisch interessiert genug.  OFDB

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