Ohne die 7 vorangegangenen Teile der Lemmy Caution-Reihe zu kennen, die 1953 mit „Im Banne des blonden Satans“ ihren Anfang nahm und 1965 mit dem hier besprochenen Science Fiction endete, wagte ich mich an den unter Cineasten sehr verehrten „Alphaville“ heran, der von Kult-Regisseur Jean-Luc Godard umgesetzt wurde, und der mir in früheren Jahren nicht sonderlich zugesagt hatte. Genervt von der Computerstimme des Alpha 60 schaltete ich in ignoranteren Zeiten vorzeitig aus, ohne dem Film eine echte Chance zu geben. Seit Jahren schon liebäugelte ich mit einer Zweitsichtung, nachdem ich die Huldigungen aus Fan-Kreisen Intellektueller entnahm.
Und ja, sie haben recht. Was sich wie eine olle, kleine, sympathische „Raumschiff Enterprise“-Folge anhört ist keinesfalls so naiv und kunterbunt ausgefallen wie man es dort vorgefunden hätte. In meist im Dunkeln gehaltenen Schwarz-Weiß-Bildern erzählt Godard seine Geschichte auf sehr trockene, nüchterne Art, vieles nur andeutend, da der gute Mann vom Mitdenken des Zuschauers ausging. Er zeigt uns eine Welt, welche der modernen von BWLern zerstörten Gegenwart Deutschlands trauriger Weise gar nicht unähnlich ist, und welche unter ähnlicher Motivation und Begründung geschaffen wurde wie der totalitäre Staat in Alphaville.
„Lemmy Caution gegen Alpha 60“ (Alternativtitel) lebt neben seinen Schattenspielen in Schwarz/Weiß hauptsächlich von seinem Spiel mit den Gegensätzen. Was sehr direkt mit zwei des öfteren eingeblendeten gegensätzlichen physikalischen Formeln aufgezeigt wird, erweist sich in anderen Punkten als versteckteres Anliegen. Stilistisch erkennt man das Spiel der Gegensätze an dem Umgang die Zukunftsstory in gewöhnlichen Kulissen spielen zu lassen, die so gar nichts futuristisches, geschweige denn Schrilles oder Buntes vorzuweisen haben. Auf inhaltlicher Ebene sind es die philosophischen Ansätze, die von Widersprüchen und Gegenteilen leben.
So dezemiert Alpha 60 jeglichen Fakt der Logik wegen auf den kleinsten Nenner, bis er völlig unlogisch argumentiert, wohingegen Caution, und mit ihm Regisseur und Autor Godard, die Emotionen und das Chaos des Seins nicht nur zu lebenswerten Faktoren erklärt, sondern zu einer Logik im System des Lebens. Extreme heben ihre grundlegende Eigenschaft auf und verwandeln sich in das Gegenteil. Gefühl und Philosophie werden zu notwendigen Ist-Zuständen, Logik wird irrational und damit zum Irrtum.
Die Unterdrückung des Menschlichen für den technischen Fortschritt wird dabei kritisiert, nicht aber die Technik an sich. Die Wissenschaft hingegen wird eher dämonisiert und als ein Übel betrachtet, anstatt jene zu verurteilen, welche die Ergebnisse der Wissenschaft für ihre Zwecke missbrauchen. Diese Filmaussage, die sich ebenfalls eines Gegensatzes bedient, muss man nicht teilen, um Gefallen an dem sehr verkopften „Tarzan vs. IBM“ (Alternativtitel) zu haben, zumal sie eine zur Diskussion anregende ist, die ich persönlich anzweifel.
Da aber ohnehin der Weg zu dieser Erkenntnis das Ziel ist, und dieser gespiekt ist aus philosophischen wie poetischen Diskussionen, kann man gar nicht anders als diesen emotionslosen Appell auf die Emotionen (hui, schon wieder ein beabsichtigter Gegensatz) in sein Cineasten-Herz zu schließen, so hochinteressant wie seine Thematik ist, so technisch kühl und brillant er umgesetzt ist und so ungewöhnlich die Atmosphäre ist, die aus der eigentlich unterhaltungsfeindlichen Vorgehensweise gewonnen wird. „Alphaville“ ist intellektuelles Kino in Reinform, und schließt somit alle aus, die lediglich unterhalten werden wollen. OFDb
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