24.07.2015

HAROLD UND MAUDE (1971)

Was mit morbidem Humor beginnt, endet mit eben solchem, was jedoch kein Hinderniss dafür ist einen lebensbejahenden Film zu erzählen, der zwei unterschiedliche Personen zusammenschweißt, die wie für einander geschaffen sind. Harold stellt sich über gesellschaftliche Regeln um zu rebellieren, Maude macht selbiges um das Leben auszukosten. Gemeinsam stellen sie sich über Moral und Gesetz, provozieren auch gern, jedoch nicht des Provozierens wegen, und so nach und nach bekommt Harold Geschmack daran das Leben zu genießen und sich immer wieder neuen Erfahrungen zu stellen.

„Harold und Maude“ ist ein Lehrstück darüber wie gefangen der Mensch im allgemeinen ist, und darüber dass er dies eigentlich nicht sein müsste. Was richtig ist ist auch dann richtig wenn es gegen das Gesetz ist. Und was sich gut anfühlt und niemanden verletzt kann ebenso wenig verkehrt sein. Harold und Maude sind Freigeister. Maude ist, wie es scheint, ein solcher schon immer gewesen, Harold bricht endlich wirklich aus dem fremdbestimmten Gefängnis aus, anstatt sich dieses Gefühl mit selbstinszenierten Suizid-Täuschungen vorzugaukeln. Konsequenter Weise geht er den letzten Schritt der Loslösung genau über einen solchen vorgetäuschten Selbstmord.

Während Maude vom Alter angetrieben wird, bereit sich dem Tode zu stellen und keine Konsequenzen mit 79 mehr fürchten muss, ist es ironischer Weise der gesellschaftliche Einfluss der es Harold ermöglicht ein Freigeist zu werden. Mutter ist reich, die Familie hat Beziehungen nach oben, Harold kommt in der Regel unbestraft davon. Probleme die sich dem unterschiedlichen Paar in den Weg stellen werden mit einer großen Portion Fantasie und Spielfreude aus dem Weg geräumt, selbst wenn es um so ernste Dinge wie die Verpflichtung zum Militärdienst geht.

Regisseur Hal Ashby, der erst mit 51 Jahren begann Filme zu drehen und der mit „Harold und Maude“ sein zweites Werk ablieferte, enttarnt den Irrsinn des Normalen und die Normalität des von der genormten Gesellschaft empfundenen Irrsinns. Zwei Weltansichten werden gegenüber gestellt, und dass sich der Geschichtenerzähler auf die Seite der Außenseiter stellt weiß ein wunderschöner Soundtrack von Cat Stevens zu unterstreichen. Tu was Du willst, heißt es da im am häufigsten eingespielten Song, und das bringt die Philosophie des Filmes tatsächlich auf den Punkt.

Die Lebensweise der beiden Helden, die weit davon entfernt ist sich solch plumpen Grundlagen wie Genußsucht zu bedienen, weiß den Zuschauer anzustecken, der selbst dann gefühlsmäßig den beiden beisteht, wenn das Gesellschafts-Tabu schlechthin gebrochen wird: der junge Mann und die alte Frau verlieben sich. Maude weiß dass es für Harold noch weitere Liebschaften nach ihr geben wird, der junge Harold, der dergleichen erstmals erlebt, in einer Phase bewusstem Lebens wie nie zuvor, glaubt unerfahren an die einzig wahre Liebe. Das Zusammenkommen empfindet der Zuschauer nicht als abstoßend, den Pfarrer, der äußert was die meisten davon halten würden, schon.

Leben ist nicht das was andere einem vorschreiben. Man darf seinem Glück nicht selbst im Weg stehen. Da sind viele wundervolle Botschaften in diesem tragikomischen herzlichen, wie morbidem Film enthalten, die eine Menge Mut erfordern nach dieser Philosophie zu leben. Mir würde der Mut zur letzten Konsequenz fehlen. Ich breche Konventionen eher im Kleinen, während ich zugleich sehr angepasst lebe. Es kann nicht jeder ein Held wie Harold und Maude sein, obwohl man meinen sollte, dass das was die beiden einfordern die Selbstverständlichkeit des Lebens schlechthin sein sollte. Es ist schon eine kranke Gesellschaft in der wir leben, und ich bin ein Teil von ihr.  OFDb

2 Kommentare:

  1. Toller Film, nach dem man sich oft sehnt, auch solche Freiheiten ausleben zu können. Am Ende steht man nicht nur sich selbst im Weg, sondern auch die Gesellschaft, die den Menschen in ein sehr enges Korsett schnürrt. Aber mal ehrlich: Wäre solch eine Welt ohne Regeln nicht zu archaisch, um sie wirklich genießen zu können? Sind es nicht manchmal doch eher solche Tagträumereien, wie sie Harold & Maude quasi vorleben, die einem das tatsächliche Grinsen ins Gesicht befördern?

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    1. Zumal in jedem von uns denke ich auch ein schutzbedürftiger Mensch steckt, der dann doch nicht so mutig sein will. Deine Überlegung ist von daher durchaus interessant. Es gibt ja auch dieses Lied mit den Zeilen "Wenn ich mir was wünschen dürfte, würd' ich etwas glücklich sein. Denn sobald ich gar zu glücklich wär, hätt ich Heimweh nach dem traurig sein". Wie schon in Matrix erwähnt: der Mensch ist ja nicht wirklich dazu gemacht glücklich sein zu wollen. Wenn er plötzlich alles darf was ihn glücklich macht würde ihm an anderer Stelle etwas fehlen.

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