19.06.2016

EIN ALIBI ZERBRICHT (1963)

Nicht nur dass der LKW-Fahrer die Wahrheit sagt ist bereits von Anfang an klar. Auch wohin sich die Ermittlungen bewegen macht schnell deutlich was Fakt ist. Recht schnell weiß der Zuschauer dass sich Dr. Rohm in keine wirren Mutmaßungen verstrickt. Und Vohrer ist bewusst, dass unter all diesen Voraussetzungen der Stempel des Kriminalfilms nur bedingt auf „Ein Alibi zerbricht“ zutrifft. Wer einige Werke Vohrers kennt, der weiß aber auch dass den guten Mann stets die Psychologie zwischen den Dingen interessiert, sprich die Auslöser, die Folgen, der Pingpong-Effekt, das Verräterische, die Fehler, das soziale Dilemma, das Gewissen, die Gefühle.

„Ein Alibi zerbricht“ spielt deswegen so überraschend schnell mit offenen Karten, da er als eine Art Psycho-Drama angelegt ist. Ein Hauch Krimi weht von der einen Seite, ein Hauch Thriller von der anderen, aber die Dramatik der Situation in welche Dr. Rohm aufgrund ihrer Ideale ausweglos hineinschliddert ist der tatsächliche Kern der Geschichte. Nur will das nicht so gut funktionieren wie es Vohrer sicherlich gewollt hat. Nicht nur dass Dr. Rohm an den ungünstigsten Stellen schwer von Begriff ist, sie ist zudem mit Ruth Leuwerik nicht ideal besetzt. Über ihren Charakter darf man streiten, der ist wie alle weiteren Charaktere im Film weder gut noch böse angelegt. Jeder hat seine Beweggründe für das was er tut oder denkt. Aber wirklich glaubwürdig agiert Leuwerik nicht immer.

Mir wäre es persönlich lieber gewesen, wenn „An Alibi for Death“ (Alternativtitel) in seiner Art etwas düsterer ausgefallen wäre, eine tatsächlich spürbare Bedrohlichkeit kommt selbst dann nicht auf, wenn sich Dr. Rohm im Finale in Lebensgefahr befindet. Der etwas zu lückenhafte zwischenmenschliche Faktor, der die Dramatik hätte stärken können, mit einem blass spielenden Peter van Eyck aber ohnehin nicht erreicht werden kann, hätte mit einer düsteren Atmosphäre eine gute Stütze erhalten um mehr zu sein als die Lightversion dessen was mit dem hier vorliegenden Stoff möglich wäre. Aber „Ein Alibi zerbricht“ entfaltet sich hierfür nie genug.

Allerdings schwächelt auch das Drehbuch hin und wieder, z.B. dann wenn man sich im nachhinein fragen darf, warum der Mitarbeiter des Hotels den Mann auf dem Phantombild erkannt hat, obwohl dieser kein Brillenträger war. Zumindest hätte er zu seiner Aussage hinzufügen können, dass der Gast nie eine Brille trug. An solchen Beispielen bemerkt man, dass die Geschichte nicht zu Ende gedacht wurde, immer nur Schritt für Schritt funktioniert, es aber nicht erlaubt währenddessen und hinterher einen Blick zurück zu werfen.

Trotz aller Kritik ist Vohrer jedoch an einen wirklich guten Stoff geraten. Mag die Ausgangslage auch etwas zu zufällig ausgefallen sein, so ist das Netz in welches sich Dr. Rohm aufgrund ihrer Ideale verstrickt, doch recht interessant zu nennen. Wenn es um Schuldzuweisungen geht, dann stehen sich unterschiedlichste Blickwinkel gegenüber. Kann man den Selbsterhalt verurteilen oder ist er nur billige Rechtfertigung für eine bestialische Tat? Ist man gleich unsolidarisch und kalt wenn man in schlimmen Zeiten nicht zu seinem Ehegatten hält? Wann ist ein Mord eine kaltblütige Angelegenheit, und wann, falls überhaupt, ist ein Mord gerechtfertigt?

Gerade weil sich „Ein Alibi zerbricht“ zentral mit diesen Fragen beschäftigt, hätte es dem Film gut getan wenn die letzten 10 Minuten fehlen würden und der Film mit den Worten enden würde „So sehen also Mörder aus“. Meiner Meinung nach hätte der Film gar nicht besser enden können, hätten diese Worte in Kombination mit den drei Gesichtern die wir uns dazu ansehen dürfen, bevor die Optik verschwimmt, doch zu einem nachdenklichen Schluss geführt, der zur munteren Diskussionsrunde einlädt.

In den 60er Jahren, inmitten erfolgreicher James Bond- und Edgar Wallace-Filme, brauchte man im Finale aber dann doch scheinbar so manchen Paukenschlag, und aus verzweifelten Menschen werden doch noch gnadenlose Täter, die kurz vor Schluss leider doch noch den Bösestempel aufgedrückt bekommen, zumindest stärker als zuvor, auch wenn kleine Reaktionen im Spiel das Ganze wieder abschwächen sollen. Nötig hätte der Film das nicht gehabt, er wäre wie gesagt besser mit dem von mir gewünschten Schluss ausgefallen, charmant inszeniert ist aber auch die komplette Schlusschose. Allein das Schlussbild, bevor auf fast schon verspielte Art das Wort Ende ins Bild tritt, zeigt schon wie gelungen der Inszenierungsstils Vohrers ist. Aus der Grundlage eines wackeligen Drehbuch in Kombination mit ebenso wackelig talentierten Stars holt er mehr heraus als es manch anderer Regisseur geschafft hätte. Das macht aus „Ein Alibi zerbricht“ zwar keinen Geheim-Tipp, aber immerhin sympathische Unterhaltung für zwischendurch.  OFDb

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