31.03.2016

THE RETURNED (2004)

Während andere Werke von menschenfressenden Rückkehrern aus dem Reich der Toten erzählen, versucht Regisseur Robin Campillo, der erst neun Jahre später mit „Eastern Boys“ seinen nächsten Film gedreht hat, das Thema zurückgekehrter Verstorbener gesellschaftlich orientiert anzugehen. Seine rätselhafte Geschichte, die 2012 in Frankreich in Serie ging und drei Jahre später ein amerikanisches Serien-Remake nach sich zog, macht aus den Wiederauferstandenen keine Monster. Die ehemals Toten sehen so aus wie kurz bevor sie verstorben sind, sie erinnern sich an ihr Leben von einst, und sie sollen in die Gesellschaft zurück integriert werden.

Ein solcher Plot wirft viele Fragen auf, die „The Returned“ zwar in der Regel nicht beantwortet, die aber ganz offen im Film selbst angesprochen werden. Damit gibt Campillo zu verstehen dass er weiß welchen Rattenschwanz sein Szenario theoretisch nach sich zieht, er macht aber auch deutlich dass es ihm um die gestellten Fragen meist nicht geht, da sich der Streifen der zwischenmenschlichen Problematik stellen soll. Es geht also nicht um das Warum der Rückkehr und der Frage warum die Verstorbenen nicht vergammelt sind, und es geht auch nicht um die Finanzprobleme einer übervölkerten und überalterten Gesellschaft, Themen die nur am Rand Anklang finden, es geht um die Resozialisierung in einem breiten Spektrum.

Neben der Überwindung jemanden wieder in sein Leben zu lassen, um den man getrauert hat und neben der Frage wie man die Menschen in ihr altes Leben zurück führen kann, macht Campillo schnell deutlich, dass es mit den Zurückgekehrten etwas Merkwürdiges auf sich hat. Sie schlafen nicht, besitzen eine um etwa 5 Grad niedrigere Körpertemperatur, und sie legen ein lethargisches Verhalten an den Tag, welches zunächst soziologisch versucht wird zu erklären, nach einer Zeit mangelnder Verbesserung jedoch als größeres Gesellschaftsproblem als bisher angenommen angesehen wird. Man muss feststellen, dass die Wiederauferstandenen keineswegs in der Lage sind höheren Tätigkeiten nachzugehen.

Zudem stecken sie in einem eigenen Blickwinkel fest, können sich in die Lebenden nicht hineinversetzen und wirken emotional stark distanziert. Auch dies hat nichts wie anfangs vermutet mit der Resozialisierung zu tun, die Zurückgekehrten sind tatsächlich so. Es ist kein Zustand der Verbesserung erkennbar.

Interessant in diesem Film, der seine rätselhafte Geschichte fast selbstverständlich erzählt und alles Geschehene in einem Schwebezustand des nicht Erklärbaren hält, ist die Tatsache, dass nie wirklich die Frage gestellt wird, ob die Wiedergekehrten in die Gesellschaft zurück integriert werden wollen. Es scheint eher ein Bedürfnis der Hinterbliebenen zu sein, ein solch starkes, dass es als Selbstverständlichkeit empfunden wird, und welches dafür sorgt dass die Lebenden Zwänge ausüben, um ihre Heimgekehrten in die Normalität zurückzuführen. Schlafmittel gegen Schlaflosigkeit, Einsperren gegen Rastlosigkeit, emotionales Binden trotz Gleichgültigkeit, die Toten machen nicht den Eindruck irgend etwas von dem zu wollen was die Gesellschaft zu regeln versucht.

Dies wirft die Frage auf, ob die ominösen Ereignisse, die sich im letzten Drittel aufgrund des Zusammentuns der ehemals Toten auftun, das Ergebnis der Zwänge der Lebenden sind, quasi um sich zur Wehr zu setzen, oder ob die Toten ein weiteres Geheimnis umweht, ganz unabhängig von den Zwängen denen sie ausgesetzt waren. Die eskalierende Situation gegen Ende ist somit entweder ein mystisches Phänomen mit unheimlichem Hintergrund innerhalb eines Filmes, der aufgrund seiner nüchternen Erzählweise selbst nie unheimliche Momente entfacht, oder es ist ein gesellschaftliches Problem zweier unterschiedlicher Interessengruppen. Darin könnte sich die Thematik von Flüchtlingen die man integrieren will ebenso wiederspiegeln wie die Thematik um die Entmündigung im Alter.

Eben weil Campillo nichts erklärt und uns einfach zeigt was passiert, lässt er so viele Deutungsmöglichkeit zu, sorgt aber bei vielen Zuschauern sicherlich auch für Verzweiflung und Orientierungslosigkeit, sind es die meisten Zuschauer von heute doch gewohnt sich nicht selbst Gedanken machen zu müssen. Sie wollen an die Hand genommen werden. Sie wollen, dass ihnen alles erklärt wird. Und sie erkennen nicht den wunderbaren, mündigen Umgang mit ihnen, den Campillo zulässt, indem er das unerklärliche Phänomen einfach als Gedankenspiel geschehen lässt, mit welchem wir uns schlussendlich selbst zu beschäftigen haben.

Vielleicht hätte „They Came Back“ (Alternativtitel) dafür nicht ganz so nüchtern ausfallen müssen, den Inszenierungsstil könnte man geradezu als meditativ bezeichnen, und ein wenig aktiver könnten zumindest die Hinterbliebenen handeln. Aber letztendlich ist es genau dieser unaufgeregte Stil der „The Returned“ zu etwas Besonderem macht. Es ist das was ihn zum Teil des anspruchsvollen, trockenen europäischen Kinos macht, welches ich persönlich sehr schätze, eben weil es vom Zuschauer erwartet sich mit dem jeweiligen Stoff auseinanderzusetzen, anstatt dass einem alles vorgekaut wird. Wer Antworten benötigt wird mit dem Serien-Remake sicherlich besser zurecht kommen. Ich kenne beide Serien noch nicht, aber spätestens das amerikanische wird sicherlich nicht mehr so rätselhaft und nüchtern ausfallen wie dieses wunderbare französische Original.  OFDb

2 Kommentare:

  1. Obwohl zumindest in Staffel 1 der französischen Serienversion auch mit Antworten gespart wird. Sehenswert ist diese Serie aber dennoch. Den Film kenne ich nicht, klingt inhaltlich aber nah dran an der Serie.

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    1. Ich bin auf jeden Fall neugierig auf beide Serienversionen und werde sie mir Ende Mai wohl beide mal zulegen. Ist ein sehr interessanter Stoff, den man sehr unterschiedlich auslegen könnte. :)

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