Mit den wenigen Werken, die ich bislang von Michael Haneke gesehen habe, tat ich mich schwer, kamen sie mir in ihrer intelektuellen Art doch immer irgendwie zu gewollt vor. „Wolfzeit“ war mir zu ereignislos für einen Film der so gar nichts von den Hintergründen dessen was die Zivilisation in den Abgrund riss berichtete. Und „Funny Games“, den ich vielleicht aber auch in viel zu jungen Jahren sah um heute über ihn fair berichten zu können, war mir in seiner Echtzeit eine Spur zu steril ausgefallen. Beide Werke hatten ihre Stärken, ihre Momente, meist atmosphärischer Art, aber sie wirkten mir zu bemüht auf Kunst getrimmt, um sie wirklich ernst nehmen zu können.
Theoretisch müsste man selbiges über „Caché“ sagen können, ist doch auch er sehr intellektuell und eher steril gefilmt ausgefallen, aber er weiß mir zu gefallen. Die Geschichte reißt einen in seinen Bann, und durch das nüchterne Abfilmen in nur leicht bewegten Bildern, leicht bewegt um sich von den Amateuraufnahmen des Anonymen zu unterscheiden, in nur leichter Verfremdung durch einen Farbfilter aus selbigen Grund, wirkt alles sehr echt und natürlich, und mit dieser Realitätsnähe im simplen Abfilmen ohne spannungsfördernde Musikuntermalung steht das Drama wesentlich mehr im Fokus als der Thrill-Gehalt. Und doch entfacht Haneke eine ganz eigene Art Spannungsbogen, einen nüchternen aber doch intensiven, einen theoretischen ab doch spürbaren, wenn sich die Schlinge der Hauptfigur immer enger um seinen Hals zusammenzieht.
Gewollt wirkt diesmal ironischer Weise nicht der sterile, intelektuelle Touch, sondern die einzig explizite Szene, die den Zuschauer vor den Kopf stoßen soll. Nötig war das meiner Meinung nach nicht. In der Art wie dargestellt wirkte das auf mich einfach nicht glaubwürdig, auch wenn besagte Szene nicht ohne Wirkung für den weiteren Verlauf der Geschichte bleibt, eine Geschichte über Lügen, das Vergessen, der Schuldzuweisung und der Reflexion.
Was die Ermittlungen Georges zutage fördern, sind die Taten eines gedankenlosen Kindes, so dass sich keine ernsthafte Schuldfrage aufdrängt. Haneke geht es um die Reaktion im Jetzt. Wie gehe ich mit dem Ergebnis dessen um, auf das ich als Kind einen Einfluss hatte. Die Angst Risse ins Bild des heutigen Ist-Zustandes zu bekommen, kann größer sein als die Ethik. Ein Vorwurf, egal wie still vorgebracht, kann zu einer Trotzhaltung führen, die ein Auseinandersetzen mit dem Vergangenen komplett verhindert. Das ist ein interessanter Fakt wenn man das unmoralische Verhalten Georges lediglich ihm selbst ankreiden möchte.
Es ist interessant zu sehen, dass George mit seinen Alleingängen und seinen Geheimnissen einen Keil in die Familie treibt, der wesentlich größer ist als das was die Videobänder hätten anrichten können. Und da dies sicherlich ein grundsätzliches Verhalten Georges ist, braucht einen das Schlussbild, welches dem aufmerksamen Zuschauer einen Hinweis auf die Auflösung gibt, nicht überraschen. Wem die Konsequenz irgendeiner Figur im Film fehlt, dem sei eine Bemerkung aus dem Interview zu „Caché“ von Haneke ans Herz gelegt: Das Leben steckt voller Widersprüche.
Haneke macht das auf psychologisch nachvollziehbare Art sehr deutlich. Die Realität ist nie so klar wie die Geschichten üblicher Filme. Haneke lässt uns nie in die Köpfe seiner Protagonisten hineingucken, und damit sind wir nicht schlauer als wenn selbige Ereignisse in der Realität stattfinden würden. Ob jemand das was er sagt wirklich glaubt, ob dies der Wahrheit entspricht und ob jemand seine wahren Gefühle verheimlicht bekommen wir nicht mit. Lediglich einem kleinen Zusammenbruch Georges dürfen wir kurz beiwohnen. Still für sich allein und unbeobachtet weint er. Mehr gesteht uns Haneke nicht zu. Menschen sind so widersprüchlich wie das Leben. Da kann sich keine klare Konsequenz abzeichnen die uns eine Orientierung und mit ihr einen Halt gibt, um zu verstehen warum passiert was im Film passiert. OFDb
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