Gerade einmal zwei Jahre nach „Die Nacht der lebenden Toten“, dem Prototyp des modernen Zombiefilms, kam das Thema einer Krankheits-Epidemie ins Kino, in welcher Angesteckte zu wild gewordenen Killern mutierten. Was erst drei Jahre später mit Romeros „Crazies" kultivierter umgesetzt und Jahrzehnte später zur Ablösung der Zombie-Variante im Genre werden sollte, einfach weil das Ausbrechen einer Seuche mehr dem Zeitgeist, sprich der Angst seiner Zeit, entsprach als auferstandene Tote, war in „Die Tollwütigen“ noch ein kleiner, reißerischer Grindhouse-Streifen, dem man die Verwandtschaft zum Zombiefilm noch nicht wirklich ansieht.
Weder von den gängigen heutigen Regeln beeinflusst, noch vom Mainstream-Kino alter Tage ist „Die Tollwütigen“ somit etwas selbstständiges geworden, was das Kino dementsprechend aber auch weniger geprägt hat als ein „Crazies“. Der Einfluss auf die Zukunft des Genres ist, wenn überhaupt vorhanden, also sehr gering ausgefallen, in die Filmgeschichte Amerikas ging der Streifen dann auch viel eher aufgrund seiner sexualfreien X-Rated-Einstufung ein, sprich er war der erste Film, der diese Altersbegrenzung einzig aufgrund seiner Gewaltdarstellungen erhielt.
Mit heutigen Augen mögen diese zahm wirken, immerhin geschehen Morde meist im Off und wir sehen somit lediglich das Endresultat. Aber es ist schon hart was David E. Durston dem Zuschauer zumutet, und inmitten der ernsten, trockenen und radikalen Gesamtumsetzung des Streifens sitzen die Schocks dementsprechend auch heute noch tief, einfach weil die hemmungslose Atmosphäre dies trotz des miteinherwehenden Pulp-Charmes zulässt. „Die Tollwütigen“ ist somit auch heute noch ein Film der nicht kalt lässt, unübersehbar billig heruntergekurbelt, aber darin seine Herausforderung sehend.
Durston lässt sich für die Vorgeschichte viel Zeit. Aber so kann man prima in der längst vergessenen und dank der reißerischen Inszenierung so auch nie wirklich stattgefundenen Mentalität aufgehen, die ferner der heutigen kaum sein könnte. Sicherlich kann man sich auch hochmütig zurücklehnen und alles zu Sehende nur als lächerlich abtun, womit der Film wie jeder andere auch zum reinen Trash-Streifen werden würde. Aber mit diesem Übermut würde man „I Drink Your Blood“ (Originaltitel) nicht gerecht werden, ist er doch ein intensiver Film, ein Stück verzerrter Zeitgeist und in seiner ruhig erzählten Art schonungslos vorgehend, ohne den Zuschauer in Watte zu packen, so dass er ein reiner Terrorfilm wird, eine Rarität im Jahre 1970, sollte die Welle dieser Art Film doch erst 1974 mit Hoopers legendärem „Blutgericht in Texas“ ins Rollen kommen.
Aber fast alles was dem zugestanden wird, haben wir bereits hier vorliegen: wir haben keine übernatürliche Bedrohung, wir haben die trockene Atmosphäre eines staubigen Wüstenkaffs, und in Sachen Blut ist „Die Satansbande“ (Alternativtitel) wesentlich härter ausgefallen als „Kettensägenmassaker“. Zudem fehlt ihm der humoristische Gehalt des berühmteren Terrorfilm-Vertreters, lässt sich aufgrund fehlender ironischer Distanz aber auch nicht so ernst gucken wie der „lustigere“ Hooper-Film.
Vergleichbar sind beide Werke ohnehin nicht. Der eine ist ein anerkannter Kunstfilm, der hier besprochene ein schnell heruntergerotztes Stück Schmuddelfilm, das nicht wirklich tiefsinnige Aussagen treffen will, sondern den Terror rein des Effekts wegen auf den Zuschauer niederregnen lässt, gnadenlos, mit Blick auf das schnelle Geld. Aber wen stört das schon bei solch sympathischem Ergebnis? „Die Tollwütigen“ lässt einen nicht kalt, weiß immer dann zumindest noch als Party zu wirken, wenn man den Terror mal doch nicht zu ernst nehmen kann, weiß erstaunlicher Weise aber meist unfreiwillige Komik zu entgehen, sofern der Zuschauer den nötigen Respekt zu zollen weiß.
Wie eine Zombie-Alternative wirkt das ganze wie erwähnt hier noch nicht. Dafür treten die Infizierten zu selten in Gruppen auf, und diese sind dann auch viel zu klein geraten. Teilweise agieren die Tollwütigen noch halbwegs rational, was sie befähigt Waffen zu benutzen, wie es das Genre-bedingt so viel ich weiß sonst nur in „Die Rückkehr der Zombies“ und „Großangriff der Zombies“ gegeben hat und auch in beiden nicht wirklich hineingehören wollte.
Noch interessanter ist jedoch der Aspekt, dass sich Infizierte auch untereinander angreifen, eine Idee die im blind aus den Zombievorbildern übernommenen Infiziertenbereich grundsätzlich komplett ignoriert wird. Infizierte nehmen nicht wahr wer infiziert ist und wer nicht, wogegen Zombies Fleisch von Lebenden benötigen. Würde man sich in einer modernen Produktion an „Die Tollwütigen“ orientieren, würden die amoklaufenden Kranken noch viel furchterregender wirken, da sie einfach gegen alles und jeden aggressiv vorgehen.
Dass diese Idee aber auch hier noch nicht ausgereift präsentiert wird, merkt man an den wenigen Szenen, in denen die Infizierten vereint gegen die Menschen vorgehen. Einander attackieren sie nur, wenn sie einzeln unterwegs sind. Daran sieht man auch, dass man einfach drehte was einem einfiel und was zu provozieren wusste. Ideen durchdacht wurden nicht. Das zeigt sich leider auch in den winzigen roten Fäden kleiner Charakterentwicklungen.
Aber „Blood Suckers“ (Alternativtitel) ist weder Sozialstudie noch anderweitig intelligentes Kino, und deshalb besitzt gerade der unberechenbare, sich an nichts haltende Stil seine Stärke. Mal überrascht dies positiv, negativ nur seltenst, da man freilich mit einer gewissen Grundhaltung an einen Schmuddelfilm herangeht, sprich gewisse Bereiche wie Logik und Realitätsnähe gar nicht erst erwartet. Letzteres ist zwar erstaunlicher Weise trotzdem gerne mal Überraschungsgast diverser Szenen, im Gesamten hat sie aber auch allein schon aufgrund der grotesken Charakterisierung der Satansbande keine Chance.
Wer mit „Die Tollwütigen“ weiß welche Art Film er vor sich hat und es weiß wie man mit einem Schmuddelfilm richtig umzugehen hat, der wird erstaunt sein wie effektiv ein Terrorfilm wie dieser auch jenseits psychologischer Glaubwürdigkeit und trotz veralteter Spezialeffekte sein kann. Gerade die zweite Filmhälfte gewinnt einiges an Tempo und wird damit auch für das verwöhnte Publikum von heute ein ereignisreicher Streifen, von dessen Skandalen ein paar vereinzelte auch heute noch zu schockieren wissen. Wer die trockene, für seine Zeit typische, Atmosphäre dieser Art Streifen mag, wird aber auch über die erste Hälfte nichts ernsthaft zu meckern wissen. Dafür wird das Szenario viel zu interessant aufbereitet, jenseits heutiger Drehbuchpflichten. OFDb
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