Trotz seiner groben Albernheiten, die man besonders in den Frühwerken des Komikers vorfindet, gehört Steve Martin zu den feingeistigen und intellektuell geprägten Humoristen seines Landes, was er mit seinem persönlichen Meisterstück „L.A. Story“, das freilich aus seiner Feder stammt, auch allen bewiesen hat. Diese Ader, mittlerweile auch in Buchform und Theaterstücken bewiesen, war vor hier besprochenem Film noch eine Realität, die nur der gute Beobachter wahrgenommen hatte. Am deutlichsten war sie jedoch in „Roxanne“ erkennbar, in welchem nicht nur ein klassischer Stoff neu bearbeitet wurde, sondern auch Martins Talent zur Poesie und dem distanziert humorvollen Umgang mit dieser deutlich wird.
Ohnehin kann man „Roxanne“ als Fingerübung des reiferen „L.A. Story“ verstehen, die sich zudem ein Sub-Genre teilen, das der romantischen Komödie. Reif heißt bei Steve Martin glücklicher Weise nicht, dass Albernheiten ausgeschlossen werden. Martin besitzt einen erwachsenen Intellekt und weiß dass das eine das andere nicht ausschließt und beherrscht das Talent es somit gekonnt miteinander verknüpfen zu können. Lediglich sein Drang der Sexualprovokationen, ein typisches Markenzeichen des Mannes, das ihm schon immer viel Kritik beschert hat, wirkt diesmal häufig Fehl am Platz und fügt sich nicht mehr so perfekt ein wie in „Der Mann mit zwei Gehirnen“. Es wirkt nicht einmal so sympathisch skurril platziert wie seinerzeit in „Roxanne“.
In solchen Momenten wird die Geschichte, die kaum eine ist, etwas holprig. Aber das ist die Ausnahme. Steve Martin weiß genau was er will, und Mick Jackson schien seine Vision genauestens zu teilen, denn der schafft es die Gefühle richtig zu übertragen, eines der wichtigsten Elemente dieses Streifens, denn „L.A. Story“ ist Martins gefühlvollstes Werk. Es ist den Darstellern, der Inszenierung und dem Drehbuch zu verdanken, dass man die Protagonisten so gut kennenlernt und mit ihnen mitfühlt, dass die eher kitschige Musikuntermalung von Enya nicht nur abgedämpft wird, sondern zu einem der wunderschönsten Merkmale von „L.A. Story“ wird. Wenn im Finale das Wetter mystisch tobt, fern jeder realen Erklärungsmöglichkeit, dann ist es der Musik von Enya zu verdanken, dass die Szene so perfekt zu wirken weiß.
„L.A. Story“ wird aber ohnehin von toller Musik begleitet. So erklingt zu Beginn des Streifens der Song „La mer“, und das nicht in irgendeiner lieblosen Coverversion, sondern im unwiderstehlichen Original von Charles Trenet. Der Abspann kommt fröhlicher daher mit einem selten so sympathisch wie hier wirkenden „Doo Wah Diddy“, und mittendrin gibt es auch so allerhand musikalisches zu entdecken - und seien es nur die dumpfen Tuba-Töne von Telemachers neuer Bekanntschaft, einer Engländerin, mit deren Hilfe Steve Martin seine skurrile Liebe zu einer Stadt der Verzweiflung, Dekadenz und Hoffnung zugleich dem Publikum nahe bringt.
Diese Stadt verweigert sich geradezu der intelektuellen Tiefe, isoliert Menschen, macht sie unglücklich. Und darin liegt die Herausforderung. Harris T. Telemacher wird immer wieder zu seinem Erfinder Steve Martin, zumindest kommt mir das so vor. Und der trickst die Stadt aus, indem er aus ihr etwas Wunderbares macht, in Unmöglichkeiten Möglichkeiten sieht, und die Frage nach Kunst und Schrott auf den Kopf stellt. Man merkt dass Steve Martin die Stadt dafür liebt und nicht hasst. „L.A. Story“ ist eine ehrlich gemeinte Liebeserklärung, und sicher auch ein gewolltes Sinnbild dafür, dass Dinge nur etwas wert sind, wenn man sie sich erarbeitet. Als Intelektueller in L.A. bleibt einem nichts anderes übrig um nicht geistig unterzugehen.
Martin liebt die Stadt L.A., obwohl sie den Menschen zu schaden scheint, so sehr wie Martin auf den höchst skurrilen und dekadenten Macken seiner Bewohner herumreitet. Aber jeder der einmal verliebt war weiß nicht nur dass Negatives im rosaroten Blick zu verschwinden scheint, in einer langfristigen Beziehung werden die Macken gerade zu dem was den Menschen so interessant und individuell macht, dem man sein Herz schenkt. „L.A. Story“ macht dies deutlich, sowohl anhand der Stadt, als auch anhand der Menschen die in ihr leben. Dass Steve Martin hierbei das klassische Stilmittel der Übertreibung wählt dürfte klar sein, aber das passt schon und wird zu einem passenden Kontrast mit dem Minimum an rotem Faden.
„L.A. Story“ weiß auch in seiner Besetzung zu gefallen. Neben dem Autor spielt auch seine damalige Ehefrau ein letztes Mal mit, Victoria Tennant, die der gute Mann seinerzeit beim Dreh zu „Solo für Zwei“ kennen und lieben gelernt hat. Kurz nach „L.A. Story“ kam es leider zur Trennung. Eine damals noch unbekannte Sarah Jessica Parker spielt eine nicht unbedeutende, flippige Rolle. Und in einem Gastauftritt kommt uns kurz Martins Kumpel Rick Moranis unter die Augen, mit dem er zusammen „Der kleine Horrorladen“ drehte, und dem nach „L.A. Story“ noch das weniger erfolgreiche Gemeinschaftsprojekt „My Blue Heaven“ folgen sollte. Auch Chevy Chase und manch andere Prominenz huscht mal schnell durchs Bild, jedoch nicht in solch nennenswerten Gastrollen wie der des schwarzhumorigen Totengräbers.
„L.A. Story“ dürfte Steve Martins persönlichstes filmisches Werk sein. Dieses Niveau hat er nie wieder erreicht, den Unterhaltungswert glücklicher Weise aber sehr wohl noch das ein oder andere Mal. Trotz der sehr persönlichen Handschrift schafft es „L.A. Story“ zwar nicht so perfekt zu unterhalten wie „Der Mann mit zwei Gehirnen“ und „Ein Ticket für zwei“, aber er ist trotzdem ein Liebhaberstück, eine Komödie voller fröhlicher Albernheiten in poetischem Gewand, welch sympathisch schräger Mix. Zudem ist die emotionale Wirkung des Stoffes nicht zu unterschätzen. Man liebt förmlich mit. Erst teilt man Martins Liebe zu einem skurrilen Lebensstil in einer morbid-sympathischen Stadt, später teilt man die Gefühlswelt Harris T. Telemachers zu einer ganz besonderen Frau. Wenn das mal kein Liebesfilm mit Überzeugungskraft ist, weiß ich es auch nicht. OFDb
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