16.10.2016

DER LEICHENGIESSER (1971)

Bei der Idee eines Künstlers, der Menschen für seine Werke opfert, musste ich unweigerlich an „Das Wachsfigurenkabinett des Grauens“ und an „Das Vermächtnis des Professor Bondi“ denken, die beide mit ähnlichen Ideen spielten. Interessanter Weise bildet die Idee der in Bronzestatuen verstorbenen Modells lediglich die historische Grundlage der Ereignisse, die in „Der Leichengießer“ die Geschehnisse der Gegenwart bestimmen. Nichts ist wirklich klar. Der Künstler ist ein Exzentriker und Lustmolch, aber ist er deshalb gleich wahnsinnig? Die Morde von einst könnte auch sein treuer, harmlos scheinender Helfer begangen haben. Nur eines ist klar: Victor verhält sich wie ein Arschloch, und im Schatten aller vordergründigen Geschehnisse geht ein Killer um, dessen Taten lediglich dem Publikum bekannt sind. Leichen werden lange Zeit nicht aufgefunden, Personen nicht vermisst.

Im Gegensatz zu manchem Slasherbeitrag der 80er Jahre und danach bleibt dieser Umstand in „Der Leichengießer“ zumindest nachvollziehbar und wirft keine Lücken auf, die es zu schließen gilt. Trotz einiger Parallelen im Vorgehen der Killer ist die einzige Regiearbeit Ted Hookers auch kein Vorläufer der damals noch zukünftigen Slasherwelle, in der es hauptsächlich Teenagern an den Kragen gehen sollte. Eine größere Verwandschaft weist da schon eher die frisch durch Argentos „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ entfachte italienische Giallo-Welle auf, die in England nur selten versucht wurde zu kopieren, was aber hin und wieder vorkam, z.B. mit „Fröhliche Weihnacht“.

Oder eben mit dem hier besprochenen „The Crucible of Terror“ (Originaltitel), der jedoch nie so ganz zu dieser Gattung Film dazugehören will, mehr als zum Slasher, aber eben doch keine reine Britenversion des Giallo. Dafür vermischt der Autor zu sehr klassischen europäischen Grusel mit der damals noch recht modernen Killervariante, was sich trotz früher Andeutungen erst mit der zur wirr geratenen Täterauflösung zeigt, die rückblickend die Geschehnisse ein wenig anders aussehen lässt als zunächst geglaubt. Dies geschieht zwar nicht auf eine geniale, alles revidierende Art, der Zuschauer wird trotzdem gekonnt getäuscht innerhalb einer Inszenierung, der scheinbare Banalitäten wichtiger scheinen als der wahre Horrorgehalt.

Fälschlicher Weise könnte man meinen „Der Leichengießer“ wäre ein Horrorfilm des Hinhaltens, eine Methode die gerade im Entstehungsjahrzehnt keine Seltenheit im besagten Genre war. Aber nicht nur dass Banalitäten zu Wichtigkeiten werden, auch das ewig unterschwellige Brodeln, dieses Gefühl dass jeden Moment etwas Schreckliches geschehen kann, beherrscht die Grundatmosphäre des Streifens, so dass sich das oftmals zu gewollte Treiben an der Oberfläche interessanter guckt als es dies eigentlich ist.

Ted Hooker übertreibt sein Spiel mit der optischen Wirkung Mike Ravens in der Rolle des Victors zu sehr. Zu extrem möchte er einen Vincent Price aus Raven machen. Zu sehr drängt er die Präsenz des Zwielichtigen dem Zuschauer auf, dessen Mystik allein durch sein stets lüsternes Verhalten bereits von ganz alleine bröckelt, anstatt dessen Bedrohlichkeit durch diese Begierde zu steigern. Es ist der Grundton, der solche Fehler egal sein lässt, wenn auch nur dann wenn man es spürt, dieses Brodeln unter der Oberfläche, das ich eher für Zufall als für eine wahre gekonnte Inszenierung des Regisseurs halte.

Dem ist trotz dieses Pluspunktes kein Meisterwerk geglückt. Dafür wirkt alles Geschehene dann doch zu willkürlich, die Auflösung zu weit hergegriffen und zu wenig erklärt und das lange Treiben an der Oberfläche zu banal. Dennoch sind es gerade diese scheinbaren Fehler, die „Der Leichengießer“ das gewisse Etwas bescheren und zu einem solch schrulligen Werk seiner Zeit werden lässt, etwas das eben nur jene Cineasten für sich entdecken können, die immer etwas neben der Spur der Masse wandern und Elemente aus Filmen herausziehen, die dem Durchschnittszuschauer egal sind.  OFDb

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