Christian Genzel, der auch im Langfilm "Die Muse" seinen Zugang zu intellektuellen Stoffen bewies, liefert mit dem Kurzfilm "Blank" einen humoristischen Rundumschlag ab, der mit Kritikern, Künstlern, Publikum und unserer redefreudigen Gesellschaft gleichermaßen abrechnet, wenn im Fokus auch mit den beiden erst genannten Bereichen mehr als mit den letzten. Wie Kritiker, welche das sinnlose Geschwätz heutiger Zeiten verurteilen, in ihrer selbstgerechten Art selbst zum Leergeschwätz neigen, geblendet von ihrem Intellekt zu glauben was sie reden wäre bedeutungsschwanger, wird von Genzel hervorragend vorgeführt. Der Dichter hingegen schweigt. Dies tut er in seinem Werk, wie in öffentlichen Auftritten gleichermaßen, und Autor und Regisseur Genzel lässt sich das Hintertürchen offen den Zuschauer selbst beurteilen zu lassen, wieviel Freiheit tatsächlich hinter dem Verhalten des Künstlers steckt, wird doch auf unterschiedliche Art immer wieder humorvoll treffsicher dem Dichter das Sprechen verwehrt, ob durch einen Hustenanfall oder vom Manager verkörpert, der, sofern die Kritikpunkte der Experten zutreffen würden, all jenem widerspricht, wofür das Werk des von ihm vertretenen Künstlers steht. Ist das gefeierte Werk somit Missverständnis eines nie zu Wort gekommenen Mannes (der irgendwann in jüngster Vergangenheit ab einem gewissen Punkt vielleicht beabsichtigt die Gunst der Stunde nutzte, nachdem sein Schweigen fehlinterpretiert wurde?), oder kommt der gute Mann nur nie zu Wort, wenn er sein wortloses Kunstwerk kommentieren soll? Wer weiß, wer weiß. In einer solch selbstverliebten und gleichzeitig gedankenlosen Gesellschaft wie der unseren ist beides denkbar, auch aufgrund der immer stärker vernachlässigten Bildung, die immer skurriler wirkende Möchtgernintelligente hervorbringt, weswegen mir im Zuge dessen "Idiocracy" in den Sinn kommt.
Der ist mit seiner lauten Art jedoch kein wirklicher Vergleich. Näher liegt da schon ein Blick auf die Eingangssequenz von "Ein Ticket für zwei", jedoch auf Genzels Werk bezogen nur die Komik der geduldigen Zuhörer auf Zwang betreffend. Wirklich treffsicher wird erst der Vergleich mit Loriot, erinnert mich "Blank" doch sowohl an den Auftritt des Dichters in "Pappa ante Portas", als auch an den wundervollen Sketch aus der TV-Reihe "Loriot", in welchem sich Filmkritiker zu einem kurzen Filmausschnitt aus einem frühen Slapstick-Werk äußern und sich dabei mehr feiern als das zu besprechende Objekt. So ist es auch hier der Fall, und das Wort Objekt benutze ich bewusst, verkommt doch die Kunst nur noch zu etwas zu Besprechendem, anstatt es auch musisch zu würdigen, so als sei Kunst nur Futter des (Pseudo-)Intellekts. Auch wenn das hier im Zentrum stehende Werk des Dichters bereits Nonsens ist (ebenso wie im genannten Sketch Loriots), so übertreffen die Kritiker es in diesem Punkt doch im Äußern von unsinnigem Blabla, während das Publikum, welches zu einer unsinnigen Höflichkeit erzogen wurde, dem Treiben des Künstlers, wie auch der Experten, nicht mehr mit Unmut begegnet. Das passt zu meinen persönlichen Beobachtungen, dass der Buhruf eines Livepublikums immer weniger eingesetzt wird, ja gar schon so gut wie ausgestorben ist, während das anerlernte Klatschen auch dann noch aus Höflichkeit unreflektiert erklingt, wenn das Vorgeführte einer Katastrophe gleicht. Zu dem höflichen Verhalten des in "Blank" gezeigten Publikums kommt einem sicher auch Hape Kerkelings berühmtes Hurz-Experiment aus "Total normal" in den Sinn, welches absichtlich missglückte Kunst einem Testpublikum vorführte.
Aufgrund seines authentischen Einstiegs, glaubt man hier zunächst ähnlich Gewolltes zu sichten. Es dauert bis "Blank" seine Kurzfilm-Identität aufdeckt, weswegen es auch gut ist, dass dem Streifen kein wirklicher Vorspann beschert wurde. Mit Kerkeling und Loriot verglichen zu werden kann man sicherlich als Lob ansehen, und Genzel ist es geglückt trotz der Vergleiche ihrer Werke etwas halbwegs Eigenständiges zu kreieren, eben weil nicht geistlos kopiert oder zitiert wird, sondern eigene Gedanken und Beobachtungen Ursprung und Lenker des humoristischen Kurzfilmes sind. Gut gefällt mir die Idee den Dichter Blank zu nennen, immerhin wird am Rande erwähnt, dass er sein Werk auch "niedergeschrieben" hat, vielleicht ein wenig erinnernd an das Kapitel "Die Vorteile des Rauchens" aus Allen Carrs Buch "Endlich Nichtraucher!" Inszenatorisch missfiel mir ein wenig die zu hektische Kameraführung in der Phase vor der Expertendiskussion, ansonsten gefiel mir der Stil des Films, einschließlich des humoristischen Höhepunktes innerhalb des Abspanns. Hervorhebenswert in der Besetzung ist der Darsteller Blanks, Thomas Limpinsel, der bis auf einige wenige zu bemüht wirkende Momente des Nichtäußerns während seines "Vortrags" stets treffsicher agiert. Die Sympathie gilt ihm, zumal man als Zuschauer immer das Gefühl hat, dass sich hinter der vorgelebten Mimik ein inneres Grinsen befindet. Warum dieser herrliche Kurzfilm erst 3 Jahre nach seiner Entstehung auf You Tube zu bewundern ist, ist mir nicht bekannt, aber nun ist es so weit, und jeder kann sich ein eigenes Bild von ihm machen.
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