Eine Gruppe von Filmemachern hat die Räumlichkeiten einer Farm angemietet, um dort einen Pornofilm für den frisch aufkommenden Videomarkt zu drehen. Die Farm gehört einem sehr alten Ehepaar, das nichts von den Plänen der Gruppe ahnt. Letztendlich ahnt die Crew aber auch nicht, was ihr an diesem unseligen Ort widerfahren wird...
Ti West verneigt sich wieder einmal vor vergangenen Horrorzeiten und macht mit seinen Retroaufnahmen, die Stimmung und künstlerisches Vermögen gleichermaßen einzufangen wissen, mit Bildzitaten deutlich welche Vorlagen er ehrt. Zwar geht die Geschichte dabei zu geradeaus auf Slasher-Kurs, aber sie lässt sich hierfür jede Menge Zeit mit einer wundervoll bedrohlichen Atmosphäre in der langen Vorbereitungsphase. Hier steht nicht nur Figurenvertiefung auf dem Plan, sondern auch die Identifikation mit dem Zeitgeist der 70er Jahre, sowie der Branche, für die man produziert, und die Parallele, sowie die Gemeinsamkeiten zweier unterschiedlicher Generationen und Mentalitäten. Ti West nutzt manch anderen inhaltlichen Ansatz, als im Genre üblich, überrascht mit dem Aggressor, der gegen die Sehgewohnheiten ausgesucht ist und recht früh als solcher zu erkennen ist. "X", der Teil 1 einer Trilogie werden soll, die bislang mit "Pearl" eine erste Fortsetzung per Vorgeschichte erfuhr, knüpft an M. Night Shyamalans Idee aus "The Visit" an, alte Menschen zum Bösen eines Horrorfilms zu erklären. Die waren bislang entweder besessen wie in "Mom" und "Evil Date", bekamen Unterstützung von jungen Menschen, wie recht früh im modernen Horror in "Muttertag" geschehen, oder wurden eher humoristisch in grotesker Wirkung a la "Rabid Grannies" eingesetzt.
"Die Nacht des Todes" wäre eventuell noch zu nennen, als Ausnahme von der Regel, aber in Form eines waschechten Slashers dürfte Ti West wohl der erste sein, der sehr alte Menschen in die Position der Mörder setzt. Außerdem erfährt "X" zusätzlichen frischen Wind mit dem Tabubruch von Altersnacktheit und Sexualität im Alter und setzt den freizügigen Szenen in der ersten Hälfte, in welcher es u.a. um einen Pornofilmdreh geht, als eine Art Legitimierung der dort gezeigten Details selbiges mit alten Körpern im letzten Drittel entgegen. Manch einer erfährt es erst im Abspann, aber ebenso wie im 2018er "Suspiria" steckt ein junger Mensch per Doppelrolle im Kostüm eines alten Menschen, und cleverer Weise war dies für besagte Spiegelung der Geschehnisse, der junge Pornostar im Mittelpunkt, der nicht zufällig ebenso wie der Fernsehprediger redet. Beide Rollen werden von Mia Goth hervorragend dargeboten, wenn der alte Part auch von einem überzeugenden Körperkostüm unterstützt wird. Und ihr Mut derart offen mit Reizen und recht hemmungslos vor der Kamera als Porno-Newcomerin zu agieren, gebührt Respekt, eben weil sie professionell spielt, und nicht nur hübsch besetzt wurde. Das guckt sich alles überzeugend, in dieser neuen und gleichzeitig traditionellen Art, die sich nicht einzig mit dem Abliefern von Retro-Atmosphäre ausruht, zumal der Stoff geistreich mit dem Gefühlsleben diverser Figuren umgeht und offen über schwierige Themen debattiert. Manch heftige Tötungsmethode, inklusive zwei Leckerbissenszenen für Tier-Horror-Liebhaber, sind ebenso enthalten.
Man benötigt jedoch die rechte Muße für solch ein langsam angegangenes Werk, um den großen Wurf in ihm zu erkennen, was bei mir erst bei der zweiten Sichtung funktioniert hat, was ich im Nachhinein kaum glauben kann, so sensibel und provokativ dieser faszinierende Film zugleich angegangen ist. Sicherlich fehlt ihm der heftige Nervenkitzel mancher vergleichbarer Werke, "X" funktioniert auf recht nüchterne und intellektuelle Art, während er nach Außen den plumpen Reißer der quantitativen Schauwerte vorgaukelt. Trotz der sehr ruhigen Art schafft es Autor, Produzent, Cutter und Regisseur Ti West trotzdem, dass man mit den Figuren mitfiebert, und dies nicht zufällig, ein gewisser Grad Empathie, trotz gewollter Tabubrüche in so ziemlich jedem Charakter, ist ihm dabei wichtig, egal um welche aktiv agierende Person es gerade geht. Und in einer Art Verstehen der Motivation der Täter, liegt mit dieser Empathie eines der Geheimnisse zum Funktionieren von "X", zumal er trotz einiger Nacktheiten maximal einen Hauch Erotik erntet, da es dem guten Mann um Sex in der Handlung geht, und nicht hauptsächlich um das Einfangen anregender Bilder. Eine Ausnahme bildet Mia Goth, die erste Person in meinem Leben, die es schaffte mich gekleidet in einer Latzhose scharf zu machen. Wer sich durch die Anwesenheit der durch "Wednesday" und "Scream 5" mittlerweile populär gewordenen Jenna Ortega Nacktheit auch von dieser Seite erhofft, wird sich jedoch mit Unterwäscheszenen zufrieden geben müssen, die trotzdem nicht frei von Provokation sind. Viel interessanter finde ich an ihrer Anwesenheit jedoch, dass mich diese junge Schauspielerin, die ich meist nur bedingt überzeugend finde, in "X" eine gute Leistung abliefert. Wiki
Ich fand Mia Goth großartig und in "Pearl" wird das dann noch deutlicher...
AntwortenLöschenPearl ist mir noch zu teuer, um ihn mir anzuschaffen, bin aber gespannt drauf. :)
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