„Das große Rennen von Belleville“ ist inszenatorisch wahrlich ein Liebhaberstück. Nicht nur dass der schön anzusehende Film rein optisch nahezu fehlerfrei umgesetzt ist, hinter der beeindruckenden, wie liebevollen Animation steckt zudem ein geistreicher Stil, der gekonnt Stereotype Frankreichs in grotesken Übertreibungen treffsicher persifliert, mit älteren Filmdekaden und deren Stilmitteln spielt, psychologisch durchdacht ist von der Farbsetzung her, über seine Figuren hinaus bedacht (das Eisenbahn-Trauma des Hundes aus seiner Kindheit und die Sichtweise wie der Vierbeiner über welche Dinge träumt), bis hin zu intelligent durchdachten Situationen, die stets einen Teil Gesellschaftskritik beinhalten, jedoch nicht ohne auch Sympathie für die Kultur und ihre Menschen zu versprühen.
Zudem kommt „Les Triplettes de Belleville“ (Originaltitel) fast wortlos daher, so dass er mit seinem wenigen Text selbst in der Originalversion zu verstehen sein müsste. Sein über die Zeichnungen vermittelter Humor und Inhalt erfordert auf der anderen Seite jedoch eine hohe Aufmerksamkeitsspanne vom Zuschauer, wird diesem doch nicht alles auf dem silbernen Tablett serviert und so lange alles erklärt bis er es begreift, sondern wird von ihm doch erwartet dass er Rückschlüsse ziehen kann und Anspielungen versteht.
Das komplette Konzept und ihre Umsetzung sind so erwachsen wie lobenswert ausgefallen und zeigen einmal mehr auf wieviel mehr Potential in einem Zeichentrickfilm steckt, als es die Produktionen der Studios Disney, Pixar, Dreamworks und Co wahr haben wollen. „Das große Rennen von Belleville“ besitzt neben seiner künstlerich wertvollen Nische ein eigenes europäisches, ja sogar eigenes französisches Flair, so dass er weder mit amerikanischen noch mit asiatischen Animationswerken oder den poppigen Produktionen Deutschlands zu vergleichen wäre. Sylvain Chomets Film schwankt zwischen subtil und durch groteske Übertreibung gar nicht subtil, zwischen feinzeichnerisch angegangen und zwischen durch Übertreibung monströs anzumutende Stereotype. „Das große Rennen von Belleville“ vereint das alles in einem stimmigen und erfrischend intelektuellen Grundton, ohne damit ein Film der Widersprüche zu werden.
Allerdings kann ich ihn bei aller Liebe nicht mit so großartigen Filmen wie „Persepolis“ und „Mary und Max“ (zugegeben ein Stop Motion-Film) auf eine Stufe stellen, gibt es doch einen kleinen Makel, der das Kunstwerk unterhaltungstechnisch in meinen Augen schwanken lässt. Mögen es andere auch anders sehen, aber der hier vorgesetzte Stil eignet sich meiner Meinung nach eher für die Umsetzung von Kurzfilmen, wird „Das große Rennen von Belleville“ trotz seiner zahlreichen Ideen, seiner phantasievollen Umsetzung und seiner durchdachten Art doch mit der Zeit recht anstrengend zu gucken.
Man will ihn zu Ende sehen, allein schon weil man glaubt es dem Film, bei all der Liebe und Professionalität mit der er umgesetzt wurde, zu schulden. Aber es wäre unehrlich die zu lange Laufzeit für diese Art Umsetzung und das was sie dadurch in mir auslöste, aufgrund der umwerfenden Pluspunkte unter den Teppich zu kehren. Ich habe „Das große Rennen von Belleville“ erst in zwei Anläufen geschafft, da ich eine Pause benötigte und selbst halbiert war dies ein anstrengendes Unterfangen. Und mag das auch ein Minuspunkt sein, den die meisten Cineasten mir anstatt dem Film ankreiden würden, so muss ich aus meiner Sicht doch konsequent bleiben und die theoretische Empfehlung schmälern und kann deswegen nur unter Vorbehalt schwärmen. Aber damit sieht man zumindest, dass selbst das Schimpfen über diesen Film nicht stattfinden kann ohne gleichzeitig von ihm zu schwärmen. OFDb
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