Eigentlich ist „Die Hexe“ ein Spuk-Horror nach klassischem Erzählmuster. Die Geister wurden lediglich gegen eine Hexe ausgetauscht, und Mitarbeiter der Kirche werden zum Zentrum anstatt zur Nebensache. Es ist ein Pfarrer selbst der mitsamt Familie in ein lebensgefährliches Haus zieht (gemeiner Weise ist sein neuer Arbeitsort aufgrund einer Alkoholkrankheit seine letzte Chance), und sein ebenfalls vor Ort neu eingesetzter Vorgesetzter übernimmt den nachforschenden Part zugeschrieben. Nebenbei ermittelt auch die Polizei, die dem Verdacht eines menschlichen Täters nachgeht, womit Spiritismus und Kriminalistik auf die richtigen Instanzen gesehen konsequent getrennt werden und dies überraschender Weise bis zum Schluss, ohne dass einer sich vom anderen eines besseren belehren lässt.
Die Ursache des Grauens befindet sich im See. Wir haben es theoretisch gesehen also nur bedingt mit einem Spukhaus zu tun. Die meisten Todesfälle finden jedoch in besagtem Haus statt, so dass der Unterschied eigentlich nur Blende und das Bestehen einer Trennung zum Spukhaus-Genre lediglich Kleinkrämerei wäre. Somit haben wir es auch diesbezüglich trotz diverser inhaltlicher Unterschiede noch immer mit einem klassischen Horrorstoff zu tun. Dass dieser nicht bereits zu seiner Entstehungszeit Anfang der 80er Jahre zu altbacken daher kommt, liegt an der damals recht modernen Umsetzung von Regisseur James W. Roberson, der es als Regisseur auf gerade einmal drei Filme gebracht hat.
Die durch „Freitag der 13.“ und Co ausgelöste Slasherwelle hinterlässt ihren Härtegrad auch in einem Spukwerk dieser Zeit. So wie die frühen Werke der Schlitzerfilme, so geht es auch hier seltener, aber dafür richtig blutig zur Sache. Höhepunkt der Goreszenen dürfte der „Arbeitsunfall“ mit einer Säge sein, aber auch die Mikrowellenszene, die uns den Film ziemlich zu Beginn schmackhaft macht, weiß dem Streifen einen besonderen Moment zu bescheren. Nicht jeder Spezialeffekt überzeugt auch heute noch, aber selbst die weniger gelungenen strahlen einen Charme aus, wie er nur durch handgemachte Effekte entstehen kann.
Überraschend charmant ist auch der Rest von „The Witch“ (Alternativtitel) ausgefallen. Zum einen hält Robersons Werk ein flottes Erzähl-Tempo in der an sich innovationsfreien Geschichte, zum anderen hat er ein Gefühl dafür den Streifen in eine stimmige Atmosphäre zu tauchen. Düstere Bilder, ein brummiger Grundton an vielen Stellen als Musikersatz - mit simplen Mitteln kleidet er „Superstition“ (Originaltitel) in ein unterhaltungsfreundliches Gewand, dem jegliche Trägheit eines „Amityville Horror“ und Co fehlt, womit die klassische Krankheit dieser Art Horrorfilm eliminiert wurde.
Da die agierende Hexe zudem optisch immer nur angedeutet wird, gibt der Regisseur den Film auch nicht all zu sehr der Lächerlichkeit preis. Nur wer zu streng auf die Klischees blickt wird diesbezüglich etwas zu schimpfen oder zu lachen finden, was ich persönlich als ungerecht empfinden würde, so liebevoll und geglückt man hier versucht hat einen stimmigen Genre-Beitrag auf die Beine zu stellen. Allein die Rückblicke ins 17. Jahrhundert sind trotz der offensichtlich herrschenden Geldknappheit sympathisch in Szene gesetzt worden.
Wer also mal wieder den kleinen, netten Horrorbeitrag für zwischendurch sichten möchte, und dabei in die frühen 80er Jahre abtauchen möchte ohne schon wieder zu einem Slasher a la „Forke des Todes“, „The Burning“ oder „Sleepaway Camp“ greifen zu müssen, der ist mit dem hier besprochenen Hexen-Horror eigentlich gut bedient. Ich habe zumindest weniger erwartet. „Die Hexe“ mag nicht wirklich gruseln, und spannend ist das Ganze aufgrund seiner Vorhersehbarkeit durch das Abarbeiten einer Standard-Story ebenfalls nicht ausgefallen, aber eine dichte, stimmige Atmosphäre ist durchaus vorhanden und ewiges Hinhalten steht schon mal gar nicht auf der Tagesordnung. „Die Hexe - The Witch“ (Alternativtitel) geht flott los, behält sein Tempo stets bei und verausgabt sich mit dieser Methode glücklicher Weise nicht zu früh, so wie es leider dem „Tanz der Teufel“-Remake „Evil Dead“ passiert ist. Im Gegensatz zu dem hat Robersons Werk aber auch ohnehin mehr zu bieten als nur die Aneinanderreihung von Gore-Effekten. OFDb
Nachtrag:
Fast fünf Jahre nach meiner ersten Sichtung, war eine Zweitsichtung ernüchternder Natur. Ich empfand "Die Hexe" als arg routiniert umgesetzt, zwar angereichert mit einigen nett anzusehenden Gore-Momenten, ganz besonders jenem mit der Säge, aber die angenehm dichte Atmosphäre, von der ich in der Besprechung so angetan war, habe ich überhaupt nicht mehr wahrgenommen. Stattdessen grenzte "Die Hexe" an den Bereich der Langeweile, wenn auch nicht frei von Sympathie inszeniert.
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