"Phenomena" beginnt thematisch wie ein Giallo, jenes Sub-Genre, welches Dario Argento mit Werken wie "Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe" und "Profondo Rosso" mit prägte, angereichert mit Elementen, die auch den Einstieg von "Suspiria" begleiteten. Trotz dieser aus anderen Werken bekannter Zutaten ist der hier besprochene Streifen ein recht eigenständiges Werk inmitten des Schaffens des berühmten italienischen Regisseurs geworden, so wild wie hier mit Ideen und verschiedenen Schwerpunkten je Filmphase um sich geschmissen wird und so raffiniert wie der gute Mann den Zuschauer oftmals ratlos zurück lässt, der nie ahnen kann, was ihm auf dem wilden Ritt zum Ziel als nächstes geboten wird. Den stärksten Einfluss auf das bizarre Ergebnis hat freilich der gewagte Einfall, die Protagonistin mit Insekten kommunizieren lassen zu können. Wenn sie einem Glühwürmchen zu einem wichtigen Beweisstück folgt, schwebt gar ein Hauch Anime-Feeling über dem Horrorfilm, aber ohnehin arbeitet Argento in diesem Werk stets auch mit zauberhaften Fantasyelementen, seien es die verträumten, eiskalt inszenierten Schlafwandler-Momente, oder phantastisch anmutende, geradezu realitätsentfremdete Szenenübergänge, wie der Übergang hin vom scheinbaren Finalkampf in einem Haus zum ruhig startenden Ausflug auf einem Motorboot. Deutlich wird das Arbeiten mit derartigen Elementen aber auch in nur angehauchten Momenten, wie jenem, in welchem Jennifer auf an "Alice im Wunderland" erinnernde Art dem Geheimnis eines Ortes auf die Spur kommt.
Dass der eigentlich oft sinnlos anmutende Plot so gut funktioniert und aus "Phenomena" eines der besten Werke eines ohnehin großartigen Regisseurs macht, liegt hauptsächlich an diesem morbiden Mix aus Horror und Märchen, dessen Wagnisse nie lächerlich wirken, den Zuschauer ganz im Gegenteil stets von anfänglichen Verwunderungen zu wahren Schockempfindungen entführen, das Ganze in einer drastischen Art münden lassend, die aus einem verspielten Film ein Werk für hartgesottene Horror-Fans werden lässt. Ob Jennifer auf "Carrie"-Art einen riesigen Schwarm Insekten das Internat fluten lässt, oder ein niedlicher Affe, weit radikaler als ein Jahr später in "Link, der Butler", eine brutale Tat begeht, stets tritt in "Phenomena" der wahrhaftige Horror ein. Eingeladen ist hier ein aufgeschlossenes Publikum, das sich auf die Andersartigkeit spottfrei einlassen kann und in der Lage ist zu begreifen, dass die Logiklücken und unsinnigen Wissenschaftsbehauptungen den ver(alp)träumten Stil unterstützen, ein eigenes Paralleluniversum schaffend, anstatt den Gesetzmäßigkeiten des unseren zu folgen. Der wirkungsvolle Kunstaspekt entschuldigt manch theoretisch dämlich anmutenden Bruch und manche Willkür des Regisseurs. "Phenomena" ist zudem interessant abfotografiert, und eine stimmige Atmosphäre, stets zwischen Bedrohung und Verzauberung pendelnd, schwebt konsequent über den Ereignissen. An diesem Bann, in den "Phenomena" den Zuschauer zu ziehen vermag, trägt auch der grandios gewählte Soundtrack einen starken Einfluss, der nur dann nicht zu funktionieren weiß, wenn Argento, typisch 80er Jahre, meint eigens für den Film komponierte Musik gegen Heavy Metal-Untermalung eintauschen zu müssen. Während sein "Terror in der Oper" sich aus diesem Grund nicht gut genug entfalten konnte, lähmt zwei Jahre zuvor diese unpassende Musikuntermalung "Creepers" (Alternativtitel) nur für winzige Augenblicke, so dass der Film keinen wirklichen Schaden davon trägt.
Der Clou Donald Pleasance, spätestens bekannt durch die "Halloween"-Filme, für die Besetzung des Professors zu gewinnen, weiß zu gefallen. Aber auch die subtil attraktiv eingefangene Jennifer Connelly beweist sich als Glücksgriff und durfte ein Jahr nach ihrer ersten Hauptrolle auch jene in Jim Hensons "Die Reise ins Labyrinth" übernehmen. Es folgten so toll gemeisterte Filmrollen wie jene aus "Dark City", "Dark Water" und "Rocketeer - Der Raketenmann". Die restliche Besetzung bleibt eher unauffällig, da für einen italienischen Film typisch, besetzt. Aber ohnehin klauen hier auch den guten Akteuren die Tiere die Show. Die Auftritte des Affen wissen ebenso zu begeistern, wie manch unübersehbar künstlich aufgemalter Auftritt von Insekten. Mit dem Einsatz ihrer Sequenzen steht und fällt ein guter Teil des Gelingen von "Phenomena", dessen Glück es ist, dass er in seiner realitätsentrückten Art keinen Schaden nimmt, wenn mancher Tiermomente nicht vollkommen echt wirkt. All diese Momente, Elemente und Beteiligten vor und hinter der Kamera sorgen dafür, dass aus einem bizarren Horror- und Fantasy-Mix ein wahrer Alptraum wird, der einen in einen anderen Blickwinkel auf die Dinge entführt, ohne dass sich das Ergebnis in seiner befreiten Logik und dem Wunsch nach alternativer Gesetzmäßigkeiten der Natur in irgend einer Weise esoterisch schaut. "Phenomena" schwankt immer zwischen psychologischen Glücksgriffen, die Drehbuchschwächen aufzufangen wissen, und einem wohl überlegten Psychospiel mit dem Zuschauer, zum Beispiel dann wenn der wahre, harte Horror gerade dann über den Zuschauer einregnet, wenn die Vorphase uns glauben machen will, dass nun der anfängliche Krimi-Aspekt wieder aufgegriffen wird. OFDb
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