„Profondo Rosso“, ein Werk aus dem fünften Berufsjahr des Regisseurs Dario Argento, gehört unter Kennerkreisen zu den größten seiner Filme. Obwohl er mich mit Beiträgen wie „Suspiria“ und „Phenomena“ zu beeindrucken wusste, habe ich mich lange Zeit nicht an seinen frühen Giallo herangewagt, einfach weil ich in jungen, intoleranten Jahren mal einen Blick riskierte habe und den Film nicht mochte. Das war in einer Zeit um deren Filmgeschmack ich heute nichts mehr gebe, war der doch noch auf reißerische Ziele aus und nicht geübt im Erkennen wahrer qualitativer Elemente. Aber bei einem Film den man einst nicht mochte ist ein zweiter Versuch immer etwas schwieriger anzugehen als ein allererstes Sichten. Nun habe ich es endlich gewagt, und wie zu erwarten habe ich es keineswegs bereut.
Zwar ist „Rosso - Die Farbe des Todes“ (Alternativtitel) meiner Meinung nach kein so geniales Werk wie „Suspiria“ geworden, zu den Größen des Meisters zählt er aber sehr wohl zu recht, guckt er sich doch sehr intensiv, da man schnell in der dichten, düsteren Atmosphäre aufgeht, eine Atmophäre die so düster ist, das selbst die seltenen absichtlich humoristischen Momente kaum durchkommen. Einen großen Prozentanteil dieser Wirkung verdankt „Profondo Rosso“ seinem packenden Soundtrack, der selbst Nichtigkeiten interessant zu untermalen weiß, und (zumindest scheinbare) Nichtigkeiten gibt es hier genug.
Argentos Werk ist ein sehr redseliges Werk, das man voreilig als zu geschwätzig empfinden könnte. Meiner Meinung nach sind diese vielen Dialoge, so konstruiert sie manchmal auch erscheinen mögen, mitverantwortlich für die Realitätsnähe des Streifens. Sie bindet einen menschlich besonders intensiv an die Hauptfigur. Und da Argento sein Werk eng an dessen Wahrnehmung klammert, und das nicht erst mit der Raffinesse seiner Auflösung, ist das psychologisch gesehen auch richtig so.
Die Geschichte selbst haut auf dem Papier erst einmal nicht vom Hocker, zumal sie dem Erstling „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ in vielen Dingen nicht unähnlich ist, und diese Übereinstimmungen sollten sich in „Tenebrae“ noch einmal wiederholen. In allen drei Werken ist die Hauptfigur ein Ausländer mit einem künstlerich wertvollen Beruf, der ein Verbrechen beobachtet, sich mit diesem parallel zur Polizei befasst und pro Film jeweils eine Erinnerungslücke hat, die ihn daran hindert zu begreifen was wirklich passiert ist.
Diesmal blendet Argento mit seinem Taschenspielertrick. Zwar ist die Auflösung und das übersehene Detail höchst interessant und ein glaubwürdiger Kniff, der die Auflösung zu einem großen Erlebnis macht, die Tatsache der Zuschauer wäre anfangs getäuscht worden jedoch Hokuspokus. Wer einen Blick zurück auf den Beginn der Ereignisse wirft, wird merken, dass der Zuschauer durch einen zu schnellen Schnitt Argentos in der entscheidenden Szene gar nicht wirklich die Möglichkeit hatte den Mörder zu identifizieren. Die Auflösung lässt ihn dies jedoch glauben, ob von Argento gewollt oder nicht.
Im Gegensatz zu vielen anderen Giallos ist man sehr daran interessiert zu erfahren wer denn nun der Mörder ist. Die Art der Überführung tröstet da ein wenig von der Schlichtheit der Begründung hinweg. Die ist in ihrer psychologischen Erklärung so schlicht wie in diesem italienischen Genre üblich. Aber sie folgt einer blödsinnig vorangesetzten Mörderaufdeckung, die dem Zuschauer absichtlich die lange Nase zeigt und den angeblichen Täter fast schon humorvoll gemeint in einer ellenlangen Prozedur ins Jenseits befördert, eine Person die gar nicht Täter sein kann, ein Fakt der dem Zuschauer schon längst bewusst ist, während die Hauptfigur zunächst noch getäuscht ist.
Erzählerisch gesehen ist „Profondo Rosso“ also durchaus geglückt und abwechslungsreich, was sich auch zu Beginn zeigt, wenn ein übernatürlicher Aspekt, den die Geschichte nicht zwingend benötigt hätte, in die Geschichte eingeflochten wird, nur um den Einstieg aus einer ungewöhnlichen Perspektive heraus zu präsentieren. Ähnlich wie im Einstieg von „Scream“ wird das erste Opfer zunächst eine Identifikationsfigur, eine mögliche Hauptperson, bevor wir uns von ihr verabschieden müssen. Ob da ein gewollter Gruß an Alfred Hitchcock bezüglich seines „Psycho“ stattfindet, kann ich nicht beurteilen. Möglich wäre es jedoch. Ist aber auch egal, denn die Idee das Gedankenlesen zu beherrschen und über diese Gabe versehentlich in den Geist eines in der Masse anonymen Psychopathen einzudringen, ist eine Idee, die eigentlich einen eigenen kompletten Film verdient hätte.
Ohnehin hätte man die schon oft erzählte Geschichte eines Zeugen der einen Täter sucht viel schlichter erzählen können. Argento, ausgerechnet der Mann, dem man sonst gerne die erzählerische Inhaltsleere seiner eher optisch interessanten Filme vorwirft, entscheidet sich jedoch für das Gegenteil, pumpt in seine Geschichte alles rein was geht, egal ob es ablenken soll oder für den eigentlichen Erzählstrang förderlich ist, und überfrachtet sein Werk damit glücklicher Weise nicht, sondern macht es damit wesentlich interessanter.
Optisch geht Argento diesmal einen Schritt zurück, auch wenn Orte und Kulissen weiterhin bewusst gewählt sind und so viel Atmosphäre ausstrahlen wie die restlichen Elemente des Filmes. Da der oberste Reiz von „Deep Red“ (Alternativtitel) jedoch seine dichte, düstere Atmosphäre ist, ist es aber ohnehin egal in diesem Werk diesmal keinen optisch künstlerisch überreizten Film vorzufinden wie in „Horror Infernal“ und Argentos diesbezüglich wohl wichtigstem Werk: „Suspiria“. „Profondo Rosso“ setzt auf vollkommen andere Vorzüge. OFDb
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