Regisseur Genz und Autor Aakeson liefern eigentlich genau jenes ruhige und besonnende Europakino ab, welches man aufgrund der Geschichte bereits vermutet. Vielleicht ist die Gewichtung zwischen Komik und Drama eine andere als erwartet, so habe ich es zumindest empfunden, aber letztendlich ist mit „Chinaman“ ein durchdachter, emotionaler Film herausgekommen, der gerade jenen schmecken wird, die mit den kitschigen, übertrieben romantischen Mainstream-Werken aus Amerika wenig anfangen können.
Neben einem vorbildlichen Respekt vor Kulturen ohne deren Verschönerung zeigt sich „Liebe süßsauer“ (Alternativtitel) auch in seiner Charakterzeichnung und den Interaktionen zwischen den einzelnen Figuren höchst realistisch. Genz inszeniert weder zu nüchtern, wie es z.B. Haneke machen würde, noch schwelgt er in lebensferner Romantik. Das Annähern der beiden illegal Vermählten und das Entstehen einer richtigen Liebschaft wird fast nur angedeutet und findet in der Geschichte nicht so viel Beachtung wie vermutet, zumal die Geschichte gegen Ende mit einer Wendung überrascht, mit welcher der stets gesetzte Schwerpunkt des Gefühlslebens der zentralen Figur Keld unverändert bleibt.
Mit Bjarne Henriksen ist Keld hervorragend besetzt. Man nimmt Henriksen nicht als Keld spielenden Schauspieler war, er haucht der Figur so realistisch Leben ein, dass man glaubt er wäre tatsächlich das was er spielt. Der ehrliche Blick auf das bürgerliche Denken der Dänen (aus der Sicht von drei Parteien) und der Zusammenstoß mit der fremden Kultur, welcher sich Keld mit viel Respekt nähert, lassen „China Man“ Authentizität atmen, die unangenehm sein kann, aber auch menschlich. Manchmal reicht nur ein Blick mit angedeutetem Lächeln, um den Zuschauer selbst zum Lächeln zu bringen. Ebenso steckt die Dramatik bereits dann an, wenn sie nur angedeutet wird.
Genz‘ Tragikomödie ist ein Film des Mitempfindens, und damit genau das wofür dieses Genre überhaupt existiert. Und seine ehrliche, wie wirksame Art reißen einen geradezu mit. Ein Jedermann mit Alltagsproblemen eignet sich nun einmal perfekt zur Identifikation, und wer glaubt „Chinaman“ würde auch nur im Ansatz dem ebenfalls geglückten, aber typisch Romantikkino erzählten, „Green Card“ ähneln, der wird sich wundern wie sehr das Risiko der illegalen Ehe nur im Hintergrund der Geschichte krieselt. Emotional holt Aakeson diesbezüglich erst zum besten Moment aus, wenn man sich als Zuschauer emotional ohnehin gerade auf einen Tiefpunkt befindet.
Keld mag aus seinem Schneckenhaus herauskommen, aber charakterlich war er schon immer der gute Kerl, der er auch am Ende des Streifens ist. Es wird nicht nur zwischen den beiden kaum ein Wort verstehenden Ehepaaren kaum ein Wort gewechselt, ohnehin ist das soziale Umfeld Kelds wortkarg zu nennen. Und auch Kelds naives Denken ändert sich bis zum Schluss nicht. „Chinaman“ ist somit nicht, wie man erwarten würde, ein Film charakterlicher Veränderung, sondern eher ein Film eines veränderten Blickwinkels aufgrund des Kennenlernens einer anderen Kultur. Von daher ist es gut, dass Chinesen wie Dänen gleichermaßen am Werk vor und hinter der Kamera beteiligt waren, um in keinerlei Klischees abzurutschen. OFDb
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen