30.04.2017

EIN KÖDER FÜR DIE BESTIE (1962)

Kap der Angst“ ist ein wahrlich gutes Remake, und gerne wird behauptet dass es eine seiner Stärken wäre den Figuren in Sachen Legalität mehr Graustufen zu bescheren, sprich Gut und Böse nicht so sauber zu trennen wie das Original. Dabei wird gerne übersehen dass „Ein Köder für die Bestie“ diesbezüglich lediglich wesentlich subtiler vorgeht und auch Sam Bowden vom ersten Tag an kein reiner Saubermann ist. Von Anfang an nutzt er das System für seine Sache, so wie es umgekehrt Cady tut. Der Film lebt hintergründig von dieser Spiegelung, man muss sie nur entdecken. Es ist diese Herangehensweise und manche inhaltliche Veränderung des Remakes, welche das Original im Vergleich glaubwürdiger und damit wirkungsreicher erscheinen lässt, so dass man wahrlich über beide Versionen nicht meckern kann.

Cady ist eine Gefahr. Daran lässt J. Lee Thompson von Anfang an nicht zweifeln. Die bedrohliche Filmmusik unterstreicht diesen Eindruck. Cadys deutliche Anspielungen lassen keine andere Deutung zu. Er wird tätig werden. Immer wieder wird von ihm wie ein Tier gesprochen, und wenn man mit der Zeit erleben darf wie er eine junge Frau zurichtet, dann kann man dem fast zustimmen. Da passt es ganz gut zu besagter Bezeichnung, dass Cady immer wie ein Tier um Bowden herumschleicht. Stets wartet er auf die richtige Gelegenheit. Und wenn die Stunde für Cady Richtung Finale geschlagen scheint, dann taucht er zunächst mit tierischer Bewegung ins Wasser, um sich darauf hin wie ein Krokodil, einzig den Kopf aus dem Gewässer ragend, dem Ziel zu nähern.

Trotz dieses hammerartigen Vergleiches kommt „Ein Köder für die Bestie“ keines Falls vorverurteilend mit bitterem Schwarz/Weiß-Denken daher. Wie erwähnt ist Bowden nicht das unschuldige Lämmchen, welches Kenner des Remakes im Original aus ihm machen möchten. Dennoch wird er zur Identifikationsfigur, und da Thompson sehr gekonnt die Spannungsschraube andreht, kann man gar nicht anders. Bowden erlebt Psychoterror vom feinsten, und wir verstehen seine Verzweiflung illegal handeln zu wollen, selbst wenn wir sie nicht gut heißen.

Ich war überrascht, dass „Cape Fear“ (Originaltitel) in seiner Erstverfilmung weit weniger sanft daher kommt, als ich es ihm für seine Entstehungszeit zugetraut hätte. Das fällt ganz besonders im Umgang mit der Pädophilen-Thematik auf, die jeden Familienvater aufschrecken lassen würde. Im hier besprochenen Film wird sie gar wichtiger als in der Neuverfilmung, und das beschert „Ein Köder für die Bestie“ endgültig einen düsteren Schleier, der es unmöglich macht nicht vom Stoff gepackt zu werden. Selten war die Form der Bedrohung so deutlich. Sie ist offensichtlich und gleichzeitig nicht zu verhindern. Sie klagt das Rechtssystem an und nimmt es gleichzeitig in Schutz, eben weil das System keinen Wert mehr besitzen würde, wenn wir es dort aushebeln würden, wo es Bowden von Vorteil wäre.

„The Executioners“ (Alternativtitel) ist sich dieser und vieler anderer Elemente seiner Story bewusst. Er benennt sie nicht nur, er arbeitet mit ihnen und beweist auf diese Art wie intelligent er ausgefallen ist. Glaubwürdige Figuren bis in die kleinste Rolle, ein Spannungsbogen der sich sehen lassen kann, eine Geschichte mit der sich jeder identifiziert bekommt und das ganze in stimmige Schwarz/Weiß-Bilder eingefangen, so mag klassisches Kino zu gefallen, gerade wenn es sich weit moderner guckt als vermutet. „Ein Köder für die Bestie“ funktioniert nicht nostalgisch augenzwinkernd, theoretisch verstehend was einst gemeint war. Er ist wie ein Schlag ins Gesicht, wuchtig in seiner Wirkung, ein echtes Liebhaberstück - und in seiner Glaubwürdigkeit dem sehr guten, aber an mancher Stelle zu konstruiert ausgefallenem Remake, eine Nasenlänge voraus.  OFDb

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