Wegen eines Zugunglücks, welches viele Verletzte ins eigentliche
Krankenhaus führte, muss das Mercy Falls Hospital, das eigentlich
geschlossen werden sollte, seinen Betrieb um einige Tage verlängern.
Gearbeitet wird nur noch auf der Kinderstation, und selbst die ist nicht
gerade von Patienten überlaufen. Als die Nachtschwester kündigt, muss
der Posten für die kurze Zeit neu besetzt werden, und Amy wird neu
eingestellt. Diese freundet sich direkt mit einem todkranken Mädchen an,
welches für andere die Außenseiterin zu sein scheint. Sie erzählt Amy
von Charlotte, einer Spukgestalt, die in Mercy Falls seit Generationen
zu einer Legende geworden ist. Als die erste Nacht dann tatsächlich
recht unheimlich ausfällt, denkt Amy sich nichts weiter dabei. Aber dann
kommt die zweite Nacht...
Spanien ist in den letzten Jahren in erster Linie durch die „[Rec]“-Reihe im Horrorbereich auf sich aufmerksam geworden. Der Regisseur dieser Filme drehte einige Jahre zuvor „Mercy Falls“, der bei uns zunächst unter dem Titel „Fragile - A Ghost Story“ veröffentlicht wurde und ganz anders ausgefallen ist als die berühmteren Folgefilme von Balagueró. Der Streifen ist ein waschechter Gruselfilm mit allem was dazu gehört: Spuk, verdächtige Lebende, verschiedene Fährten, ein seit Jahren ungenutztes zweites leerstehendes Stockwerk, eine düstere Vergangenheit, eine unangenehme Location, eine hauseigene Legende, ein Geheimnis die freie Stelle betreffend und jede Menge Dunkelheit.
Aus dieser Rezeptur lässt sich viel herausholen, und unter der geglückten Regie von Balagueró ist es dann auch tatsächlich zu einem positiven Ergebnis gekommen. „Mercy Falls“ weiß zu gruseln, fängt relativ harmlos und naiv an, erhöht im Laufe der Zeit gekonnt die Spannungsschraube und endet in einem wilden Finale, welches eine Spur härter ausfällt als vermutet.
Der Haupttrumpf Balguerós ist es den Zuschauer gekonnt an der Nase herumführen zu können. Das gelingt ihm teilweise stilistisch, z.B. wenn eine Blende vom Publikum zunächst als Stromausfall im Hospital vermutet wird, oder wenn man glaubt mit Amy eine Decke anzustarren, die sich als seitlicher Spiegel entpuppt und einen zur optischen Neuorientierung zwingt, wenn die Heldin an ihm vorbei läuft.
Aber auch inhaltlich ist nicht alles wie erwartet und vermutet. Zwar kann man nicht von einer individuellen Auflösung sprechen, aber sie weiß zu überzeugen und im kleinen Sinne gar zu überraschen, gab es doch die ein oder andere Fährte, die anderes vermuten ließ. Spukt es oder hat das todkranke Mädchen eine übernatürliche Veranlagung? Zur Mitte des Films hin wird sogar Amy verdächtig. Versucht man den Zuschauer zu täuschen und Amys immer nur angedeutete Vergangenheit vertuscht mehr als nur ein persönliches Drama? Mitfiebern ist angesagt, und selbst bei letzterem Verdacht klammert man sich weiterhin an der Identifikationsfigur Amy, die für eine solche nahezu perfekt geeignet ist.
So durchlebt sie dank eines starken Selbstbewusstseins nur wenige der klischeelastigen Phasen der mühsamen Erklärungen und peinlich berührten Ausweichungen, wenn sie anderen von ihrem Spukverdacht erzählt. Recht schnell weist sie Andersdenkende in ihre Schranken, selbst wenn es Vorgesetzte sind. Was hat sie auch zu verlieren? Das Haus benötigt dringend eine Nachtschwester, und der Job dauert ohnehin keine Ewigkeit.
Wenn Amy zum letzten Drittel hin einen Ausflug in den gefürchteten und seit Jahrzehnten nicht genutzten zweiten Stock unternimmt, welcher der einzig unglaubwürdige Aspekt der Geschichte ist, ist der Spannungsgehalt nicht mehr zu toppen. Hier herrscht nun Nervenkitzel, bereichert durch eine furchtsame Location und genährt durch das Unwissen des Zuschauers, der sich schon seit einiger Zeit fragt was dies nun alles soll und deshalb nicht darauf vorbereitet ist was da oben nun geschehen wird. Um so überraschter darf man sein, wenn das Finale ein wenig vom Gruselpfad abweicht, um etwas aktionslastiger auszufallen. Aber selbst in dieser Phase bleibt „Mercy Falls“ interessant, unterhaltsam und spannend, wenn durch den neuen Schwerpunkt auch nicht so intensiv wie zuvor.
Das verzeiht man aber nicht nur, das muss sogar so sein und ist damit kein Schwachpunkt des Streifens. Der liegt leider ganz woanders, ist aufgrund seiner geringen Präsenz aber auch nicht wirklich schlimm: der Soap-Gehalt. Immer wenn es zu Dialogen und Situationen kommt, welche Gefühle außerhalb der Angst betreffen, wird „Mercy Falls“ klischeelastig, für kurze Augenblicke kitschig und unangenehm. Hier merkt man, dass es noch einiges an Übung für den Regisseur gibt, der zwar den Hauptgehalt seines Horrorfilms zu beherrschen weiß, die Randerscheinung des Zwischenmenschlichen jedoch vergeigt. Um so erfreulicher erscheint die ohnehin schon positive Tatsache, dass dieser Bereich für die Geschichte kaum von Belang ist und sehr zurückhaltend präsentiert wird.
Auch dies ist mit ein Grund, warum der eher ruhig und still erzählte Streifen so flott daher kommt: man hält sich nicht mit Nebensächlichkeiten auf. Hier will man den Zuschauer gruseln, verwirren und schocken und schafft dies meist auf unblutige Art. Balagueró weiß auf was er setzen muss, wenn er sein Ziel erreichen will. Und so wissen Knocheneinrenkungen- und brüche wesentlich mehr zu schocken, als es irgend ein oller Bluteffekt je könnte. Und die schlichte Dosierung innerhalb der atmosphärischen Story stimmt ebenso. Somit ist „Mercy Falls“ die kleine Empfehlung am Rande, ohne gleich das große Highlight am Horrorhimmel zu sein. Ich jedenfalls bin immer wieder dankbar für Genrebeiträge, die es schaffen mich zu gruseln. OFDb
Hab den Streifen gestern abend auf RTL II gesehen und war doch angenehm überrascht.
AntwortenLöschen