30.04.2023

ELEMENTARY - STAFFEL 1 (2012)

Ein in New York zur heutigen Zeit lebender Sherlock Holmes in Begleitung eines weiblichen Dr. Watson, gespielt von der nicht gerade mit Talent gesegneten Lucy Liu? Warum sollte man sich das ansehen? Nun, in meinem Fall lag es nicht nur an der stetigen Neugier, wie alternative Holmes-Stoffe umgesetzt sind, sondern auch daran, dass ich die Serie "The Mentalist" frisch beendet hatte, und "Elementary" sich vom Konzept her ideal als Nachfolger anbot. Und was soll man sagen? Diese Krimiserie eignet sich wunderbar als Anschluss, ist sie vom Niveau und Unterhaltungsgrad her doch auf selber Ebene mit der Vergleichsserie, die sich kreativ abgeändert an der Stärke Holmes bediente, so dass es durch den Erfolg dieses Projektes geradezu konsequent zu nennen ist, eine Serie mit dem echten Sherlock Holmes anzugehen. Echt ist dabei freilich relativ zu betrachten, denn wie eingangs erwähnt gibt es einige Veränderungen, meist sind es Modernisierungen. Aber dass man sich mit der Ur-Materie auskennt, beweist man mit den kleinen Dingen am Rande, wie der Bienenzucht, sowie dem Aufhänger der Drogen, die Holmes begleiten, hier genutzt um Watson auf andere Art, nämlich als Suchtbegleiter nach dem Entzug, an die Seite des genialen Detektivs zu setzen. 

Die darf zunächst lediglich Stichwortgeber sein, von Lu zurückhaltend gespielt, womit sie mit ihrem mangelnden Talent nichts kaputt zu machen weiß, während "Trainspotting"-Sick Boy Jonny Lee Miller in der Rolle des Sherlock geradezu aufzublühen weiß und eine recht eigene und sehenswerte Interpretation des berühmtesten Ermittlers der Welt erschafft. Doch Watsons Spiel im Schatten gehört zu jener langsamen Entwicklung, die sich die in den Einzelepisoden flott erzählte Serie gönnt, wenn es um die Charakterentwicklung der Figuren und die Informationen geht, die man dem Zuschauer zuspielt. Aus Watson wird im Laufe der Zeit ein ehrwürdiger Partner, mit jedem Schritt zur Gleichberechtigung dramatisch, humoristisch, wie menschlich andere Schwerpunkte in der Interaktion mit Holmes aufweisend, und Lucy Liu die Chance bietend sich beweisen zu können. Die wird noch immer keine Schauspielerin erster Klasse, zeigt aber durchaus Talent, sowie Freude an ihrer Rolle, ein Aspekt der bei Miller hingegen von Anfang an zu spüren ist. So sehr Sherlock Holmes in den Händen von US-Amerikanern auch in etlichen Klischees badet, inklusive moralischer Tendenzen, die so gar nicht zu seinem Intellekt passen wollen, auf ein typisches US-Makel zum Thema Holmes wurde ausnahmsweise einmal verzichtet, und das ist die extreme Schusseligkeit des Doktors. Watson ist ein ernstzunehmender Partner, der nicht durch Idiotie dabei hilft Ermittlungen vorwärts zu bringen, sondern durch Kenntnisse der Materie, aus welcher er beruflich stammt, sowie aus wachsender Kombinationsgabe, abgeguckt und inspiriert vom großen Vorbild. 

Dass die Amerikaner nicht die Hände von Moriarty lassen können, wo sie doch stets die Fronten Gut und Böse aufblähen müssen, überrascht nicht, so dass es nicht verwundert, dass er bereits im ersten Jahr thematisiert wird. Hier scheint "Elementary" nun bewusster vom Vorbild "The Mentalist" abzugucken, hat doch auch Holmes jemanden, den er jagt, weil seine große Liebe von einem mächtigen Unbekannten getötet wurde, und das ist freilich Moriarty. Die Unterschiede zu Red John liegen zum einen darin, dass es nicht der Aufhänger der Serie wird und aufgrund der langsamen Charakterentwicklung erst Thema zur zweiten Hälfte der Staffel wird, zum anderen ist die Identität überraschend schnell geklärt, und die Motivation diesen mächtigen und hoch intelligenten Drahtzieher ermorden zu wollen erhält eine interessante Wendung, welche den ursprünglichen Aufhänger der zweiten Hälfte noch innerhalb der ersten Staffel beendet. Dass es auch nach dem ersten Jahr mit Moriarty weiter gehen wird, steht außer Frage, aber das erste Kapitel ist abgeschlossen, James Motivation und Verzweiflung aus der Vergleichsserie sollte ihn hingegen über einige Staffeln begleiten. 

Qualitativ überrascht die auf ein simples Konzept bauende Serie "Elementary" mit einigen pfiffig erzählten Kriminalfällen. Besonders fällt die Pilotfolge diesbezüglich auf, aber selbst nur halbwegs intelligent erzählte Folge halten Überraschungen und Wendungen bereit, mit denen der Zuschauer oftmals nicht rechnet. Faszinierend bleibt die Beobachtungsgabe des Detektivs, die ihn fast zu einer Art Superheld macht, so viel Freude wie es bereitet zu erfahren welche Beobachtung ihn zu welcher Schlussfolgerung brachte. Man ist jedoch durch diese Informationen meist auf dem selben Wissensstand wie Holmes, mindestens wie Watson, so dass die Episoden dennoch herzlich dazu einladen mitzurätseln und somit nicht einzig dazu dienen der Genialität des Detektivs zu folgen. Hin und wieder wird zur Täterüberführung jedoch mit Tricks gearbeitet, in welche das Publikum erst zum Schluss eingeweiht wird, für konzeptionelle Abwechslung ist innerhalb einer simplen und häufig vorzufindenden Serienart somit zumindest halbwegs gesorgt. "Elementary" weiß zu unterhalten, in den einzelnen Episoden ebenso, wie im sich erst langsam entwickelnden roten Faden der gesamten Staffel. Und hier wie dort weiß der Mix aus Humor, Drama und Spannungsbogen zu gefallen, so dass die Serie jene kurzweilige Feierabendunterhaltung auszustrahlen vermag, die ich ihr ursprünglich aufgrund der eingangs erwähnten Veränderungen des Ur-Stoffes nicht zugetraut hätte.  Wiki

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