20.11.2016

DAS HAUS DER VERGESSENEN (1991)

Wes Craven gehört zu den interessantesten Horror-Regisseuren, welche Amerika vorzuweisen hat. Nicht nur dass er so ziemlich in jeder Dekade seiner 5 Jahrzehnte andauernden Arbeit für das Genre immer wieder neue Maßstäbe setzte, seine Werke waren zudem geprägt von unterschiedlichsten Qualitäten, so dass man nie wusste ob einem nun ein Meisterwerk oder eine Gurke bevorsteht. Zu den eher unbekannten Werken des berühmten Mannes gehört der in den 90er Jahren erschienene und von Craven selbst verfasste „Das Haus der Vergessenen“, der in Horrorkreisen längst zum Kultfilm geworden ist.

Das ist verständlich, handelt es sich doch um einen höchst ungewöhnlichen Film, der mit harten Ideen (jedoch nur selten in blutigen Bildern) ebenso jongliert wie mit bunten, so dass der märchenhaft angehauchte Horror-Trip zu einer Groteske aufgeblasen wird, welche die Realität zwar nicht völlig aushebelt wie manch extremere Groteske, dem Zuschauer aber so einiges Überraschendes und Genre-sprengendes präsentiert, an das man sich erst einmal gewöhnen muss. Was als relativ typische Horrorgeschichte losgeht, entpuppt sich als sympathisch kranke Story, die spätestens aufgrund des Overactings des Vermieterpaares zu einem wahren Comicstrip wird.

Positiv fällt auf, dass Craven diesen Touch weder künstlich schrill erreicht, wie er es zuvor in „Shocker“ versuchte, und u.a. aufgrund dessen auch daran scheiterte, noch mit zu harten Provokationen arbeitet, wie es ein Rob Zombie heutzutage angehen würde, um sich beim Horrorpublikum anzubiedern. Craven geht, wie typisch für die Entstehungszeit von „The People Under the Stairs“ (Originaltitel), verspielt mit den Situationen um, schenkt ihnen immer einen Hauch Humor, seltenst sogar eine Dosis Klamauk, und bewahrt in allem was hier geschieht stets die nötige augenzwinkernde Distanz, die offen suggerieren soll, dass es sich bei dem hier Erzählten lediglich um einen kleinen Spaß handeln soll, der niemandem weh tut.

Dank harter Momente und der Thematik um Kindesmisshandlung, fällt „Das Haus der Vergessenen“ nie derart bunt aus, dass er zu einem harmlosen Familienfilm werden könnte. Der Streifen richtet sich in seiner trotz aller Verspieltheit radikalen und ansatzweise düsteren Art definitiv an ein erwachsenes Publikum. Zwar distanziert sich Craven in seinem etwas arg gekünstelten sozialkritischen Hintergrund für meinen Geschmack gegen Ende etwas zu sehr von der grotesken Handschrift des Streifens, dennoch passt auch der fast schon kitschige Schluss wiederum zu den märchenhaften Zutaten, die Craven von Beginn an wenig märchenhaft in die Geschichte einstreut, wie z.B. die Legende um den im Haus versteckten Goldschatz.

Zumindest wird man während der kompletten Geschichte immer wieder von Craven auf Trab gehalten. Lebt das erste Drittel von den Geheimnissen des Hauses, wird der Mittelteil nach Aufdeckung dieser zu einer abwechslungsreichen und spannend inszenierten Treibjagd, wohingegen das letzte Drittel mit einer Wendung in der Geschichte startet, die dort einsetzt wo andere Autoren ihren Film hätten enden lassen. Durch die Armut im Ghetto und das Geschehen in den vier Wänden eines skurrilen, unbehaglichen Wohnortes, schaut sich „Das Haus der Vergessenen“ angenehm zeitlos, da weder Mode noch überholte Lebenssituationen auf das Entstehungsjahrzehnt verweisen. Und dass die schrillen Ideen eines „The People Under the Stairs“, trotz aller Extreme die das Horror-Genre in den letzten Jahrzehnten hervorbrachte, noch immer schrill, provokativ und frisch wirken, ist ein weiterer Beweis für die zeitlose Qualität des Streifens.  OFDb

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen