Zwei Jahre bevor die Amerikaner mit „Bis das Blut gefriert“ den wohl gruseligsten Spuk-Horror seiner Zeit abliefern sollten, in welchem es ebenso wie hier um die Frage nach echtem Spuk oder der möglichen Wahnvorstellung der Heldin geht, lieferten die Engländer mit „Schloss des Schreckens“ einen Genrebeitrag ab, der sich auch heute noch sehen lassen kann. Da das Thema in der viktorianischen Zeit spielt, schaut sich der in schwarzweiß gehaltene Film vom Ablauf her geradezu zeitlos unterhaltsam, auch wenn die Art der Spannungserzeugung das Herstellungsjahr verrät.
Neben dem Jahr, in welchem die Geschichte spielt, ist aber auch die Handlung wichtig für diesen immergrünen Unterhaltungs-Effekt, ist doch auch das Thema nicht sonderlich angestaubt, in welchem sich immer wieder die Frage gestellt wird, ob wir es hier mit dem Wahn einer Pfarrerstochter zu tun haben, oder mit von Geistern besessenen Kindern, die befreit werden müssen. War der eventuelle Wahn nur Teilaspekt in „Bis das Blut gefriert“ und ein gewisser Spukanteil tatsächlich vorhanden, so ließe sich die Handlung von „The Innocents“ (Originaltitel) auch als reines Hirngespinst der Gouvernante deuten. Eine Auflösung diesbezüglich gibt es nicht.
Das ist auch das schöne an dem Film, denn er funktioniert auf beiden Ebenen. Nie lässt er eine von beiden Möglichkeiten durch etwas Gesagtes oder Gezeigtes derart wackeln, dass es nicht mehr möglich wäre. Umgekehrt zeigt er nie zu viel was einer Seite vollends recht geben könnte. In diesem Punkt ist das Drehbuch wirklich hervorragend zu nennen, und Regisseur Jack Clayton, der in seiner Karriere lediglich acht Langfilme fertig stellen sollte, weiß es die Zügel richtig anzuziehen, um seine Geschichte spannend zu erzählen und den Zuschauer selbst ins Ungewisse hinabgleiten zu lassen, so dass dieser irgendwann fast auf einer Wahrnehmungsebene mit der von Miss Giddens ist.
So gruselig wie ein „Bis das Blut gefriert“ wird diese erste von vier Verfilmungen der Erzählung „The Turn Of The Screw“ nie, inszenatorisch braucht sie sich vor ihm jedoch nicht zu verstecken, auch wenn die Kamera nie so künstlerisch wertvoll arbeitet wie dort und die Inneneinrichtung nie so skurril und detailverliebt vorgenommen wurde wie im Vergleichsfilm. Solche Vergleiche sind ohnehin unfair, ist der US-Film aus dem Jahre 1963 doch schließlich ein Kunstfilm, „Schloss des Schreckens“ jedoch auch professionell und anspruchsvoll in Szene gesetzt. Hier wie dort versteht man die Psychologie der Figuren und der Geschichte.
Wolf Rillas britischer Erfolgsfilm des Science Fiction-Kinos, „Das Dorf der Verdammten“, war gerade ein Jahr her, als Clayton mit einem weiteren Film um böse Kinder aufwartete. Auch wenn es hier nur um möglicherweise böse Kinder geht, so weiß der Regisseur diese doch mit den begrenzten Mitteln seiner Zeit wirken zu lassen, einer Zeit in der man im Gegensatz zu heute noch seine Probleme gehabt hätte sie metzelnd ins Bild zu setzen. Nicht dass dies mit der Geschichte vom „Schloss des Schreckens“ überhaupt möglich/nötig gewesen wäre, aber die Psyche eines Kindes zu dieser Zeit war während eines Drehs noch heilig. Die Wirtschaft dominierte noch nicht über allen anderen Aspekten des Lebens. Und so war es nicht einfach mit simplen Mitteln eine Fragwürdigkeit des kindlichen Verhaltens darzustellen.
All zu weit ausschweifend hätte man da ohnehin nicht arbeiten dürfen, gäbe es doch sonst den zwiegespaltenen Effekt nicht, von welchem der fertige Film lebt. Das Verhalten der Kinder kann man als normal oder als wunderlich ansehen. Das hängt ganz vom Blickwinkel ab. Kinder in ihrer natürlichen Art wunderlich wirken zu lassen wurde gar einer der großen Pluspunkte des spanischen Horrorfilmes „Ein Kind zu töten“, in welchem klar ist, dass die Zöglinge das Übel sind. Da wirkt kindliches Alltagsverhalten um so verstörender.
Hier in „Schloss des Schreckens“ sorgt ihr Verhalten immer wieder dafür, dass man als Zuschauer sein Denken hinterfragt. Und das unterscheidet uns von Miss Giddens, die von ihrem Glauben überzeugt ist, so sehr sogar, dass sie offen darüber spricht und jede mögliche Konsequenz auf sich nimmt. Genau dieser Unterschied zum Zuschauer lässt die Möglichkeit eines ungesunden Geisteszustandes so reizvoll und naheliegend erscheinen. So reizvoll wie die mystische andere Möglichkeit, die gestern wie heute Menschen ins Kino lockt in immer neuen Spukvarianten.
„The Innocents“ ist ein nostalgischer Film, allein schon durch sein stimmiges Schwarzweiß. Aber wie eingangs erwähnt findet die zeitlose Geschichte noch heute den Zugang zum Zuschauer, und der war bei mir am besagten Tag besonders günstig gelegt, erwachte ich doch dank meines Urlaubs gut ausgeruht um drei Uhr nachts und dachte mir, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für einen Gruselfilm dieser Art ist. Ich sollte recht behalten und kann den Film ruhigen Gewissens nach aufregenden und interessanten 90 Minuten weiter empfehlen. Im übrigen drehte man 10 Jahre später eine Vorgeschichte mit dem Titel „Das Loch in der Tür“. Auch hier soll die Frage nach Wahn oder Spuk erhalten bleiben. So viel weiß ich schon. Wenn ich auf ihn mal stoßen sollte, werde ich näheres berichten. OFDb
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