07.05.2023

TIGERMILCH (2017)

Ohne die künstlerisch wertvolle Nüchternheit des Selbstentdeckens eines "Blue My Mind", "Wild" oder "Kokon" zu besitzen, macht "Tigermilch" zunächst den Eindruck seine Teenagergeschichte einzig für das Zielpublikum der Jugend abzuliefern. Ein eher anbiedernder, anstatt authentischer Soundtrack verstärkt diesen Eindruck immer wieder kurzfristig. Aber der nach dem gleichnamigen Roman entstandene Film schafft es dennoch den erwachsenen Zuschauer für sich zu gewinnen und ihn schließlich auch für die Geschehnisse zu interessieren. Zwar ist das Drama nicht derart mündig ausgefallen, wie die Vergleichsstoffe, aber zumindest ist trotz der Thematik um Abschiebung, kulturelle Unterschiede und Geschlechterbilder keine linksgrüne Erziehungspropaganda aus dem Stoff geworden, sondern ein ernstzunehmender Coming Of Age-Film, der Klischees stets umschifft, mit seinen Figuren zu überraschen weiß und dennoch und deswegen stets genug Authentizität atmet, um das Ergebnis ernst nehmen zu können. 

Gleichzeitig gelingt es Ute Wieland einen emotional mitzureißen, spätestens beim herzzerreißenden Schluss. Gewagte Momente brechen immer wieder die trügerische Bravheit, die "Tigermilch" vorgibt zu atmen, sei es die schockierende, aber mit einer entspannten Leichtigkeit dargebotene Art der gemeinsamen Entjungferung, oder die knallharte Schlussentscheidung, die auch das Metier der gerne Welten retten wollenden Sozialarbeiter gekonnt entlarvt. Man ist emotional unendlich traurig, nachdem man diese Freundschaft mit all ihren Hochs und Tiefs so intensiv miterleben durfte. 

Die Darsteller machen ihre Sache gut, "Tigermilch" verkommt nie zum peinlichen Seifenoperbereich mit untalentierten Amateur-Schauspielern, sondern findet seinen eigenen ernstzunehmenden Platz zwischen derartigen Fremdschämfilmen, leichter Privatfernsehkost und eingangs erwähnten nüchternen Kunstfilmen. Trotz vieler bitterer Momente, teilweise gar spannungsgeladenen, atmet das Jugend-Drama eine lebensbejahende Mentalität. Und dass sich in Sachen Vernunft und Tunnelblick die Fronten zwischen den Hauptfiguren glaubwürdig tauschen, anhand der Entwicklungen der Charaktere, weiß aufgrund des schleichenden Wandels diesbezüglich zu gefallen. In "Tigermilch" gibt es kein Schwarz und Weiß, kein Richtig und Falsch, kein Gut und Böse, auch wenn es aufgrund der Perspektive einer naiven Jugendmentalität kurzfristig oft so scheint.  Wiki

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