„10 Lane Cloverfield“ bietet weder das Found Footage-Verfahren des Kino-Hits „Cloverfield“, noch dessen Monster. Hinter dieser Nicht-wirklich-Fortsetzung steckt die Idee des Produzenten J.J. Abrams eine Art lose Reihe leicht verwandter Szenarien miteinander zu verbinden, vielleicht vergleichbar mit John Carpenters in den 80er Jahren gescheiterter Idee mit „Halloween 3“ jährlich immer wieder andere Horrorgeschichten innerhalb der mit Michael Myers gestarteten „Halloween“-Reihe herauszubringen.
Das Werk, in welchem Spielfilm-Neuling Dan Trachtenberg die Regie übernahm, mag somit vom Titel her eine Art Schwindel sein um mehr Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, dies wird jedoch nicht für einen Film unter Wert durchgezogen, denn „10 Lane Cloverfield“ kann sich wahrlich sehen lassen. Als jemandem den bereits das Plakat zum Film gefallen hat, hat es mich gefreut, dass die Idee der dort angewandten Schriftgrafik auch im Vor- und Abspann eingesetzt wird. Und die Ausgangssituation des Films klang mit einem John Goodman in der Hauptrolle ebenfalls reizvoll. Ich bin somit recht guter Dinge an „The Cellar“ (Alternativtitel) herangegangen und war während des Sichtens dementsprechend glücklich solch ein gelungenes Stück Kammerspiel vorzufinden, das wahrlich keine Wünsche offen lässt.
Vielleicht mag der Beginn etwas unnötig oberflächlich inszeniert sein, da wir da aber nur von wenigen Minuten sprechen, bevor Michelle im Bunker erwachen darf, ist der maue Anfang auch nicht der Rede wert, zumal er uns eine Charaktereigenschaft Michelles offenbart, die noch wichtig wird und auch für das Schlussbild des Streifens von Bedeutung ist. Trachtenberg bindet einen ohne Wenn und Aber an Michelle. Es ist sie, durch die wir das Treiben im Film erleben, es ist ihre Perspektive der Dinge, welche die Geschehnisse beeinflusst. Mögen wir auch manches Mal an ihrem Denken und ihrem Tun zweifeln, am Ende gibt es ohnehin kaum eine Szene, in welcher sie nicht zu sehen ist. Sie ist die Identifikationsfigur, mit ihr müssen wir durch die Grundsituation durch.
Welcher Dinge diese Situation ist, bekommen wir dementsprechend vor Michelle nicht heraus. Wir wissen immer nur so viel wie sie selbst weiß. Diverse Ereignisse scheinen Beweise für eine Lüge zu sein, andere Ereignisse scheinen die Geschichte um eine unbewohnbare Erdoberfläche zu bewahrheiten. Ebenso ergeht es die Frage um den Charakter Howards. Klare Beweise zeigen seine Hilfsbereitschaft und seine Ehrlichkeit, Indizien deuten jedoch eine zusätzliche Seite des undurchschaubaren Mannes an. Handelt es sich hierbei um eine Wahrheit die parallel neben einer anderen Wahrheit existiert, immerhin können positive Charaktereigenschaften neben negativen co-existieren, oder ist es ein durch den Wunsch nach Freiheit hervorgerufenes Hineinsteigern in Fehlschlüsse nur scheinbarer Fakten was Michelle an ihm zweifeln lässt?
Durch den langsamen und nüchternen Stil, mit dem Trachenberg seinen Film erzählt, erreicht der Regisseur einen Spannungsbogen, der fast rein über Dialoge aufrecht erhalten wird. Die Anwesenheit einer dritten Person verhindert das zu starre Schwarz/Weiß-Denken Michelles. Durch diese Person wird das Treiben im Bunker erst wirklich realistisch und verhindert, dass wir zu extrem in die „Howard ist ein Psychopath“-Richtung denken. Somit verhindert er auch, dass „Valencia“ (Alternativtitel) überhaupt zu sehr in die „vom Psychopathen gefangen gehalten“-Richtung gedrängt wird, mit welcher „10 Cloverfield Lane“ zu viel von seiner Individualität eingebüßt hätte.
Die Geschehnisse von „10 Cloverfield Lane“ lassen sich tatsächlich nicht vorher sagen. Der spannende Genre-Mix aus Thriller, Drama und möglichem Science Fiction bleibt immer auf einem interessant erzählten Hoch. Nie geben die Verantwortlichen der Geschichte dem Zuschauer die Gewissheit sich auf etwas verlassen zu können. Gleichzeitig ist der Plot um die Eingeschlossenen abwechslungsreich genug erzählt, um die Geschichte nicht auf der Stelle treten zu lassen. Und Howards ungewöhnliches, fast unberechenbar scheinendes, Verhalten sorgt für eine unterschwellige Unruhe, bei der man immer das Gefühl hat, dass da bald etwas aufkocht, immer auf die Explosion wartend.
Das schwer einzuordnende, sehr konservativ gehaltene Verhalten Howards, welches einen Gegenpol zum eher alltäglich lockeren Verhalten von Michelle und Emmett bildet, sorgt nicht nur für besagte Spannungskurve und ist nicht nur der Glaubwürdigkeit wegen von Nutzen, wenn es um die Frage geht wer für Fälle wie diesen einen solchen Bunker bauen und/oder missbrauchen würde, es wird von den Verantwortlichen des Streifens glücklicher Weise auch dafür genutzt philosophische Fragen am Rande aufzuwerfen, mit denen sich der Zuschauer entweder beschäftigen kann oder auch nicht.
Bin ich es dem Hausherr aus Dankbarkeit schuldig, mich seinen Lebensgewohnheiten anzupassen, wenn dieser mir das Leben gerettet hat und mir gewährt mit ihm auf engstem Raum zu leben, während die ganze Welt vor die Hunde gegangen ist? Kann ich meinem Freiheitsdrang nachgehen, der bedeutet mich gegen jene Person zu stellen, der ich mein Leben zu verdanken habe? Wo fängt das Recht auf das Individuum an, wo hört es auf? Wie viel ist es wert gerettet zu werden? Schließlich ist Leben Leben, und ohne Howard hätte Michelle ihres nicht mehr. Die ganzen Fragen fußen schließlich zudem lediglich nur auf Annahmen darüber, dass mit Howard etwas nicht stimmen würde. Sich mürrisch, wunderlich und bestimmend verhalten ist immerhin kein Beweis für Wahnsinn, lediglich für eine andere Sichtweise der Dinge. Und alles was gegen Howard spricht, sind Vermutungen, Indizien und Ahnungen.
„10 Cloverfield Lane“ lebt von dieser Ungewissheit, und dies sogar sehr gut. Zwar gibt es immer wieder Momente, in welchen man die ein oder andere Figur aufgrund nicht nachvollziehbarem Verhaltens am liebsten ohrfeigen möchte, schließlich glaubt man je nach Filmphase an verschiedene Möglichkeiten der Wahrheit, diese ärgerlichen Verhaltensweisen gehen jedoch nie auf Kosten der Glaubwürdigkeit der Figuren. Diese sind alle drei im einzelnen durchdacht und gehen tiefer als die meisten Figuren amerikanischer Blockbuster. Für einen solchen ist Trachtenbergs Werk aber auch erfreulich zurückhaltend umgesetzt und beweist, dass man auf diese Art trotzdem beste Unterhaltung jenseits von verkopften Kunst-Kino bieten kann.
Auch in seiner Schlussphase bleibt „10 Cloverfield Lane“ hoch interessant und packend inszeniert, und dankenswerter Weise schließt der Film nicht so geheimnisvoll wie er begann. Im Gegensatz zum Restfilm und zum indirekten Vorgänger „Cloverfield“ werden offene Fragen beantwortet, während gleichzeit manches nicht gelüftete Randgebiet der Wahrheit den Zuschauer noch einige Zeit nach dem Sichten beschäftigen kann. Es ist schön dass der Schluss des Filmes einem hierfür Spielraum schenkt. Das rundet ihn mit seinen philosophischen Fragen in der ersten Filmhälfte ab, so dass man wahrlich von einem gelungenen Erlebnis sprechen kann, welches einen geistreicher zu unterhalten weiß als die meisten anderen US-amerikanischen Filme, die bei uns im Kino gezeigt werden. OFDb
Und im Gegensatz zu vielen Anderen halte ich das Ende für gelungen, weil es so wunderbar elegant den Bezug zum 'ersten Teil' herstellt ohne vollends darin einzutauchen. Allein das (wenn auch dem Actionkino zugehörige) Andeuten gibt dem Ende diesen besonderen Flair.
AntwortenLöschenSehe ich auch so. Ich betrachte es als das Sahnehäuchen auf dem Eis: nicht zwingend nötig, aber bereichernd. Zumal ich auch beim zweiten Sichten erstaunt war wie gut es inszeniert ist und wie kompatibel des tatsächlich mit dem Rest ist. Ob es nun um Alternativerlebnisse oder um die selbe Invasion wie in "Cloverfield" geht, bleibt (bislang) Interpreationssache. Auch das mag ich am Schluss.
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