Ein guter Horrorfilm zeichnet sich oft dadurch aus, dass er eine Angst des Zuschauers erkennt und diese wiederzugeben weiß. Findet er dabei neue Ansätze oder gar eine neue Quelle der Angst, ist das eine Seltenheit und doppelt so unterhaltsam wie oft Reproduziertes. Schaut man sich die Kinderquote im Lieblingsgenre des Horror-Fans an, geht es meist um Bälger, und dann um besessene, monströse oder künstlich psychopathische. Jugendliche werden meist zum Opfer. Täter sind sie nur selten, und wenn dann meist in Werken, die in der „Scream“-Welle mitschwimmen und in denen sie als überraschende Täter im Finale enttarnt werden.
Ob man es sich eingestehen mag oder nicht: die Vorstellung dass eine Bande Halbstarker sich als Teenager ohne Grenzen entpuppt, denen man hilflos ausgeliefert ist, ist eine Angst die nicht weit hergeholt ist. Wer in der Stadt lebt weiß, dass man nachts nicht zwingend leichtsinnigen Fremden begegnen möchte, und da ist es egal ob es sich dabei um Teenager oder um Ausgewachsene handelt. Zwei Jahre bevor man zu Parodiezwecken „Tucker And Dale vs. Evil“ auf die Menschheit losließ, befasste sich Regisseur James Watkins mit dieser Angst, die manchem sicher peinlich ist. Dass sie nicht unbegründet ist, beweist die Wirkung der ersten halben Stunde, die das Spannungshoch des Streifens bedeutet, obwohl wir uns noch in einem Szenario befinden, das zunächst leicht übertrieben alltäglich ist und im weiteren Verlauf zunächst noch denkbar.
Obwohl? Nein, gerade (!!!) deswegen besitzt diese Phase des Streifens ein Spannungshoch. Neben dem Spiel mit den Erwartungen des Zuschauers und dem Genre-typischen ausgeliefert sein inmitten in der Natur, ist es der Leichtsinn und die mögliche Gewaltbereitschaft der Teenager, die ein Angstgefühl beim Zuschauer entstehen lässt. Es herrscht Nervenkitzel noch bevor etwas passiert. Gekonnt wird damit gespielt, dass ein ausgewachsenes Pärchen, einzeln stärker als jedes Kind und intelligenter durch die Lebenserfahrung, einer Bande Gewaltbereiter unterlegen ist, sollten Vernunft und natürlich vorkommende Normen von Reaktionen und Reflexen eine Ausnahme erleben.
Ob man damit einen ganzen Film hätte erzählen können, bleibt die Frage. Leider entpuppt sich „Eden Lake“ nicht als Experiment, welches uns die Antwort auf diese Frage liefert. Denn schon kurz nach dem ersten Toten, einem Hund, befinden wir uns mitten in einem realitätsfernen Stoff für die Phantasiewelt des Kinos. Das weiß zu funktionieren, „Eden Lake“ ist auch in dieser Phase ein toller Film, umorientieren muss man sich als Zuschauer dennoch, war man doch auf einen eher realitätsorientierten Horrorfilm vorbereitet und nicht auf einem „viele Kids folgen einem völlig durchgeknallten Psycho“-Trip.
Was also eine große Leistung mit Tiefgang innerhalb des unterschätzten Genres Horror hätte werden können, verkommt zu purem, phantastischem Terror-Kino, das allein durch seine völlige Übertreibung bereits schon Schutz bietet, so dass man vor dem Bildschirm nur bedingt mitbangt. Kritik am White Trash wird zum Selbstzweck eingesetzt um ein Unterhaltungshoch zu erreichen, geistreiche Aussagen werden da nicht getroffen, Ursache und Wirkung nicht gesellschaftskritisch und psychologisch treffend verfolgt.
Das ist schade, bietet aber innerhalb des Bereiches des Terrorfilms dennoch einen gelungenen Vertreter inmitten von Fließband-Werken a la „Frontier(s)“, die meist nur Leerlauf bieten und einzig die Brutalitäten im Auge behalten. „Eden Lake“ spielt auch in späten Phasen noch gekonnt mit den Themen Abhängigkeit, dem ausgeliefert sein und der Hoffnungslosigkeit. Schonungslos schwenkt der Streifen in alter „Ich spuck‘ auf Dein Grab“-Tradition in einen Rache-Akt um, ohne dabei die Heldin des Stoffes zu einer Amok-laufenden Psychopathin werden zu lassen, die das Gesetz selbst in die Hand nimmt. Hier bleibt „Eden Lake“ für sein Genre gesehen relativ realitätsnah. Die Heldin lauert den Teens nicht auf. Sie ignoriert auf ihrer Flucht lediglich zum Selbstschutz gesetzliche Konsequenzen und tötet auch mal im Angesicht nicht durchzudringendem Schutzes aus Willkür und Rachegefühlen einen Jugendlichen, wenn sich die Chance ergibt.
Man kann nicht absprechen dabei ein Gefühl von Gerechtigkeit gespürt zu haben, auch wenn die Konsequenz dieser Szenen dadurch absichtlich ins fragwürdige Licht gerückt wird, wenn besagte Opfer eigentlich immer jene Kids sind, die Frieden schließen wollen. „Selbst schuld“, durchzuckt es einem trotzdem im Kopf, und geschockt von sich selbst weiß man wieder zu schätzen warum es Gesetze gibt, die uns vor uns selbst schützen. Man wird dankbar dass es Horrorfilme gibt, die einem Ängste und Rachegefühle vor dem Bildschirm ausleben lassen, als Ersatz dafür, dass man es im normalen Leben glücklicher Weise nicht muss.
In solchen Rache-Momenten ist „Eden Lake“ gnadenlos, er bleibt es auch in anderen Punkten, wahres Terrorkino, wie seinerzeit in den 70er Jahren entstanden, wird er trotzdem nie. Dafür ist er zu sehr Kino, zu sehr auf Provokation aus ohne dabei auch stilistisch zu provozieren. Es ist nicht so, dass der Streifen von James Watkins, der auch den unterschätzten „Unsichtbaren Augen“ geschrieben hat, nicht auch seine Überraschungen zu bieten hätte. Aber letztendlich hält er sich doch zu sehr an die Regeln seiner Gattung und packt sein Publikum damit doch noch in hauchdünne Watte, wenn auch dabei nicht so feige werdend wie das „Tanz der Teufel“-Remake „Evil Dead“ und viele andere Produktionen heutiger Tage. Bei „Eden Lake“ stößt man zumindest trotzdem noch an Grenzen. Es gibt Momente des Unwohlfühlens und man fiebert mit den offensichtlichen Kinofiguren mit, obwohl alles zu realitätsfern inszeniert ist. Das macht ihn eine Spur besser als den manchmal angenehmen Durchschnitt und wesentlich besser als den oftmals uninteressanten, den das Genre sonst so zu bieten hat. OFDb
Ein wirklich nervenaufreibender Terrorfilm mit einem sicherlich vorhersehbaren, aber daher nicht weniger bösen Ende.
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