Der Schotte William Wallace ehelicht heimlich seine große Liebe und
übt als erster den Beischlaf mit seiner Braut aus. Dies verstößt gegen
das Gesetz, so dass der Lord die Gesetzesbrecherin öffentlich tötet.
William rächt den Tod seiner Braut auf gleiche Art und entfacht eine
Rebellion gegen den König von England und seiner Tyrannei. Wallace ist
nicht käuflich und hat nur ein Ziel: die Freiheit für sein Volk...
Rebellion und Wahnsinn...
Ich mag diesen Film, und doch muss ich einschränken, dass er ganz oberflächlich betrachtet alles andere als eine gute Erzählung ist. Die Regiearbeit von Mel Gibson selbst ist geglückt, aber die Methoden, die er zum Berichten seiner Geschichte wählt, sind plump und manipulativ. Er jongliert mit Klischees, nutzt Kitsch, stellt sich selbst anbetungswürdig dar und erreicht mit letzterem gar, wenn man auf die von Gibson gewählte Symbolik achtet, einen Vergleich mit Jesus.
Dem Mann wird nachgesagt ein religiöser Fanatiker zu sein, und seine Umsetzung von „Braveheart“ lässt diese Vermutung bestätigen. Aber nicht jeder Geschichtenerzähler hat die komplette Kontrolle über sein Werk, und so funktioniert „Braveheart“ durchaus als wundervolle Geschichte, nur eben nicht so wie es Gibson gerne hätte.
Man kann die Erzählung fressen wie er es möchte. Dann ist der König ein reiner Tyrann, Wallace ein Krieger guten Herzens der bis zu seinem tragischen Ende ein großer Held ist, die Schotten alles edle Kämpfer, der Adel verlogen, und Wallaces Antrieb ist die Liebe und der Wunsch nach Freiheit. Das mag bei einem naiven Publikum sicherlich funktionieren, denn „Braveheart“ weißt allerhand Stärken auf.
Die Ausstattung, Kostüme und Make Up wirken authentisch, bis auf manch zu modischem Schnitt (meist bei Bärten). Die Kulissen sind grandios gewählt, die Musik zum größten Teil atmosphärisch unterstützend. Der Großteil der Schauspieler versteht sein Handwerk, die Liebesgeschichte schwappt herüber, die Kriegsszenen sind wuchtig inszeniert und übertreffen jene aus der „Herr der Ringe“-Trilogie um Längen, und die Geschichte der Befreiung vor den Unterdrückern reißt mit. Dies mitunter wegen der Manipulation in Form von Verschönerung, Verherrlichung und der gepuschten Gefühlsregungen beim Zuschauer, z.B. durch die Musik. Das ändert aber nichts daran, dass die Geschichte mitreißt.
Sie tut es aber auch, wenn man das von Mel Gibson nicht Benannte, wahrscheinlich nicht mal Gewollte, der Geschichte beachtet. Mit offenem Geist gesehen, losgelöst von Gibsons Propaganda, guckt sich „Braveheart“ auf anderer Ebene richtig gut, so dass die Negativpunkte lediglich zu kleinen Schwächen werden (eine Möglichkeit die in klischeeüberladenen Propagandafilmen nur selten vorhanden ist).
So fällt, um mit dem kleinsten Punkt anzufangen, beispielsweise auf, dass der König von England nicht nur der tyrannische Mensch ist, sondern auch ein liebender Vater. Dies muss man aus seiner Perspektive betrachten: ein solch linker, emotional und willkürlich handelnder Mensch, verachtet sicherlich die Art seines Sohnes zu lieben, und er ist enttäuscht dass Sohnemann nicht das Führertalent des Vaters geerbt hat. Trotz jeglicher Enttäuschung steht er jedoch zu ihm und will dass er später sein Reich beerbt. Selbst den Angriff mit dem Messer verzeiht er ihm, ist es doch sein Sohn und handelte dieser in diesem Moment doch durch aufgepeitschte Emotionen.
Umgekehrt guckt sich das Handeln von Wallace nicht als reine Heldentat. Der Mann handelt aus Rache, beginnt eine Rebellion und verliert irgendwann den Überblick. Wie jeder Kriegstreiber und selbsternannter Befreier wird er wahnsinnig, verliert den Überblick dessen was möglich ist. Sein Wunsch nach Freiheit wird zu einer Gier. Er kämpft um sie, bereitwillig seine Mannen opfernd. Und so wirkt auch sein letzter Ausruf nicht heldenhaft, vorbildlich oder kämpferisch, wie von Gibson sicherlich gewollt, sondern geisteskrank und wahnsinnig.
Den eigentlichen Grund, aus dem der Kampf fruchtete, oder noch besser woraufhin Beweggründe und Taten zu etwas Widerlichen mutierten, verrät er später gar selbst, wenn er den Schwur bricht nur seine Frau zu lieben. Hier sei nur die rein körperliche Liebe gemeint, denn ob hinter dem späteren Beischlaf nicht auch Taktik stecken mag, ist sicherlich kein naiver oder aus der Luft gegriffener Gedanke.
Wallace ist ein Kriegstreiber. Er ist ein Verräter seines früheren Ichs (was nicht nur durch den Verrat der Liebe, sondern auch dadurch deutlich wird, dass der einst mit Köpfchen handelnde, gelehrte Mann, zum reinen Kampfbarbaren wird) umgeben von Verrätern aus den eigenen Reihen. Böse Menschen, die ihm ins Handwerk fuschen, lassen den denkenden Zuschauer aber noch lange nicht glauben, dass damit Wallace gleich zum Guten wird. Propaganda und Manipulation kann nur bei dem Teil des Publikums fruchten, welches sich dessen nicht bewusst ist oder zu leichtfertig damit umgeht.
Ein wenig hat der Film etwas von „Der Untergang“. Hitler, als Bestie unanfechtbar, wird von seiner menschlichen Seite gezeigt. So kann man auch die Rolle Wallaces sehen, die, im Gegensatz zur erst in den letzten Tagen gezeigten Hitlerfigur, anfangs ja auch durchaus eine Sympathiefigur ist. Der Zuschauer kann anhand dieses netten Mannes erfahren, dass Rache, Hass, Eifersucht und was noch alles mitspielen mag, aus einem guten Menschen einen geisteskranken machen kann. Und verfügt dieser über eine gute Rhetorik, so kann er viele andere gleich mit in den Abgrund reißen.
Löst man sich von Täuschungen, so kann „Braveheart“ also durchaus auf anderer Ebene funktionieren. Dann kommen die Schotten zwar noch immer zu liebenswürdig weg (als ob die keine Kriegsverbrechen begangen hätten), aber die Geschichte weiß dann zu funktionieren. Und die will kein Geschichtsunterricht sein, sondern Unterhaltungskino mit romantischem Touch und allerhand Action. Und mit offenen Augen betrachtet, wissen die oben genannten Pluspunkte auch in der Sichtung einer anderen Wahrnehmung als jener Gibsons, ebenso zu überzeugen, wie im verträumten Blick manches Cineasten, der den Film so guckt wie von Gibson gewünscht.
Ich will Mel Gibson hier nicht schlechter machen als er ist. Er ist ein Sympathisant im Großteil seiner Rollen, ich selbst sehe ihn recht gern. Also darf man meinen nächsten Kommentar nicht als Hetze betrachten. Ich finde ihn nämlich für die Rolle des Wallace komplett fehlbesetzt. Ewig grinst mich Mel Gibson an, wenn ich ihn als Wallace sehe. Da können die sonst so grandiosen Kulissen, Kostüme und Make-Up-Künste nichts dran ändern. In der Anfangsphase erinnert er mich mit seiner schelmischen Art zu sehr an seine Rolle aus der „Leathel Weapon“-Reihe. Ist dies vorbei steht ihm sein mangelndes Schauspieltalent im Weg.
Er ist kein Niete seines Berufes, weiß in Filmen wie „Mad Max“ als Kämpfer, in „Forever Young“ auf Gefühlsebene, in „Payback“ als Rächer und in „Leathel Weapon“ als humorvoll angelegte Figur zu überzeugen, ja sogar richtig zu gefallen. Aber eine Rolle wie die des Wallace weiß er nicht auszufüllen. Was daran liegen mag, dass sein Spiel ebenso im Klischee badet wie seine Inszenierung. Er selbst hat die Rolle, die er spielt, nicht verstanden. Wie soll er sie da glaubhaft verkörpern können?
Dass der Film mit der Fehlbesetzung in der Hauptrolle nicht kaputt geht, zeigt aber nur um ein weiteres die großartige Inszenierung und die mitreißende Wirkung der Geschichte. Und wie oben herausgearbeitet kann diese auch jenseits von Klischee, verlogenen Weltbildern und manipulierten Gefühlsregungen stattfinden. Ein Geschichtenerzähler ist nur bis zu einem gewissen Grad Herr über seine Geschichte. Die Kunst des eigenen Denkens und der Interpretation gibt dem Zuschauer eine Unabhängigkeit, die ihn nicht zum gefolgsamen Sklaven des Erzählers macht, der, wie hier, andere Absichten verfolgt. Da kann ich nur rufen: Freeeeeeiheeeeeeit! OFDb
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen