25.08.2013

FLUCHT INS 23. JAHRHUNDERT (1976)

Eine gedankenfreie, dekadente Wohlstandsgesellschaft in der Zukunft, Belügen des Volkes zur Vertuschung eines üblen Geheimnisses, Gesellschaftskritik am Heute in einer Geschichte über das Morgen... das war alles im Science Fiction-Kino der 70er Jahre nichts neues, stattdessen geradezu typisch, und dafür liebe ich diese Zeit dieses Genres, hat es doch mit „Der Omega Mann“, „Westworld“, „Phase IV“, „Andromeda“ und vielen anderen Filmen ganz große Werke hervorgebracht, Werke die sich ernsthaft mit den Nöten der Gesellschaft, den Lügen der Privilegierten und den kommenden Problemen der Menschheit auseinandersetzten.

Die Blauäugigkeit vergangener Tage war längst überholt. Umweltsünden und anderweitige Nachteile verdrängten längst die Arroganz des in den 50er Jahren bis in die Tiefen der 60er Jahre gefeierten Siegeszuges der Technologie der Menschheit und dem Glauben damit irgendwann eine Art Utopia errichten zu können. Die Schattenseiten waren zu dominant, der Mensch musste sich der Wahrheit stellen, und dies machte das Jahrzehnt zu einem welches (zum Glück der Cineastenherzen) die ernüchterndsten und frustrierendsten Werke aller Zeiten ins Lichtspielhaus brachte. Die 80er Jahre mit ihren naiven Filmchen, denen der Unterhaltungswert wichtiger war, waren noch weit weg.

Allerdings nicht weit genug. Auch bei Werken des Science Fiction-Genres gab es erste Vertreter, die nicht ganz das Niveau ihrer Konkurrenz besaßen und Spezialeffekte und billige Aufhänger dafür nutzten ihre Geschichten naiver als nötig zu erzählen. Und dazu gehört neben „Die Körperfresser kommen“ und „Futureworld“ auch der recht früh auf dieser Bildfläche erschienende „Flucht ins 23. Jahrhundert“, der in seinem gesellschaftskritischem Aufhänger kaum mehr erzählt als die wesentlich besseren „Rollerball“ und „Jahr 2022... die überleben wollen“. Einzig die Thematisierung des Jugendwahns, der sich auch im Kino im Gegensatz zu den vorangegangenen Jahrzehnten immer mehr durchsetzte, war der individuelle Pluspunkt des Streifens. Und mag der Film auch nicht in die Schiene der anspruchsvollen Genre-Kost passen, die geradezu typisch für seine Entstehungszeit waren, auf schlichte Ebene weiß auch er zu unterhalten.

Aber auch eben nur das! Nachdenklich wird in dieser blauäugig erzählten Geschichte niemand. Aber „Logan‘s Run“ (Originaltitel) hat einige Pluspunkte auf seiner Seite. Neben dem eben erwähnten individuellen Aspekt wären dies außerdem die wenigen Szenen mit Peter Ustinov, der den einzig alten Mann in der Zukunft spielen darf, und die erschreckende Szene, in welcher Logan und seine Begleiterin die Wahrheit darüber erfahren, wo die erfolgreich Geflohenen in all den Jahren der Rebellion tatsächlich gelandet sind. Auch wenn diese Szene durch seinen Überraschungsgast, den ich an dieser Stelle nicht verraten werde, wieder auf eher verspielten Unterhaltungswert setzt, so wirkt die Idee hinter dieser Wahrheit doch sehr bitter und gehört damit zu den am besten funktionierenden Momenten des Filmes.

Aufgrund seiner sehr naiven Erzählung, in welcher vieles nicht zu Ende gedacht ist, Emotionen vor Logik gesetzt werden und einzelne Ausnahmeszenen vor dem Gang in die Zuflucht sogar Fremdschämen verursachen, funktioniert „Flucht ins 23. Jahrhundert“ nur in der Lightversion, schaut er sich doch wie eine Folge „Raumschiff Enterprise“ in besserer Kulisse, was für sich gesehen ja auch nichts schlechtes heißen muss, aber eben mit Blick auf die zur selben Zeit entstandenen Zukunftsvisionen einfach doch zu verärgern weiß. Ist dieses Manko aber mal akzeptiert und der Stolz des Zuschauers heruntergeschluckt, kann man Spaß mit dem von Michael Anderson inszenierten Film haben, jener Regisseur, der bereits 1956 eine Version der berühmten „1984“-Thematik fertig stellte und ein Jahr nach dem hier besprochenen Film mit „Orca, der Killerwal“ trotz naiverer Thematik als hier ein besseres Ergebnis erzielte.

Auch der Schluss der Geschichte, der deutlich positiver ausfällt als all die düsteren Visionen seiner Zeit, gehört zu den Höhepunkten des Filmes. Leider nahm sich Anderson zuvor für so viele Unnötigkeiten Zeit, dass er keine mehr hatte um das Ende sinnvoll einzuführen. So erleben wir den Weg zum finalen Ereignis im Schnellverfahren, womit dieses unglaubwürdig wird und die Ketten der Gesellschaft, die uns zuvor gezeigt wurden, zu einem wesentlich geringeren Problem werden als zuvor behauptet. Auf psychologischer Ebene funktioniert da gar nichts mehr. Der Schluss ist reines Gefühlskino.

Letztendlich beißt sich der Film mit diesem Fehler selbst in den Schwanz. Vertrödelte die im Film gezeigte Gesellschaft ihre kurze, wertvolle Zeit mit unnötiger, gedankenloser Dekadenz, so krankt der Film in seiner ersten Hälfte ebenfalls an unnötig erzählten Momenten, die rein des reißerischen Unterhaltungswertes integriert wurden, anstatt diese zu übergehen, um Zeit für den späteren Bereich des Streifens zu nutzen, in welchem man sie für Qualitäten und Glaubwürdigkeit hätte nutzen können, um am Ende cineastisch gesehen eine längere Lebensdauer zu erreichen. Denn durch sein ständig auf Quantitäten setzendes Konzept bleibt „Flucht ins 23. Jahrhundert“ in seinem Erstehungsjahr stecken und guckt sich damit keineswegs so zeitlos wie viele der in dieser Review genannten Vergleichsfilme.  OFDb