Nicht nur der Look und die fast schon stillstehende langsame Inszenierung von „A Girl Walks Home Alone at Night“ ist ungewöhnlich zu nennen, auch dass ein persischer Film, Farsi gesprochen und mit iranischer Mentalität versehen, komplett unter amerikanischer Finanzierung entstand ist sonderbar. Dementsprechend ist der Film von Ana Lily Amirpour, den Elijah Woods mitproduziert hat, überall stets als amerikanischer Film gelistet. Das liest sich sonderbar, und spätestens wenn man die in einem Tschador gekleidete Frau sichtet blendet man das Herstellungsland auch komplett weg. Das hier besprochene Vampir-Drama mag ein moderner Film sein, dennoch ist er durch und durch ein persischer.
Wie einst „The Addiction“ und „Nadja“ in Schwarz/Weiß gehalten, weiß der Verzicht auf Farbe auch in diesem Vampirfilm zu wirken und kleidet „A Girl Walks Home Alone at Night“ mit seinen stilvoll fotografierten Bildern in ein künstlerisch wertvolles Gewandt. Der hypnotisch stille Inszenierungsstil sorgt für die angenehm triste Stimmung. Erzählt wird ein Drama, in welchem es fast schon egal ist ob ein Vampir in der Geschichte auftaucht oder nicht. Bis auf ihren Blutdurst und der spitzen Zähne unterscheidet sich die Blutsaugerin nicht nennenswert von den anderen hier anzutreffenden Personen. Sie ist ebenso verwirrt wie diese, feststeckend in einem Zustand zwischen Gut und Böse, desillusioniert lebend in einer kaputten und korrupten Welt, in der es mehr Elend als Freude zu geben scheint.
Während sie dies, trotz ihrer depressiv durchschimmernden Art, fast schon gleichgültig werden lässt, ist die männliche Hauptfigur schon frustrierter gezeichnet. Die versucht zwar immer ihrer Rolle als harter Mann gerecht zu werden, so wie es der heruntergekommene Wohnort von einem verlangt um hier überleben zu können, aber die seelischen Wunden brechen durch. Der junge Mann ahnt nicht, dass seine neue Bekanntschaft ein Vampir ist. Er weiß nur dass sie einiges auf dem Kerbholz hat, hat er sie doch das erste Mal gesichtet als sie aus dem Haus des frisch verstorbenen Dealers heraus kam, der anbei die einzige Figur im Film ist die komplett böse charakterisiert wird.
Vielleicht bleibt es Interpretationssache, aber ich hatte den Eindruck dass der zentrale Anti-Held bis zum Schluss nicht weiß was die junge Frau ist, zu der er sich instinktiv, ohne etwas von ihr zu wissen, hingezogen fühlt. Wahrscheinlich ist es auch nicht wichtig, der Vampir beißt nicht wahllos, handelt stets zweckmäßig, in Gefahr befindet sich ihr neuer Verbündeter somit nicht. Beide tun sich gut. Die reine Anwesenheit des jeweils anderen reicht bereits dafür aus. Zärtlichkeit braucht nur in harmloser Form aufzutreten, um der Seele in einem gefühlskalten Ort wie Bad City neue Kraft und Mut zu schenken.
Der Name der Stadt ist das einzige was dem Streifen einen kleinen Comic-Look beschert. Der sehr ernste und erwachsene Film besitzt ansonsten keine Popkorn-Elemente oder irgendwelche Übertreibungen, die ihn in eine Art Parallelwelt katapultieren. Nicht einmal das Skateboard, das im Covertext suggerieren soll es mit der Vampirin mit einer schrägen Filmfigur zu tun haben zu sollen, ist von Bedeutung und wird von der Blutsaugerin nur kurz benutzt, ohne dass der Vampir dadurch schräg oder schrill wirkt. Das ist alles in sofern interessant, als dass der Film nicht nur auf dem gleichnamigen Kurzfilm der Regisseurin beruht, sondern auch auf einem Comic. Dennoch spielt „A Girl Walks Home Alone at Night“ von der Anwesenheit eines Vampirs einmal abgesehen in der Realität. Er spielt in einer tristen Realität und ist dementsprechend aus einem solchen Blickwinkel erzählt, so dass die Wirklichkeit trotzdem fremdartig wirkt. Aber selbst das persische Flair verfremdelt das Gezeigte nicht all zu sehr für die Augen der von christlichen Ländern geprägten Zuschauer.
Interessant finde ich es wie Amirpour den Vampir in Szene setzt. Ihr Auftauchen nachts, gekleidet in diesem Tschador, verleiht ihr eine düstere Mystik. Bedrohlich sieht sie aus und nicht unterdrückt, wie europäische Augen eine so gekleidete Frau gerne interpretieren. In Nahaufnahmen wirkt sie jedoch lediglich wie eine frustrierte, strenge Frau, hübsch anzuschauen, glaubwürdig in Szene gesetzt, so dass man versteht dass Männer ihr verfallen können. Dass sie in diesen Momenten keine unheimliche Aura ausstrahlt ist egal. Es gibt dem vorherigen Erscheinungsbild aus der Ferne keinen Abbruch. Der Vampir ist optisch beides was der Film und die in ihm enthaltenen Figuren ohnehin verkörpern und auch das was der Verzicht auf Farbe uns deutlich machen soll. Das Schwarz und Weiß steckt in uns allen. Frust, Wut und Trauer beherrschen den Alltag. Ein Streicheln über die Wange kann da schon einiges ändern. Diese Zärtlichkeit haben Menschen auch dann verdient, wenn sie hin und wieder schlimme Dinge tun. „A Girl Walks Home Alone at Night“ ist Horror und Drama, seine Helden sind gut und böse, sein Bild ist schwarz und weiß. OFDb
Ich liebe die visuelle Ästhetik des Films, die in Kombination mit ein paar wunderbar musikalisch unterlegten Szenen (der Tanz im Zimmer mit der Discokugel an der Decke) eine traumwandlerische Atmosphäre erzeugt. Und S/W Optik kann ich ja eh immer etwas abgewinnen.
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