Es gibt sie, diese Horrorfilme, die in der Theorie geradezu misslungen klingen, dank schlechter Schauspieler, zu schlichter Geschichte mit dümmlichen Hintergrund, dem Fehlen von Grusel und psychologischem Gespür, dem Drang lediglich ins Reißerische abzudriften und dem Fehlen wahren Talents in der Regieführung. Geradezu vernichtend klingt eine solche Aufzählung, und doch gibt es sie, diese Horrorfilme, die trotz und teilweise auch wegen dieser Makel zu funktionieren wissen, und da reden wir nun nicht von unfreiwillig komischen Trash, der einzig zur Belustigung taugt.
„Man-Eater“ ist einer dieser Filme, der mit Sicherheit auch seine kurzen Momente unfreiwilliger Komik besitzt, die einen kurz zum Schmunzeln bringen, der aber noch viel mehr wahre Vorzüge besitzt, die ihn gar zum gelungenen Vertreter seines Genres machen. Im speziellen hier vorliegenden Fall ist dies eine dichte Grundatmosphäre, die nie gebrochen wird, eine stimmige Location in der alles spielt, und die locker glaubhaft zwischen Strand, verlassenem Dörfchen, Friedhof und Wald hin und her springen kann, und wir haben eine ernsthafte Bedrohung, zumindest in der ersten Hälfte in welcher nicht ganz klar ist welcher Art die Bedrohung nun ganz genau ist.
Mit dem ersten Zeigen des Menschenfressers verfliegt diese Bedrohung noch nicht, ist der eher unbegabte Schauspieler George Eastman doch stimmig von der Maske her zurecht gemacht. Aber im Laufe seiner verschiedenen Attacken schwindet die Glaubwürdigkeit dass er ein ganzes Dorf vernichten konnte, ohne aufgehalten zu werden. Und wenn schließlich auch noch der Hintergrund aufgezeigt wird, wie der an sich gute Mann zur Bestie wurde, dann kann man nicht mehr von einer ernsthaft spürbaren Bedrohung sprechen, dann arbeitet zu vieles gegen diese Wirkung. Aber zuvor war sie da, und das hilft einen in diese wundervoll unheilvolle Atmosphäre einzutauchen, die auch dann noch vorhanden ist, wenn der eigentliche Täter seinen wahren Schrecken verloren hat.
Neben der bisher aufgezählten Pluspunkte spielt noch ein besonderer Faktor eine große Rolle, dass der in der Theorie so plump klingende Film so überraschend positiv ausgefallen ist. Und das ist die Musikuntermalung, die wie für die Entstehungszeit in Europa geradezu typisch recht experimentell mit verschiedenen Tönen der Bedrohung ausgestattet ist, irgendwo zwischen melodisch und völlig unmelodisch hin und her pendelt, aber auf jeden Fall immer den richtigen Ton für die jeweilige Szene treffend. Dabei sprechen wir nicht einmal von einer clever gesetzten auf die Bilder abgestimmten Komposition, wie man sie aus Meisterwerken wie „Spiel mir das Lied vom Tod“ kennt. Es ist mehr ein glücklicher Zufall, dass der Soundtrack der schlichten Geschichte so hilfreich zur Seite steht, was nicht verwundern darf, wirkt der Rest des Films doch ebenso zufällig geglückt.
Joe D‘Amato ist nun alles andere als ein talentierter Regisseur. Er hatte das Glück seinen ersten Film „Die Mörderbestien“ direkt mit Klaus Kinski drehen zu dürfen, der dafür bekannt war in allem mitzuspielen was Geld versprach. Danach widmete sich D‘Amato zunächst einmal dem mich nie überzeugen könnenden Erotikbereich, wo er Klassiker wie „Black Emanuelle“ schuf. Zum Horrorfilm zurück kehrte er mit „Sado - Stoß das Tor zur Hölle auf“, und Erfolge wie „Man-Eater“ verstärkten ihn darin zunächst weiter im Horrorgenre zu verweilen, auch wenn er mit „In der Gewalt der Zombies“ und „Porno Holocaust“ immer wieder versuchte den Horrorbereich mit seinem heiß geliebten Erotikbereich zu mixen. Dass dieser für ihn schon immer mehr Herzensangelegenheit war als das hier vorliegende Genre zeigt schließlich seine Rückkehr in diesen Bereich nach einer handvoll Horrorerfolgen und seine spätere Entscheidung gar in den Pornobereich zu wechseln.
Ein großer Regisseur ging dem Horror-Fan damit nicht verloren, zumal Vieldreher D‘Amato mit Werken wie „Killing Birds“ und „Frankenstein 2000“ zwischendurch auch immer wieder mal erneut Horrorluft schnupperte. Aber im Erotikbereich schien er mit seinem schlichten Talent und dem Drang zum quantitativen Schauwert einfach mehr hinein zu passen, und was seine Horrorarbeiten betrifft, so kann ich von meiner Seite aus berichten, dass „Man-Eater“ sein bisher einzig von mir gesichtetes Werk ist, welches geglückt ist. Ähnlich wie in Hoopers „Blutgericht in Texas“ so schwebt auch hier der Zufall über allen Dingen, das Glück von Entscheidungen die aus der Not getroffen wurden und dem glücklichen Aufeinandertreffen zusammen passender Faktoren. Im Gegensatz zu Hoopers Meisterwerk ist D‘Amatos Königsübung dieses Genres jedoch „nur“ ein kleiner stimmiger Horrorfilm geworden und keine dieser großen Perlen, die zur Pflicht des Genres werden. Eine Empfehlung spreche ich nur den Stammgästen der harten Nische Horrorfilm aus, aber denen sei „Man-Eater“ dann auch von ganzem Herzen ans Herz gelegt. OFDb
Gar so untalentiert finde ich den guten alten D'Amato gar nicht - er war halt ein Viel- und Schnellfilmer, der eine Menge sehr billig produzierte Streifen unters Volk brachte; ähnlich wie bei Jess Franco ist da naturgemäß viel Schnodder dabei, der aber auch immer wieder Interessantes zu bieten hat. Handwerklich war D'Amato durchaus begabt - das attestieren ihm auch die meisten Kollegen, und z.B. seine Kameraarbeit in COSA AVETE FATTO A SOLANGE?/DAS GEHEIMNIS DER GRÜNEN STECKNADEL zeugt von genauem Blick. Auch inszenatorisch bringt er durchaus eine eigene Handschrift ein; seine - nennen wir es mal: - Ökonomie kann auch sehr effektiv sein.
AntwortenLöschenVon D'Amatos Horrorproduktion ist SADO sehr zu empfehlen - eine sehr düstere und auch derbe, aber ganz und gar abgründig-perfide Geschichte. Auch sein ABSURD ist recht stimmungsvoll. KILLING BIRDS ist übrigens nicht von ihm inszeniert - D'Amato übernahm Produktion und Kamera, Regie ist von Claudio Lattanzi (wobei gemunkelt wird, daß D'Amato Teile selbst inszeniert hat).
Absurd habe ich kurz nach Man-Eater geschaut, der steht meiner Meinung nach weniger für das Talent D'Amatos, aber dazu schreibe ich die Tage noch etwas. Sado steht noch aus, aber auf den bin ich noch nicht gestoßen. Bisher ist er nicht in meiner Sammlung. Aber ich denke wenn es ein Film von ihm mit Man-Eater aufnehmen kann, wird es sicher Sado sein. Bin mal gespannt. :)
LöschenHans Schifferle hat Antropophagus bei Heyne zu den 100 besten Horrorfilmen gezählt - und er hat recht. Zudem sind Aristide Massaccesi aka d'Amato und Eastman aus dem italienischen Exploitationfilm gar nicht mehr wegzudenken, weshalb sich die Frage talentiert oder nicht so eigentlich garnicht stellen läßt. Fakt ist, das Massaccesi nicht nur ein begehrter und ungemein professioneller Kameramann war, sondern mindestens drei Filme hinterlassen hat, die zu den Eckpfeilern des italienischen und europäischen Horrorfilms zählen.Es ist auch bemerkenswert, wie an allen Kritikern vorbei immer wieder Neuauflagen herauskommen und nicht nur sofort von der Zensur verfolgt, sondern offensichtlich auch gekauft werden.
AntwortenLöschenDas der gute Herr mit seinen Erotik-Horror-Filmen eben mit dem Zeitgeschmack auch Geld verdienen mußte, begreift man sehr schnell, wenn man sich die Situation der italienischen Filmindustrie ab den 1980ern vergegenwärtigt.
gecko