Ich konnte es kaum glauben, als ich vor einem Jahr das Plakat zu diesem Film in einem Kino hängen sah. Nicht nur dass Dieter Hallervorden noch einmal eine Hauptrolle in einer Kinoproduktion gewährt wurde, auch dass in seinem Comeback Heike Makatsch eine große Nebenrolle spielt, faszinierte mich. Da spielen zwei meiner liebsten Gesichter des deutschen Films vereint in einem Projekt, von dem ich nie zu träumen gewagt hätte. Im Prinzip hätte nur noch Thomas Heinze in irgendeiner Rolle gefehlt, um die Sache für mich persönlich zu perfektionieren.
Dieter Hallervorden ist bereits im Komödienfach heutzutage ein unterschätztes Talent. Dass darüber hinaus sein Schauspieltalent von vielen noch weniger bemerkt wird, verärgerte mich schon immer, war aber nur Realität im Filmalltag. Im Theater auf der Bühne war er glücklicher Weise immer aktiv und wurde dort auch geschätzt - im übrigen neben seiner Schauspielerei auch für die Förderung junger Talente. Als er in einem Audiokommentar darauf angesprochen wurde, warum er in einem Film nie wieder eine ernste Rolle wie seinerzeit in „Das Millionenspiel“ gespielt hat, antwortete er, er hätte nach den Komödienerfolgen nie wieder ein Angebot in diese Richtung erhalten. Interessiert hätte es ihn schon.
Bis zum Jahr 2013 hat es gedauert, bis man Hallervorden außerhalb des Komödienfachs eine Hauptrolle zugetraut hat, und ich habe mich von Herzen gefreut, dass der gute Mann dafür mittlerweile auch die Anerkennung erhalten hat, die er längst verdient hat. Alle sind begeistert von seiner Darbietung. Teilweise spricht man von seiner größten Rolle. Das wurde auch höchste Zeit. Mit Blick auf das Plakat schien man der Sache aber ursprünglich nicht ganz zu trauen, schmunzelt der gute Mann doch etwas arg humoresk auf den Betrachter nieder, ein Hauch gewollte Didi-Komik blitzt auf, die freilich in „Sein letztes Rennen“ nicht vorhanden ist.
Gerne als Tragikomödie betitelt ist „Sein letztes Rennen“ in meinen Augen eher ein Drama, ist der Humorgehalt doch viel zu zurückgeschraubt, um ihn als Teil des Genres anerkennen zu können. Aber das ist auch ganz gut so, denn Kilian Riedhofs Film ist ein zu Tränen rührendes Werk, das nicht emotionslos an einem vorüber gehen kann. Der Mann, der erst vor einigen Jahren mit „Homevideo“ auf sich aufmerksam machte, serviert uns hier eine Geschichte über das Altern, das Alleinsein, die Hoffnung und den Widerstand gegen ein eingefahrenes System. Dabei rutscht Riedhof nur hin und wieder ein wenig in klassische Filmklischees ab, ansonsten ist ihm ein realitätsnahes und gefühlsoffenes Drama geglückt, das wesentlich mehr Facetten seiner schlicht klingenden Geschichte einfängt, als man vermuten würde.
Trotz seiner Themenvielfalt übernimmt sich Riedhoff, der auch am Drehbuch beteiligt war, nie, lenkt in letzter Konsequenz den Fokus immer wieder auf den Hauptstrang, aber so dass die einzelnen Rahmen-Themen Einfluss auf diesen nehmen. Nichts wird unnötig eingebunden, umgekehrt hechtet das Drehbuch nie angeblichen Pflichten hinterher. Locker erzählt und auch so inszeniert legt erst das Seelenleben Pauls eine bleiernde Schwere über das Geschehen, eine Schwere die mich tief berührt hat und mich so manches Mal Tränen vergießen ließ.
„Sein letztes Rennen“ zeigt Hallervorden in Hochform, unterstützt von einem großartigen Drehbuch und umgeben von allerlei talentierten und sympathischen alten wie jungen Mimen, die alle ihre Charaktere glaubhaft auszufüllen wissen. In „Sein letztes Rennen“ ist nicht alles schwarz und weiß. Es gibt kein klar getrenntes Gut und Böse, gesund und ungesund, bei Verstand und irritiert. Und das ist eine der menschlichen Botschaften des Films für uns Schubladendenker. Zuhören und sich Zeit für den einzelnen nehmen lautet die Devise, und am deutlichsten wird dies immer wieder in jenen Momenten, in welchem das Altenheim-Personal versucht Paul in ein System zu zwängen, in welches er nicht hineingehört.
Kritiklos geht der Film aber auch mit Pauls Verhalten nicht um, ein Benehmen das keineswegs sonderlich rücksichtsvoll ist. Auch Probleme mit der Filmtochter, gespielt von Makatsch, werden nicht per Entschuldigung, wie es durchaus möglich wäre, aus dem Leben geschafft. Paul ist ein stolzer Charakter. Aber von all den guten und schlechten Seiten der Menschlichkeit zieht „Sein letztes Rennen“ seine Kraft und seine Glaubwürdigkeit. Und so todtraurig die ganze Geschichte schlussendlich auch ist, eine gewisse Herzenswärme kommt auf, ein Spalt Hoffnung öffnet sich, selbst dann wenn alles verloren scheint. OFDb
Schöne Lobhudelei für einen gelungenen Film, der auch mich überzeugen konnte.
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