21.10.2022

TEXAS CHAINSAW MASSACRE (2022)

Neun Jahre nachdem mit "Texas Chainsaw" bereits schon einmal eine spät nachgereichte Fortsetzung direkt an das Original von 1974 anknüpfte (und dies, gleich vorweg verraten, weit besser als 2022) kommt erneut ein Beitrag der Reihe mit dieser Idee daher, produziert für den Streamingdienst Netflix. Für die Regie holte man sich David Blue Garcia, der bislang nur den Thriller "Tejano" inszenierte, und der macht seine Sache eigentlich recht gut. Denn ihm gelingt es aus einem dämlichen Drehbuch ein dennoch unterhaltsames Stück Film zu schaffen. Denn was Chris Thomas Devlin zusammen mit zwei Ideengebern niedergeschrieben hat, besitzt weder die Cleverness und den Mut des Streifens von 2013, noch hat er die Psychologie von Leatherface aus Hoopers "Blutgericht in Texas" verstanden. Letztgenanntes ginge klar, wenn man sich auf das Michael Bay-Remake von 2003 beziehen würde. Dann wäre nicht nur klar warum der Kettensägenschwinger noch derart agil ist, es gäbe auch keine Ärgernisse in den eigentlichen Hinguckern, die Leatherface im hier besprochenen Werk zu einem einfallsreichen Kämpfer mit kreativen Spontanideen macht. Der Mann agiert gewitzt, nicht mehr überfordert, sondern frustriert (weswegen man ihn wie im Original dennoch als überfordert hätte darstellen können) und kann sogar Fallen stellen (der Jason aus dem "Freitag der 13." von 2009 lässt grüßen). Das passt alles nicht zum debilen, familientreuen Auftragsarbeiter von einst, der damit leben musste, dass stets Fremde in sein Heim eingedrungen sind.

Weil es durch diverse "Terminator"- und "Halloween"-Fortsetzungen gerade derart angesagt ist, darf die Heldin des Originals als abgefuckte, harte Kämpferin im Seniorenalter zurückkehren, dies jedoch freilich nicht in der klassischen Besetzung mit Marylin Burns. Dass sie nach ihren schlechten Dreherfahrungen in Teil 1 überhaupt jemals für "Texas Chainsaw Massacre - Die Rückkehr" und zuletzt für "Texas Chainsaw" zurück kehren würde, glich bereits einem Wunder, weigerte sie sich beim ersten Sequel "Texas Chainsaw Massacre 2" aus dem Jahr 1986 doch noch konsequent mitzumachen, die Erinnerungen vom damaligen Dreh noch relativ frisch im Gedächtnis habend. Die neue Besetzung muss ihre Sache auch gar nicht erst gut machen. Sie ist eine Art Comicfigur, handelt trotz Jahrzehnte langer Vorbereitung so unsinnig wie es jede andere Figur hier im Film ebenfalls tut, wird aber zumindest augenzwinkernd gegen die Erwartungen der eben genannten Vergleichsheldinnen eingesetzt, denn wirklich hilfreich, geistreich und ikonisch ist ihre Rückkehr nicht ausgefallen - und dies ist den Verantwortlichen des Streifens bewusst. Nicht jedoch die Wirkung der restlichen Figuren, ist doch jeder theoretische Sympathisant ein egoistisches Beispiel einer dies gerade gern vorgeworfenen Generation junger Menschen, und die nicht sympathisch gemeinten Einwohner und Polizisten der Gegend, die nicht zu Leatherface gehören, ernten entgegen dem was das Drehbuch möchte zumindest einen Hauch Charme und Sympathie, eben weil ihre Beweggründe und Argumente Hand und Fuss haben, während von den jungen Menschen, auch von denen die uns als Hauptfiguren angeboten werden, nur intolerantes und vorverurteilendes Geschwätz zu hören ist, und auch ihr restliches Verhalten dem eines Elefanten im Porzellanladen gleicht. 

Glücklicher Weise weiß Leatherface zu wirken, wenn wie erwähnt auch nicht als die Figur, die er 1974 einst war (und aufgrund der kognitiven Einschränkungen auch heute noch wäre). Bereits seine Statur wirkt gefährlich, sein meist tierisches Verhalten ist beängstigend, die Gewalttaten extremst überzogen und kreativ, glücklicher Weise aber wirksam, da tatsächlich angstschürend und oftmals überraschender und damit unterhaltsamer Natur. Die Gefahr, die diese Figur ausstrahlt, und die spannenden Situationen, in welche die beiden Hauptdarstellerinnen durch ihre Dummheit immer wieder hinein stolpern, macht viel von dem wieder wett, was der Film an anderer Stelle falsch macht. Ein krasses Massaker durch eine im Bus gefangene Menschenmasse und andere blutige Momente werden im Gegensatz zu manch anderem arg blutig ausgefallenem Beitrag der Filmreihe zu einem positiven, da tragenden Element. Und wenn das lang gezogene Finale mitten im Regen in einer Geisterstadt spielen darf, ist auch endlich die Atmosphäre des Streifens auf einem Hoch. Dass es aber selbst hier vor Unsinnigkeiten nur so wimmelt, gehört zu den Ärgernissen eines Filmes, der für ein arg blauäugiges Publikum geschaffen wurde. 

Zumindest gibt es nette Zitate in Bild und Ton für Kenner des Originals zu entdecken, für das letzte Zitat, den obligatorischen finalen Kettensägenschwung von Leatherface, wird aber etwas zu viel Augenzudrücken vom Zuschauer abverlangt. Letztendlich wird hier aber, wie so oft in unreflektierten Genrebeiträgen, so wie an anderen Stellen des Streifens ebenfalls, übertrieben viel geblutet und dennoch ziemlich agil durch die Gegend gewandert, so dass dies bei der Schlusssequenz kaum noch ernsthaft verärgern kann. "Texas Chainsaw Massacre", den Kim Henkel mitproduzierte, ist ein Film der Kompromisse. Kann man sich auf ihn einlassen und all die vielen unnötigen Schwachpunkte übersehen, bietet er genügend Schauwerte, um dennoch recht gut unterhalten zu werden. Und kleine, überraschend richtige Überlegungen, wie die Entscheidung Leatherface eine ganz frische Maske tragen zu lassen, gleichen so manchen fehlenden Gedankengang wieder etwas aus.  OFDb

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