26.12.2012

DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN HANDSCHUHE (1970)

Der amerikanische Schriftsteller Dalmas wird Zeuge wie eine dunkle Gestalt in einer Kunstgalerie eine junge Frau ersticht. Die Polizei teilt ihm mit, dass dies nicht der einzige Mord der letzten Zeit war und vermutet u.a. zunächst ihn als Serientäter. Dalmas macht sich selbst auf die Suche. Er weiß, dass an der Beobachtung des Mordes irgend etwas ungewöhnlich war. Aber was war das nur?...

Im Zeichen der Geometrie...
 
Hut ab! Die erste Regiearbeit des später hochgeachteten italienischen Meisters des Horrorgenres kann sich sehen lassen. Wie die meisten späteren Werke, so ist auch sein erster Film ein Giallo geworden. Ein Wort, das eigentlich nur für einen hart inszenierten Kriminalfilm steht, der sich mit Mördern beschäftigt. Die 1959 gestartete Edgar Wallace-Reihe wurde in den 70ern mit italienischer Beteiligung immer häufiger in diese inszenatorische Richtung geschuppst, und so wundert es nicht, dass auch eine Buchverfilmung nach Bryan Edgar Wallace folgte, wo doch stets mit dessen Name versucht wurde Erfolge des Herrn Papa zu wiederholen.

Die angebliche Bryan Edgar Wallace-Verfilmung war mit Argento als Regiewahl in besten Händen. Auch die Schauspieler waren nicht aus der untersten Schublade herausgewühlt. Und um dem ganzen noch eins drauf zu setzen engagierte man Ennio Morricone für die musikalische Untermalung, ein Garantietipp so kurz nach seinem legendären Soundtrack zu „Spiel mir das Lied vom Tod“.

All der Aufwand hat sich gelohnt, Argento ist ein atmosphärisch dichter Film gelungen, der in seiner Bösartigkeit immer wieder zwischen den Genres Krimi und Horror hin und her springt. Der Geschichte folgt man gebannt. Diese ist zwar eher schlichter Natur, ist aber rätselhaft verpackt, mit interessanten Figuren versehen und spannend umgesetzt.

Hin und wieder wird die dichte Atmosphäre unterbrochen, beispielsweise in der längeren Szene, in welcher der Schriftsteller einen Zeichner aufsucht. Völlig unnötig bekommt diese Sequenz sogar einen humoristischen Unterton. Leider passt das so gar nicht zum restlichen Film, soll aber in einer ersten Regiearbeit verziehen sein, erst recht wenn der Rest so professionell umgesetzt wurde, wie es in „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ nun einmal geschehen ist.

Von solchen Ausrutschern einmal abgesehen (ein weiterer wäre z.B. das Integrieren eines Auftragskillers in die Geschichte) weiß die Art der Erzählung ansonsten zu gefallen. Argento schafft die Gradwanderung zwischen Charakteraufbau- und vertiefung und flottem Erzähltempo. Betretene Pfade werden durch neue Erkenntnisse in der Ermittlung schnell wieder verlassen. So ist es positiv zu sehen, dass der Hauptdarsteller nicht den ganzen Film über für die Polizei verdächtig bleibt, mehr noch, der Kommissar vertraut dem Zeugen immer mehr. Beide scheinen am Beginn einer echten Männerfreundschaft zu stehen, in der Art und Weise wie sie miteinander umgehen.

Zudem punktet Argentos Umsetzung mit dem Beachten kleiner Details. Da wäre zum einen der Grund zu nennen, nach dem Dalmas so lange sucht. Was war ungewöhnlich an der Mordbeobachtung? Aber auch andere psychologische Kniffe wissen zu gefallen, wie beispielsweise die Idee, dass der Schriftsteller in Begleitung einer jungen Frau ist. Um diese macht man sich schon lange Sorgen, noch bevor der Täter am Telefon androht ihr etwas anzutun.

Morricones Musik weiß Argentos Arbeit hervorragend zu unterstützen. Ähnlich experimentell wie in seinem Soundtrack zu „Zwei glorreiche Halunken“ überrascht er mit allerlei ungewohnten Melodien, die teilweise sogar an spätere Werke von Goblin erinnern, einer Band mit der Argento später viel zusammenarbeiten sollte. Morricone bietet ruhige Musik, lässt diese ins psychotische herübergleiten mit einer dem Gebiet des Kinder-Schlafliedes entliehenen, flüsternden Stimme, die statt eines Textes nur den Lückenfüller Lalala singen darf. In den schnelleren Szenen ist es auch musikalisch mit der Ruhe vorbei, und der Komponist fährt alles auf, was er benötigt um den Zuschauer zu verwirren oder gar zu verstören, auf jeden Fall aber um ihn zu packen und das Spannungspotential Argentos Bilder zu unterstützen.

Und diese sind, wie man es später von diesem Herren auf dem Regiestuhl auch gewohnt sein sollte, hervorragender Natur. Argento beweist sich als echter Künstler, noch nicht so farbenfroh wie in späteren Werken (Höhepunkt in diesem Gebiet dürfte „Suspiria“ gewesen sein), aber in anderer Richtung interessant. So spielt er z.B. in einigen Szenen mit Licht und Dunkelheit, z.B. wenn er einem weißen Treppenhaus im oberen Stockwerk das Licht nimmt, und der obere Bildschirmteil damit stockdüster und bedrohlich wirkt, eben weil das Schwarz das Weiß so schnell verschluckt.

Ebenso gibt es eine hervorragende Aufnahme, in der ein dunkler Raum ein im weiß strahlendes Viereck beschert bekommt, durch das Öffnen einer Tür im unbeleuchteten Raum. In dieser Sequenz erleben wir auch am allerdeutlichsten Argentos Beachtung des Bereiches der Geometrie, ein Schwerpunkt seiner künstlerischen Herangehensweise in „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“.

Wandmuster versucht er meist komplett einzufangen, Tapeten- und Bodenmuster ebenso. Große Gegenstände versucht er möglichst komplett ins Bild zu bekommen. Gelingt ihm dies nicht, so lässt er die Kamera vom Gegenstand festgelegten Linien entlang gleiten, z.B. bei Außenaufnahmen mit Häusern. Situationsbedingt geschieht dies auch mit Linien leichter einzufangender Gegenstände in ihrer Gesamtheit, z.B. wenn die Kamera einer wandernden Person folgen muss. Interessant ist bei dieser Herangehensweise die Position der Kamera, die häufig solche Aufnahmen bewusst zweidimensional versucht einzufangen, damit das Gesehene in seiner Form schlichter, geometrisch simpler, wirkt.

Auffällig ist dies z.B. in der Schluss-Szene, in der die Kamera ein startendes Flugzeug begleitet, dabei aber immer sehr seitlich bleibt, so dass man den Flieger tatsächlich nur zweidimensional, wie von einer Schablone gezeichnet, begleiten kann. Selbst in der Szene, in welcher Dalmas den Mord beobachtet, wirkt etwas zweidimensional. Vielleicht ist hier der Begriff auch zu übertrieben, aber zumindest wirkt die Beobachtung des Schriftstellers wie der Blick auf ein Theaterstück, dessen Perspektive man nicht einfach ändern kann.

Neben den oben erwähnten Brüchen in der sonst so dichten Atmosphäre, kann man höchstens noch ein wenig enttäuscht über die Auflösung sein. Die Täteraufdeckung selber geht in Ordnung, wird in späteren Argento-Filmen auch noch einige Male wiederholt werden. Unangenehm ist jedoch die angehangene psychologische Erklärung, die damit an die einzige Schwäche von Hitchcocks „Psycho“ erinnert.

Ob das aus der Sicht eines professionellen Arztes nun Sinn macht oder nicht, sei einmal dahingestellt. Ich frage mich nur, warum diese Erklärung so unsauber in die Erzählung eingeführt werden musste. Hätte man das nicht im Fluss der Geschichte irgendwie integrieren können? So wirkt die Szene nicht wie ein Teil der Story, sondern viel mehr wie ein Nachwort, um dem ganzen nun noch einen Sinn zu bescheren und damit auch manchen Kleinigkeiten in der Geschichte selbst (dem gekauften Bild z.B.).

Was wiederum positiv an der Auflösung ist, ist das Spiel mit dem Zuschauer und der Polizeiarbeit. Argento zeigt uns, dass erkannte Muster immer nur Theorien sind, die uns schnell den Stinkefinger des Irrtums zeigen können. Ähnlich wie Verschwörungstheorien scheinen sie in der Beweislage Sinn zu ergeben und erweisen sich dann doch nur als dumme Zufälle aus einer Perspektive von Halbwissen. Im Finale wird der Zuschauer trickreich an der Nase herumgeführt, und der weiß es der Regie zu danken, so wie allen anderen Beteiligten, die scheinbar mit wirklich viel Interesse an „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ beteiligt waren.  OFDb

1 Kommentar:

  1. i love strange movies, thank you schlombie to shre such a great and full of entertainment sharing,

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