Wenn in einem Film ein Mann zu Man-Man wird, weil ihn der Biss eines radioaktiven Mannes die Kraft zweier Männer verliehen hat, oder Autos in einer Stadt voller Superhelden, die alle fliegen können, nur für das Einhalten des klassischen Stadtbildes überall herumstehen, dann befinden wir uns in der humoristischen Welt Moritz Stiebers, der uns mit „Ryoshi Shupigeru“ bereits eine Anime-Parodie und mit „The Wildlife Explorer“ bereits eine Zombie-Parodie beschert hat. Die Komik seiner Werke trifft ziemlich genau mein Humorempfinden, und deswegen bin ich großer Fan der Kurzfilme aus der Emuvies-Schmiede Stiebers, die zwar nie ganz den Amateurfilm-Bereich verlassen haben, in ihrer Umsetzung jedoch immer professioneller werden.
Ähnlich wie in „Wildlife Explorer“ haben wir es bei „Marville D.C.“ mit einer Fake-Doku zu tun, ein 17-Minüter der basierend auf einer Grundidee so viele miteinhergehende Ideen hineinpackt wie nur möglich. Die Möglichkeiten sind so unbegrenzt wie die Kräfte der Bewohner, ließe sich aus der geschaffenen Situation doch eine komplette Serie drehen, die weit über den Ideenreichtum eines „Eureka“ hinausgehen würde, eine Serie die bereits ab der vierten Staffel schwächelte.
Zwar ist es das Hauptanliegen des Streifens basierend auf der Superheldenkultur in Comic und Film spielfreudig albern herumzufrotzeln, aber die vielen liebenswerten Flachköpper die immer wieder eingestreut werden sollten nicht davon ablenken, dass der Humor Stiebers als durchaus geistreich zu bezeichnen ist. Wenn Herr Bermann die Probleme in der Stadt damit zusammenfasst, dass in einer Stadt voller besonderer Menschen niemand mehr besonders ist, dann darf es auch mal philosophisch werden. Auch kleine Anflüge von Gesellschaftskritik sind zu erkennen. Die Bürokratie bekommt ihr Fett ebenso ab wie die Unreife unserer heutigen Gesellschaft.
Letzteres ist kaum zu übersehen, besitzen doch alle Bewohner von Marville D.C., mit Ausnahme von Herrn Bermann, überdeutlich kindliche Charakterzüge, was schon ganz gut zu Menschen passt, die in kunterbunte Klamotten schlüpfen um sich gegenseitig ordentlich eins auf die Nase zu geben. Die durch einen Schriftzug zu Beginn mitgeteilte Vorgeschichte greift gar auf einen besonders interessanten Gedankengang aus „Kick-Ass 2“ zurück, in welchem die Frage aufgestellt wurde, ob erst das Erscheinen der Superhelden zu so viel Unglück führen konnte. In Stiebers Fantasy-Komödie setzt man darauf, dass es Superschurken nur deshalb gibt, weil die Anwesenheit von Superhelden ihre Existenz geradezu provokant heraufbeschworen hat.
Die Menschen hatten es satt zwischen den Kriegen der Superschurken gegen die Superhelden zu stehen. Wie die Welt vor der Gründung der Superheldenstadt ausgesehen hat, kann man sich ausmalen wenn man herrlich billig getrickst den Alltag in Marville D.C. miterleben darf. Zerstörungsfreude, kindische Kabbeleien und Größenwahn sind hier Selbstverständlichkeiten, wenn auch längst nicht mehr so freudig ausgelebt wie einst, denn das eingesperrte Leben unter seinesgleichen kann schon depressiv machen, manchen Helden gar in den Alkoholismus führen. Und allein dieser Ansatz kann ein Sinnbild für so vieles sein, aktuell gesehen sogar für eine Kritik an der derzeitigen Flüchtlingssituation. Inwieweit da was von Stieber gewollt ist oder nicht lässt sich so nicht erkennen, ergibt doch recht vieles im Film ein Sinnbild diverser ernster Probleme in der realen Welt, was aber wohl eher für die gute Beobachtungsgabe und den cleveren Humor Stiebers steht als für eine Absicht gezielt tiefgründig direkte Themen ansprechen zu wollen.
Die Schwäche am fertigen Film liegt in der Brillanz seiner Grundidee: vieles was vertieft gehört klingt nur kurz an. Stieber zeigt ein breites Spektrum an Möglichkeiten welche der Grundkern der Geschichte ermöglicht, kann aber keine davon zur vollkommen Befriedigung ausschöpfen. „Marville D.C.“ ist wie erwähnt einfach ein Stoff der in Serie gehört um ihm gerecht zu werden. Das können 17 Minuten beim besten Willen nicht auffangen. Vielleicht hätte man besser auf die Idee wie die Stadt zu ihrem Ende fand verzichten sollen, um sein Hauptaugenmerk auf nur angekratze Bereiche legen zu können. Andererseits gäbe es dann nicht diesen herrlich flachen Witz über den Unsichtbaren im Abspann zu lesen. Das wäre doch schade gewesen. Ebenso schade wie wenn es trotz berechtigter Kritik am Kurzfilm-Format den hier besprochenen Streifen nie gegeben hätte, der innerhalb seiner Möglichkeiten das beste aus einer Idee herausholt, die eigentlich nur grob überflogen wurde.
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