Ein Konzern lässt Giftmüll in die Kanalisation verschwinden. Ein
Alligator wird dadurch zu einem überdurchschnittlich großen Vertreter
seiner Gattung und futtert die Stadtbewohner. Ein Polizist geht mit
einem jungen Kollegen und einem Experten auf die Jagd nach dem Vieh...
Ob eine Fortsetzung des überraschend gelungenen „Der Alligator“ notwendig war oder nicht ist sicherlich leicht mit nein zu beantworten. 11 Jahre und etliche Nachahmer später war es dennoch so weit, und ich bin gar nicht böse drum. Zwar ist „Alligator 2“ eher ein weiterer Alligator/Kroko-Horror als eine Fortsetzung (einen Zusammenhang gibt es nur durch die Kanalisation und einem kurzen Verweis, dass in New York ähnliches geschah), aber dem Freund dieses Sub-Subgenres wird’s gefallen.
Natürlich verläuft so ziemlich alles nach Schema F, aber der Kenner dieser Art Film und der aufmerksame Cineast an sich wird so einige, winzig scheinende Unterschiede entdecken. Am auffälligsten ist wohl, dass die Bande, die das Monstrum töten will, recht clever zur Sache geht. Zwar gibt es auch idiotische Momente, so fragt man sich z.B. warum die Jäger auf dem See mit einer Nussschale unterwegs sind, obwohl man wissentlich ein mutiertes Reptil sucht, aber das schnelle Begreifen, die vielen Mordversuche und die Kombinationsgabe sind nicht ohne. Letzteres steht sicherlich in Verbindung damit, dass zwei der Jäger Polizisten sind, aber selbst dies verweist auf eine erzähltechnische Unregelmäßigkeit: Die Zeit in der die Polizei oder das Militär in Monsterfilmen zur typischen Hauptfigur wurden, lag schon 20 Jahre zurück.
Noch interessanter wird es aber auch in einem anderen Bereich seines Entstehungsjahres. Obwohl in den 90ern gedreht, und damit bereits im Bereich der politisch korrekten Erzählweise des durch die Blockbuster aufgezwängten Erzählstils, bekommen wir hier griffige Charaktere vorgesetzt. Auch sie baden tief im Klischee-Meer, das will ich gar nicht überspielen. Aber sie denken und handeln individuell. Sie tun nicht was man erwartet und sie handeln nicht faschistisch seelenlos für die große Sache.
Befehle werden gerne einmal ignoriert, selbst von Vorgesetzten, Töchter wehren sich griffig gegen das fragwürdige Verhalten ihrer Väter, verpatzte romantische Situationen mit der Ehefrau werden nicht wie ein unentschuldbares Verbrechen behandelt, der böse Bürgermeister darf Gewissensbisse haben und wirkt in seiner Zwickmühle menschlich besorgt, Großwildjäger reagieren auf Argumente und kooperieren mit einem sympathischen Polizisten ohne zu mosern oder große Männerkämpfe auszufechten. Der Polizist selbst weiß nicht nur zu kombinieren, sondern auch mit nachvollziehbaren Worten Warnungen auszusprechen, eine Straßengang wird für wichtigeres eingesetzt als für die bloße Propaganda gefährlich zu sein, und die wahren Verbrecher unserer Zeit werden hervorgehoben.
Leider werden gerade im letztem Punkt, der auch immer häufiger in Filmen unserer Zeit beachtet wird, arg viele Fehler gebaut. Der Chef des bösen Konzerns ist viel zu filmschurkisch ausgefallen und hinterlässt damit ein falsches Bild. Mit seinem Tod ist angeblich auch das ganze Projekt beendet, dem er und seine Firma nachgegangen ist, er hat wie ein Mafiosi einen Gehilfen für die schnelle Drecksarbeit, scheut sich nicht davor selbst Morde zu begehen (und das in aller Öffentlichkeit), das ist alles arg blauäugig und findet seinen Höhepunkt in jener Szene, in welcher die Kleinkriminellen-Gang es mit dem eigentlich unerreichbaren Großindustriellen-Kriminellen aufnehmen darf.
Wie man sieht ist trotz lobenswerter Ansätze auch in „Alligator 2 – Die Mutation“ Augen zudrücken angesagt, um seinen Spaß zu haben. Aber ein Auge dafür hätte jeder Cineast, wenn er nur will, dann nutzt es bitte auch. Jon Hess' Film ist nämlich flott erzählt, und das obwohl der Alligator nach der ersten Attacke eine halbe Stunde pausiert. Diese widmet sich den Figuren und den Ermittlungen, letzteres ist ein Bereich den ich persönlich lieber sichte als x unnötige Tierattacken.
Der Alligator selbst wirkt immer dann billig, wenn man ein echtes Tier benutzt. Dies sieht so gar nicht übermäßig groß aus und bedrohlich schon mal gar nicht. Eine brauchbare Alligator-Puppe hatte man scheinbar auch nicht parat, das ist aber gar nicht wild. Denn Hess setzt das Tier meist in dunklen Szenen ein und benutzt dabei oft die „Nah am Maul“-Perspektive, und das hat wiederum Wirkung.
Zwischendurch gibt es auch nette Überraschungen zu sichten. So ist es sicherlich einfallsreich zu nennen, dass in alter Road Runner-Art eine als Falle gesetzte Bombe den Spieß umdreht, wenn das Tier den besagten Sprengstoff frisst und nun als wandelnde Bombe noch bedrohlicher ist als zuvor. Dass so etwas nicht all zu ernst gemeint ist, liegt auf der Hand.
Die augenzwinkernde Atmosphäre wird auch immer wieder mit actionfilmtypischen Sprüchen mit zwiespältiger Wirkung belegt. So mancher dieser Sprüche weiß zu gefallen, manch anderer ist richtig peinlich, sorgt damit aber immerhin für unfreiwillige Komik, die auch zu unterhalten weiß. Höhepunkt der schlechten Sprüche dürfte wohl der des Oberschurken sein, in der Szene, in der er die Tochter des Bürgermeisters anbaggern will: „Du bist ein Mädchen, aber ich könnte Dich zur Frau machen.“ (sinngemäß, kein genaues Zitat).
Zwar kann man „Alligator 2“ nicht als spannend bezeichnen, aber durchaus als kurzweilig. Im Gegensatz zu Teil 1 ist er jedoch keine Empfehlung an jedermann, sondern schlichtweg ein kleiner Tipp für den Freund des Genres Horror. OFDb
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