Michael Myers wächst in einer asozialen Familie auf. Mit 10 Jahren
dreht er durch und bringt den Stiefvater, die Stiefschwester und ihren
Freund um. Er kommt in die Psychiatrie, die Mutter begeht Selbstmord,
die jüngere Schwester wird adoptiert. Fünfzehn Jahre später gelingt
Michael die Flucht aus der Anstalt. Nichts menschliches mehr in sich
tragend lauert er seiner Schwester und ihren Freunden auf. Laurie, so
ihr Name, ist ahnungslos, da sie damals noch ein Baby war und von ihrer
Adoption nichts weiß...
Halloween Reloaded...
John Carpenters "Halloween" war schon immer mein Lieblingshorror, und da hört man das Wort Neuverfilmung natürlich nicht so gerne. Da ich mich mit den Fortsetzungen nicht so schwer tue wie manch anderer und alle Myers-Teile recht unterhaltsam fand, wundert diese Haltung vielleicht etwas, aber meine Alarmglocken bimmelten beim Namen Rob Zombies, konnte ich doch mit seinem "Haus der 1000 Leichen" wirklich gar nichts anfangen. Dass mich die Neugierde als alter „Halloween“-Fan dann doch nicht losgelassen hat, ist klar, und so verstrich dann auch gar nicht viel Zeit bis zur Sichtung. Und ja, beim direkten Vergleich fallen zwei Dinge besonders auf: Die Neuverfilmung ist wesentlich schwächer als das Original (was wohl kaum überrascht), und sie ist ein guter Film geworden (was dann doch überrascht).
Die erste Hälfte ist die bessere von beiden. Im Prinzip gibt es dort nur einen negativen Faktor, und das ist Michaels Vater. Dass Michaels Vergangenheit mit einer asozialen Familie erklärt wurde, und diese dann auch wirklich primitiv sein musste, ist schön und gut, aber der Vater ist für einen „Halloween“-Film einfach zu comichaft charakterisiert und unterbietet sogar das Niveau des bösen Vaters aus Teil 6. Ansonsten gibt es von meiner Seite aus dort nichts zu beklagen.
Der Junge, der den jungen Michael spielt, ist gut gecastet worden. Man kann sich gut vorstellen dass aus ihm mal der besagte Killer wird. Die Morde geschehen so gnadenlos, dass man sich unweigerlich fragt wie man diese Vorgänge einem kleinen Jungen beim Filmdreh erklärt. In Amerika ist das sicherlich noch einmal einfacher, so wie man dort mit Horrorfilmen groß wird, ein flaues Gefühl bleibt mir bei so etwas aber dennoch stets im Magen. Diesem geht es übrigens gut, obwohl das Remake wohl das blutigste Ergebnis sein dürfte, das die Reihe bisher hervorgebracht hat. Aber das ist typisch für die Horrorwerke dieser Zeit, im direkten Vergleich dennoch harmloser (man beachte nur einmal "The Hills Have Eyes" und den sehr mittelmäßigen „Texas Chainsawmassacre 2 – The Beginning“ mit ihren Bluttaten).
Dass Michaels erstes menschliches Opfer ausgerechnet am selben Tag sein Leben verliert, an dem Myers Mutter vom Schulpsychologen wachgerüttelt wird ist vielleicht etwas zu zufällig, aber wollen wir uns mal nicht an jeder Kleinigkeit aufhängen. Ein Remake ist stets dafür da Geld zu scheffeln, von Kunst reden wir hier also sowieso nicht.
Bedingt könnte man dies allerdings schon. So gibt es einiges an guten psychologischen Ideen, trotz mancher Brachialpunkte wie die übertriebene White Trash-Familie. Die lachende Clownsmaske ist eine dieser guten Ideen. Immer wenn sie dem Jungen heruntergerissen wird taucht dahinter die sehr ernste Mine einer traurigen, vertrockneten Kinderseele auf. Es ist sicherlich kein Zufall oder ein reines visuelles Spiel dass Michael diese Maske in einer bestimmten Szene auf dem Kopf hochgerückt positioniert sitzen hat. Die Mutter kommt nach Hause, Michael sitzt auf der Treppe und die Kamera fährt so nach oben, dass uns dort der Clown anlächelt.
Was von einigen Zuschauern nicht kapiert oder ignoriert wurde, wenn man Reviews zu diesem Film liest: aus Michael wird später der Killer wie wir ihn aus der Originalreihe kennen. Er wird ein seelenloses Objekt und kein menschlicher Massenmörder, wie oft zu lesen ist. Dies wird Schritt für Schritt in der Therapie gezeigt. Der Junge erinnert sich nicht mehr an die Morde, hin und wieder bricht die unheimliche Killermacht in ihm heraus, die so stark ist, dass er sogar seine Mutter attackiert. Und ab da wo er begreift dass er nie mehr aus der Anstalt heraus kommt, tritt die Seele Michaels zurück und lässt das Böse in ihm wüten. Wozu sollte ein kleiner Junge auch noch bleiben, wenn selbst seine eigene Mutter ihn nicht mehr besuchen kommt?
Michael verweigert das Sprechen und ist irgendwann, isoliert in der Psychiatrie, gar nicht mehr da. Das ominöse, in keinem „Halloween“-Teil je erklärte, Böse hat den Jungen nun komplett eingenommen. Und wenn man diesen Vorgang begriffen hat, ist die eben beschriebene Szene auf der Treppe um so wirkungsvoller. Die Clownsmaske hat in diesem Moment etwas von der Gesichtsbekleidung aus dem Jim Carrey-Film „Die Maske“. Dort war sie von einem Narrengott besessen.
Würde man diesen nun etwas bösartiger deuten, käme man der Wirkung dieser, uns aus der Vogelperspektive anlächelnden, Clownsmaske in "Halloween" nahe. Michael wirkt niedergeschlagen, kann seine eigene Tat wahrscheinlich selbst schon nicht mehr nachvollziehen. Das Nichttragen der Maske ist ein deutliches Zeichen, dass wir hier wieder Michael den Jungen und nicht Michael den Dämon sitzen haben. Aber die Maske lächelt uns von oben an. Das Böse sagt dem Zuschauer, dass es jetzt erst losgeht. Auch in den späteren Psychiatrieszenen setzt mit der Häufigkeit des nach außen tretenden Bösen auch die Häufigkeit des Maskentragen ein.
Allein dass er sich später auch als Junge im Normalzustand hinter einer Maske versteckt zeigt deutlich, dass das Böse in ihm sich im zweiten Schritt irgendwann sogar mit seiner kindlichen Seele vermischt. Zum Ende der ersten Hälfte ist der Junge fast komplett verschwunden, der dritte Schritt ist erreicht, das Monster lebt. Ebenso wie die böse Seite seiner Seele einst nur einen kleinen Platz einnahm, so ist nun das Gute in ihm kaum mehr vorhanden. Aber es ist, wie eine spätere Szene zeigen wird. Das mag nicht konsequent genug klingen, aber nur so macht die Suche nach seiner Schwester viele Jahre später Sinn, die ja immerhin zum Haupteckpfeiler der zweiten Filmhälfte wird.
In dieser erleben wir wie Myers aus der Psychiatrie flieht (ohne eine in der Kinofassung zum Glück nicht eingebrachten, peinlich provokativen Vergewaltigungsszene, die völlig unpassend im Director’s Cut auftaucht) und nun seine Schwester sucht. Im Grunde passiert nun das selbe wie im Original, mit der Ausnahme dass Laurie Michaels Schwester ist. In der Originalreihe war sie nur eine Babysitterin, die erst mit Teil 2 zu Michaels Schwester wurde, um der ganzen Geschichte eine neue Mystik zu geben. Das hat Zombie dann auch zum Glück kapiert, leben doch all die Fortsetzungen von Michaels undurchsichtigen Antrieb seine Familie zu lynchen. Mit dem Element der Schwester hätten wir dann aber auch das einzige was Zombie aus den Fortsetzungen übernimmt. Der Rest orientiert sich am Original.
In der Neuverfilmung mag der Drang seine noch lebenden Verwandten zu suchen nun nicht so mystisch wirken wie in der sonstigen „Halloween“-Reihe, sieht Michael in seiner Schwester doch hier das einzig gute, das ihm je wiederfahren ist. Aber Zombie denkt zwei Schritte im Voraus. Vom letzten Hauch Gutem in Michael gelenkt, arbeitet er sich zu Laurie vor (eliminiert nebenbei alle menschlichen Störelemente, welche die Zweisamkeit mit seinem Schwesterchen später stören könnten) und wird nun ein letztes Mal bitter enttäuscht.
Unwissend reagiert Laurie wie es ein solches Opfer (zumindest in Filmen) tut. Mit der daraus resultierenden Enttäuschung stirbt in Michael nun komplett der Junge ab, zurück bleibt nur noch das unmenschliche Schattenwesen, der vierte und letzte Schritt in Michaels Metamorphose ist beendet. Der Junge wird nie mehr zurückkehren. Und nun haben wir die nötige Mystik für Fortsetzungen. So oft wie hier auf Michael geschossen wird, können wir auch im Remake nicht von einem Menschen sprechen. Die Geheimnisse um das Böse in Michael waren immer nötig, um der Reihe den nötigen Pfiff zu geben. Das Remake erklärt nur wie die Seele aus Michael verschwand, nicht aber durch was sie ersetzt wurde. Und nur wenn man dies erkannt hat, sieht man auch, dass Zombie gerade auch dieses Gesetz der Reihe als bekennender Fan respektiert, und nicht (wie oft zu lesen ist) ignoriert, um aus Michael einen menschlichen Killer zu machen.
So mystisch die Figur des Myers ist, so schwachsinnig ist die von Zombie gewählte Erscheinung dessen im Erwachsenenalter. Michael machte mir in der Jugend nicht den Eindruck eines nach Krafttraining lechzenden Jungen. Das Böse in ihm zeigt sich durch Schweigen und Geduld. Wie zum Teufel konnte aus dem schmächtigen Bübchen, angetrieben vom Bösen, so ein Klotz von Mann a la Jason werden? Das ist fehl am Platz und widerspricht seiner im Gefängnis gelebten Art. Der schmächtige Michael aus den anderen Filmen hatte mehr Wirkung und war auch logischer.
Doch so fehlbesetzt der erwachsene Myers auch ist, eine andere Rolle überrascht dafür um so mehr: Malcom McDowell spielt den Dr. Loomis hervorragend. Das mag andere „Halloween“-Fans sicherlich schocken, aber ich empfinde ihn als den besseren Loomis-Darsteller, und das obwohl ich Donald Pleasance in den Originalfilmen ebenfalls sehr gut gecastet fand. Aber rein optisch wirkt der neue Doktor mehr. Leider wird in der Neuverfilmung nicht ganz so deutlich wie sehr Loomis Michael mystifiziert. Das klingt nur kurz an, wirkt aber weniger überzeugend und weniger fanatisch. Hätte man hieran mehr gearbeitet, wäre vielleicht manch anderem ein Licht aufgegangen, was das Übernatürliche in Michael betrifft, das von vielen übersehen wurde.
Der restliche Cast ist o.k. zu nennen. Keiner fällt weder sonderlich positiv noch negativ auf. Udo Kiers Rolle hätte man sich komplett schenken können (wozu immer das krampfhafte Einbringen von Stars?) und die Rolle der Laurie Strode wurde interessant modernisiert. Sie ist nun nicht mehr das extreme Mauerblümchen, aber sie ist auch nicht zum Dummchen mutiert. Clever und taff ist eine seltene Kombination im klischeebeladenen Amerika-Popkorn-Kino, schön dass die Rolle der Laurie hier anders tickt.
Dass man mit Laurie nicht so mitfiebert wie mit jener aus der ersten Verfilmung liegt nicht an der Besetzung. Die Schuld hierfür trifft Zombie. Der gibt uns Michael in der ersten Hälfte als Identifikationsfigur, erzählt in der zweiten Hälfte den Film jedoch sehr nah am Original und vergisst dabei aber, dass Laurie nun nur schwer beim Zuschauer als Identifikation dienen kann. Sie ist einem fremd, ihr Verfolger ist uns hingegen vertraut. Dieser wird allerdings nun eingebracht wie im Original: als Schattenwesen, immer nur mal kurz auftauchend um im Finale wieder länger präsent zu sein.
Durch diese Erzählweise identifiziert man sich mit Michael in der zweiten Hälfte kaum noch, bzw. gar nicht mehr. Das ist schade. Gerade den Ansatz die Geschehnisse des Originals nun aus Michaels Sicht zu erleben, hätte ich für sehr reizvoll gehalten. Was bleibt ist eine zweite Hälfte ohne Identifikationsfigur. Das funktioniert, aber sicherlich nicht bei jedem Zuschauer. Die einzige wichtige Rolle, die uns in beiden Filmhälften vom gleichen Schauspieler gespielt begegnet, ist die des Dr. Loomis. Loomis kommt allerdings zu selten vor, als dass nun er als Identifikationsfigur fungieren könnte. Aber ich denke mal das hätte eh kaum wer gewollt.
Dass Zombie in der zweiten Hälfte Carpenters Original sehr häufig in Wort und Bild zitiert wird oft kritisiert, eben wegen der sehr originellen ersten Hälfte. Ich finde es allerdings o.k. Würde Zombie dies nicht machen, würde man von einer Neuverfilmung nur noch etwas in der Namensgebung merken. Letzten Endes war, ähnlich der "Freitag der 13."-Reihe, jede Fortsetzung ein Fastremake. Die Geschichten dort waren Magerkost. Aus der Schwester wurde die Nichte (deren Darstellerin hier eine Nebenrolle mit Oben-ohne-Auftritt hat) und später wurde aus der Verfolgten deren Tochter. Ansonsten war alles beim alten.
Würde Zombie nun nicht des öfteren kopieren, könnte man fast sagen man hätte es mit einem Teil 9 zu tun, der uns nur zusätzlich in der ersten Hälfte in Myers Vergangenheit schnuppern lässt. So wird das Remake-Anliegen nun Fakt, und man darf beobachten was Zombie verstanden und nicht verstanden hat.
Was mir fehlte war das klassische "der todgeglaubte Myers steht kerzengerade auf". An anderer Stelle zeigt Zombie, dass er die Worte Loomis' begriffen hat. Myers kennt keinen Unterschied zwischen Gut und Böse. Und so guckt er das von ihm an die Wand mit einem Messer fest getackerte Opfer, genau wie im Original, mit einem schräg positionierten Gesicht, sachlich an, ohne darin etwas (ehemals) Lebendiges zu sehen. Kopieren heißt nicht kapieren, aber Zombie zeigt ähnliches zuvor in der Kindheit, in welcher der junge Mörder nach einer seiner Bluttaten durch die Blutpfütze schlendert, ohne diese als solche wahrzunehmen. Das sind, ähnlich der Clownsmaskenszene, Bereiche, in denen die Psychologie stimmt.
Zum Schluss bleibt mir noch zu sagen, dass die Maske hier herrlich dreckig wirkt (zum Glück wurde diese nicht gegen eine andere Maske eingetauscht). Michael hat durch sie eine besonders düstere Wirkung. Mit einem schmaleren Darsteller hätte man diese ohnehin schon intensive Wirkung noch verstärken können. Im groben wurde aber zumindest das meiste richtig gemacht. Die Psychologie des Killers Myers wurde beibehalten (Heiligtum Haus, nur zweckdienlich morden, ...), es wurden neue interessante Dinge eingebracht, altes gewürdigt, und man durfte einen spannenden Film sehen. OFDb
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