07.05.2020

MRS. MILLS VON NEBENAN (2018)

Meistens endet es peinlich, wenn Männer im cineastischen Bereich in Frauenkleider schlüpfen und vorgeben das andere Geschlecht zu sein. Ob zotige Versuche, wie Peter Alexander in "Charlies Tante", die noch extremeren "tollen Tanten"-Filme mit Ilja Richter und Rudi Carrell, oder seriöse Versuche, wie "Mrs. Doubtfire", im Zentrum einer Geschichte wird das Zurschaustellen der Geschlechtervermischung meist eine unangenehme Erfahrung, welche Würde vermissen lässt. Pierre Richard, dessen feinfühlige Ader in frühen Zeiten oft durch seinen intensiven Fokus auf Klamauk übersehen wurde, lässt diese in späten Werken wie "Monsieur Pierre geht online" umso intensiver wirken, womit er ein Kandidat ist, dem man im Vorfeld zutraut eine derartige Rolle souverän zu meistern. Legt er schrill los, ist man sich zunächst nicht sicher, ob man sich diesbezüglich vielleicht doch geirrt haben mag, aber er erfüllt die Erwartungen letztendlich doch, wenn auch auf wesentlich andere, geradezu alberne, Art. Auch wenn Richard noch so überdreht in der Rolle als angebliche Frau agiert, so lässt er doch trotzdem jene Würde aufblitzen, die man sonst so oft in Vergleichsstoffen vermisst. Hilfreich zur Seite steht ihm hierfür freilich ein diesbezüglich sensibles Drehbuch aus der Feder Sophie Marceaus.

"Mrs. Mills von nebenan" ist die vierte Regie-Arbeit, der dritte Langfilm der Schauspielerin. Mag ihr Drehbuch auch nicht immer sauber ausgearbeitet scheinen und die zu erzählenden Geschehnisse manchmal abrupte Wendungen erfahren und einen unvorbereitet in Situationen hinein schubsen, genau darin liegt für den Zuschauer einer der Reize des Films, wird es doch zu einer bewusst herbeigeführten Herausforderung für diesen, anstatt zu einer versehentlichen Schwäche. Somit startet die Komödie gewöhnungsbedürftig, macht schnell klar dass Mainstream-Erwartungen, trotz der inhaltlichen Nähe zum Massen-Kino, nicht erfüllt werden und entführt uns auf einen wilden Trip, bei dem aufgrund mangelnder Feinheiten ein wenig der tiefere Sinn hinter den Dingen zu kurz kommt, zu Unterhaltungszwecken weiß das aber alles gut zu funktionieren. Dafür sorgen allein schon die gut aufgelegten Darsteller in Haupt- und Nebenrollen und das professionelle Spiel, sowie der Charme der beiden Prominenten des Streifens.

Da "Mme Mills, une voisine se parfaite" (Alternativtitel) gegen alle Erwartungen zudem den Travestie-Aspekt weit weniger benötigt als die Geschichte zunächst vermuten lässt, kann dieser in seiner gezielt angewandten Form umso förderlicher für das Gesamtergebnis sein. Man gibt Richard mit dem Loslösen des Aufhängers mehr Möglichkeiten zur Vielfältigkeit, was sich auch in seiner abwechslungsreichen Maskerade spiegelt, die in einer Variante zufällig eine erschreckende optische Zusammenkunft von Pierre Richard und Loriot in einer Person bildet. Kurzum: Was "Madame Mills, une viosine si parfaite" (Originaltitel) an sensibler, subtiler Hervorhebung seiner Tiefe fehlen mag, macht er an Vielfältigkeit im Spiel und am Wendungsreichtum der Geschichte wieder wett, dabei humoristisch selten den großen Lacher bereit haltend, dafür aber stille Schmunzler in charmanter Atmosphäre, trotz gelegentlicher schriller Komik.  OFDb

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