Wer unter Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein. Dies trifft nicht nur auf den reinherzigen, götterfürchtigen Halbgott Herkules zu, er entdeckt mit der Methode des Steinwerfens auch gleich eine Lösungsmethode unterschiedlichster Probleme. Egal ob man ein Moor überwinden muss, böse Geister loswerden will, einen untoten Meister des Okkulten in seine Schranken weisen will oder einfach nur einen unerreichbar scheinenden Apfel pflücken muss - Steine werfen löst jedes Problem, je größer der Stein, desto besser.
Die Lösung ist quasi so naiv wie die Probleme und das Weltbild von Mario Bavas ein Jahr nach seinem Meisterwerk „Die Stunde, wenn Dracula kommt“ erschienden „Vampire gegen Herakles“. Sicherlich gäbe es genug Gründe sich über ein derart naives Weltbild lustig machen zu können, mit meiner augenzwinkernden Einleitung habe ich schließlich nichts anderes getan, aber es würde dem Streifen nicht gerecht werden, der einen auf geradezu kindliche und klassische Art zu verzaubern weiß, aus einer Zeit der laufenden Bilder stammend, als noch die Ur-Superhelden Herkules, Zorro, Ursus und wie sie alle heißen sich gegen jene Superhelden behaupten konnten, die den Begriff überhaupt erst prägten und in wunderlichen Kostümen ihre Heldentaten vollbrachten, bevor diese sie vollends aus der Kinolandschaft drängten.
„Hercules in the Center of the Earth“ (Alternativtitel) ist hochtheatralisch erzählt, hüpft eigentlich nur von einer Episode zur nächsten, in welcher es je ein Problem zu lösen gibt, das gewaltiger klingt als es schließlich zu bewerkstelligen ist. In einer kurzen Laufzeit von 80 Minuten kann aus einer Freundschaft in einem lediglich kurz angehauchten Nebenplot auch schnell eine Erzfeindschaft werden und es genauso schnell wieder zu einer Versöhnung kommen. Denn in der Welt des Herkules wimmelt es nur vor Intrigen, Eifersucht, jeglicher Form von Übertreibung und mystischen Gestalten, und da dies alles in einer solch dick aufgetragenen Form so gar nichts mit unserer Realität zu tun hat, stört auch die eingangs erwähnte Naivität nicht. Sie ist Teil der klassischen Kinofilm-Gattung, der auch Bavas Beitrag angehört, und dank hübscher Bilder, die zu meiner Verwunderung trotz Bavas Arbeit an der Kamera eher durch Farben anstatt durch einfallsreiche Aufnahmen glänzen, motivierter Mimen und dem Herz am rechten Fleck weiß „Hercules in the Haunted World“ (Alternativtitel) auch zu gefallen.
Als Pluspunkt konnte man den erst drei Jahre zuvor durch seine „Dracula“-Interpretation weltberühmt gewordenen Christopher Lee mit an Bord gewinnen, der hier eher tuntig als unheimlich wirkt. Aber was er diesmal nicht zu verkörpern vermag, wird dank einer stimmigen Zusammenarbeit zwischen Schnitt und Fotografie stattdessen von den Geistergehilfen Licos eingefangen, die eigentlich aus blassgeschminkten Männern in Tüchern gekleidet bestehen, im Schluss-Szenario aber wirkungsreich eingefangen werden, eben weil man nie zu lange einen Blick auf sie erhaschen darf. Ich wette Armando de Ossorio hat deren Auferstehung als Inspiration für die Auferstehung seiner untoten Tempelritter in „Die Nacht der reitenden Leichen“ gesehen, fängt Bava deren Erwachen doch recht ähnlich ein.
Eine herzensgute, wenn auch überraschungsarme, Geschichte trifft auf leichtes Grusel-Flair innerhalb einer eigentlich kunterbunten und theatralischen Fantasy-Geschichte, und wer über dieses Zusammentreffen etlicher Klischees und Stereotype lachen möchte, der soll dies ruhig tun, „Ercole al centro della terra“ (Originaltitel) läd bei einem voreingenommenen Publikum sicherlich dazu ein. Wer dem Werk jedoch eine richtige Chance gibt, wird mit einem wunderschönen Abenteuerfilm belohnt, der zwar kindlich naiv erzählt ist, aber eben nicht infantil, wie man fehlurteilen könnte. Bava und seine Mannen waren sich sehr wohl über das bewusst was sie da fertigstellten. Und das sollte nichts anderes als klassisches Kino auf den Fährten klassischer Theaterzutaten sein. Wer darüber lediglich lachen kann, hat den kulturellen Aspekt dieses Werkes nicht verstanden. OFDb
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