„Über den Dächern von Nizza" - viel klassischer kann das vergangene Kino der 50er Jahre wohl kaum ausfallen. Wir haben hier einen smarten Helden mit zwielichtiger Vergangenheit, wir haben eine blonde, junge Frau, die ihn anhimmelt, ihm aber auch misstraut, wir haben allerhand doppeldeutige Anspielungen, die dennoch brav und rein daher kommen, und wir wohnen gestellten Liebeleien bei, die es so im wahren Leben nie geben würde, die auf dem Bildschirm aber bezaubernd wie eh und je daher kommen. Kabbeleien zwischen Mann und Frau gehören ebenso zum Rezept wie Verwechslungen, Klunker und reiche Damen. Und da der Held trotz seiner Vergangenheit ein Gentleman ist, ist das Ganze zudem stilvoll abgefilmt, von Regie-Profi Alfred Hitchcock, der zwar eher in ernsteren Genres unterwegs war, mit Werken wie diesem hier aber immer wieder auch mal bewies dass er auch anders kann.
Ich weiß nun nach der dritten Sichtung eines Cary Grant-Filmes noch immer nicht was ich von ihm als Schauspieler halten soll, ein großes Talent strahlt mich da nicht an, der gute Mann weiß aber wieder einmal zu wirken, vielleicht nicht so gut wie es manche Konkurrenz vergangener Tage getan hätte, aber gut genug um in der Rolle des Gentleman-Diebes zu überzeugen. Damit ist ein wichtiger Baustein des Filmes erfüllt. Grace Kelly weiß den weiblichen Gegenpart mit ihrer süßen, sanft-biestigen Ausstrahlung ein wenig besser zu erfüllen, hat aber keine herausfordernde Rolle ergattert, so dass sie ihre Rolle mit Leichtigkeit erfüllt. Das passt recht gut zum Inszenierungsstil Hitchcocks, schaut sich „To Catch a Thief“ (Originaltitel) doch ohnehin sehr leichtfüßig, so sehr sogar, dass ich in ihm keinen Thriller erkennen kann, ein Genre welches der Streifen hin und wieder angeheftet bekommt.
„Über den Dächern von Nizza“ weiß in seiner ur-klassischen Art als das zu funktionieren, was er sein will: als romantische Gaunerkomödie, aufgrund der Geschichte den Bereich des Kriminalfilms streifend, aber da dieser viel zu augenzwinkernd angegangen wird, kann er nicht zum vordergründigen Genre des Streifens gezählt werden.
Man erkennt selbst mit dem angestaubten Blick von heute, dass der Film einst großes Kino war, mit all den Stärken und Schwächen die dazu gehörten. Realismus muss hier niemand suchen, ebenso wenig wie kritischen Umgang mit der High Society oder anderen Elementen der Gesellschaft. Im Gegenzug besitzt „Über den Dächern von Nizza“ aber auch keine Scham. Doppeldeutigkeiten, die Aufnahme in den Ausschnitt einer reichen Dame, der gar zum Zentrum einer Casino-Szene wird: Hitchcock klagt weder an, noch hält er sich bedeckt. Was er erzählt wirkt für die damalige Zeit teilweise gar provokant, wenn auch immer die Grenze zum Erlaubten einhaltend.
Inmitten dieses fürs Kino stets inszeniert wirkende Szenario schleicht sich zumindest immer dann ein Hauch Realität ein, wenn wir die französische Polizei stets in ihrer Landessprache ermitteln hören. In solchen Momenten wird in der von mir gesichteten Fassung im Originalton mit deutschen Untertiteln dem Zuschauer keine Übersetzung gewährt. Durch das fehlende Einblenden englischer Untertitel scheint dies auch für die Amerikaner zu gelten, und diese Entscheidung finde ich sehr gut, zumal viele andere Filme genau in diesem Punkt unglaubwürdig werden. Dass der Reststreifen eher Kino pur ist, und somit nichts mit dem wahren Leben zu tun hat, ist jedoch gut so, denn genau auf diese Art versprüht der Film seine Magie, die auch mich zu packen wusste. „Über den Dächern von Nizza“ mag ein wenig Anlaufzeit benötigen, bis er zu gefallen weiß, aber der Moment kommt, und von da an ist man seinem Charme verfallen - bishin zum himmlischen finalen Kuss, der inmitten veralteter Kino-Klischees süßer wohl kaum einzufangen ist. OFDb
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