In den 70er Jahren wurde vom Geld der Gebührenzahler manch kleiner Leckerbissen finanziert, der nicht gerade zum damals üblichen Durchschnitt gehörten. Man wagte noch wahre Experimente, und einige davon waren im Bereich der Science Fiction zu Hause. Rainer Erler kreierte mit „Die Delegation“ den ersten Found Footage, viele Jahre vor „Nackt und zerfleischt“ und „The Blair Witch Project“, Dieter Hallervorden und Dieter Thomas Heck agierten in einer Zukunftsvision des Fernsehens namens „Das Millionenspiel“, bei welchem sich Stephen King später für den Roman „Menschenjagd“ ebenso fleißig bediente, wie die Verantwortlichen von „Running Man“, die Stephen Kings Geschichte zwar völlig anders verfilmten, dabei aber ebenso von der deutschen Fiktion der 70er Jahre klauten. „Welt am Draht“ sollte das Thema der „Matrix“ um Jahrzehnte vorwegnehmen und dabei wesentlich geistreicher vorgehen als die actionorientierte Nachahmung.
Auch „Die Insel der Krebse“ ist TV-produzierte Science Fiction. Zwischen ihr und den Vergleichsfilmen besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied: Gerhard Schmidts Werk ist bei weitem nicht so visionär ausgefallen wie die überraschend geglückten Vertreter dieser kleinen Welle an gewagten Projekten besagten Genres. Während die Autoren der Vergleichsfilme entweder geistreiche Bücher zur Vorlage hatten oder eigenen Weitblick bewiesen, indem sie die Gesellschaft der damaligen Gegenwart kritisch betrachteten, badet der Geist von „Die Insel der Krebse“ bereits im Massendenken von einst. Es wird über gesellschaftliche Modelle diskutiert, radikale Ansätze werden provoziert, und so wenig geistreich das massentaugliche Geschwätz zu Beginn wirken mag, wenn wir einer fingierten Talkshow beiwohnen, so sehr spiegelt sich diese mangelnde Intelligenz bereits im geplanten Experiment wieder, welches nie so ganz klar machen will, inwieweit man damit eine These beweisen mag, zumal besagte These höchstens beim ungebildeten Publikum ein interessiertes Staunen verursachen mag.
„Die Insel der Krebse“ ist in dieser Phase zwar durchaus interessant ausgefallen, schließlich weiß man noch nicht ob das dümmliche Geschwätz beabsichtigt so gehalten ist um Charaktere zu kreieren, oder ob dies die Mentalität des kompletten Streifens wiederspiegelt, im Laufe der Zeit merkt man aber, dass leider letztes der Fall ist, und aus Neugierde wird Enttäuschung. Die elektronischen Krebse mögen mit Retroblick sympathisch nostalgisch wirken, naiv muss das Ganze jedoch schon damals ausgesehen haben, und dies passt zur Grundhaltung des Streifens, welche ganz naiv auf den Geist des Durchschnittsbürgers schielt, in der Hoffnung dass zumindest dieser etwas Großes, Tiefsinniges in diesem Unsinn zu entdecken vermag.
Ich glaube kaum dass dies funktioniert hat, der Durchschnittsbürger von damals war gebildeter als jener von heute, und da „Die Insel der Krebse“ im Laufe der Zeit, im Gegensatz zu den Vergleichsfilmen, in Vergessenheit geraten ist, kann man wohl davon ausgehen, dass schon damals kaum wen Schmidts Film sonderlich interessiert haben mag. Zumindest habe ich im Gegensatz zu den bereits hier im Artikel erwähnten Filmen, oder aber auch im Vergleich zum lange auf DVD vermissten „Schach dem Roboter“, nie zuvor etwas von diesem Stück Naivst-Science Fiction gehört und war ganz erstaunt von dessen Existenz, als mich das Cover der DVD im Regal eines Mediamarktes anlächelte. Darauf zu sehen waren ohne große Geheimnisse daraus zu machen, die dusselig aussehenden Roboterkrebse, die ungemein an jenen aus dem vier Jahre später entstandenen „Zwei tolle Käfer räumen auf“ erinnerten. Ob Zehetgruber günstig bei den Requisiten des hier besprochenen Filmes eingekauft hat? Er hätte die Viecher lediglich rot färben müssen.
Wie auch immer: filmhistorisch ist dieses naive Stück Banalst-Science Fiction sicherlich interessant zu nennen. Und da es halbwegs zu unterhalten weiß und manch sympathisches Gesicht mit an Bord ist, kann man ihn bei ausgeschaltetem Gehirn auch sicherlich mal schauen. Aber dass man hier nichts wirklich Aufregendes geboten bekommt, sondern stattdessen lediglich die Massenmeinungen von damals bedient werden, teils mit esoterischen Mitteln, macht bereits deutlich dass man lieber intelligent gewesen wäre anstatt es wirklich zu sein. Und dass auch die Geschichte weit weniger vom Hocker reißt als sie zunächst scheint, beweist allerspätestens der Schlusskniff, der alles andere als überraschend ausgefallen ist, jedoch so dargeboten wird, als erwarte man nun, dass der Zuschauer nun weit über den Abspann hinweg noch staunend mit offener Kinnlade vor dem Fernseher sitzen bleibt und alles um sich herum vergessen würde. OFDb
Sie haben vergessen zu erwähnen, daß es eine literarische Vorlage gab, die über ihre berechtigte Kritik am Film erhaben ist.
AntwortenLöschenVergessen kann man nicht sagen, ich habe es schlichtweg nicht gewusst. Von daher danke für die Information. :)
LöschenWie auch immer. Die Kurzgeschichte von Anatolij Dnjeprow schon vor Jahrzehnten gelesen und befindet sich in meiner Sammlung. Nebenbei, die KG ist eine Klasse für sich.
AntwortenLöschenDas sich das ZDF dieser Story angenommen hat war für mich eine echte Überraschung zumal ich diesen Stoff für nicht verfilmbar hielt. Klar doch, dass ich mir die DVD gekauft habe.
Leider und warum auch immer, wurden gravierende Veränderungen vorgenommen.
So war nie eine Frau auf der Insel und der Schluss hat mit dem von Dnjeprow nichts mehr zu tun. Trotz allem, wenn man bedenkt, welcher Mist heutzutage bei ARD und ZDF produziert wird, so ist dieser Film schon ein Glanzstück.
Bedenkt man was auf dem selben Feld "Welt am Draht" und "Das Millionenspiel" ablieferten, finde ich Glanzstück definitiv zu hoch gegriffen für einen solch plump durchdachten Film innerhalb eines Science Fiction-Bereichs, der ganz im Gegenteil intelligent hätte ausfallen müssen.
LöschenIch fand den Film seinerzeit beeindruckend, und natürlich anschaulicher als das Buch. Doch irritierte mich im Film der Schluss. Der letzte und größte Krebs schien die Wissenschaftler zu hassen, so kam es diesen vor. Das fand ich auch plump, denn es schien nicht zu den Robot-Krebsen zu passen. Doch geht es hier - ich kam erst später darauf - in Wahrheit um das bekannte Phänomen vom "Geist in der Maschine". Genauer gesagt um den bösen Geist, bekannt aus unzähligen Religionen. Man kann IdK als einen genialen Hinweis darauf deuten, dass der böse Geist dieses Sujet quasi bevorzugt, und sich als böser Krebs gern zeigt, nicht nur im Körper. Die Religion UTR behauptet ja dass Krebse im Kosmos unsere Hauptfeinde sind.
AntwortenLöschen