Befanden sich Helge Schneiders Vorgängerfilme „Johnny Flash“ und „Texas - Doc Snyder hält die Welt in Atem“ noch halbwegs im Bereich des Geschichteerzählens, wenn auch dort bereits das Publikum damit vor den Kopf schlagend sich an wenige gängige Regeln filmischer Erzählungen zu halten, da überrumpelte der Komiker mit seinem Folgewerk „00 Schneider - Jagd auf Nihil Baxter“ den Zuschauern endgültig, indem er eine sich an keinerlei Filmregeln haltende Nummernrevue ablieferte, die derart improvisiert war, dass Ausrutscher wie das Schauen in die Kamera oder plötzliche Lachflashs enthalten blieben. Parkplatzwärter Helmut Körschgen wurde gar absichtlich aufgrund jeglicher fehlender Schauspielleistung überhaupt erst besetzt.
Klassische Komödienwitze, wie sie der Zuschauer aus Otto-Filmen oder Werken von Dieter Hallervorden kannten, sind kaum noch enthalten, und wenn sie es sind, fallen sie ziemlich einfach gehalten und infantil aus. Wer etwas mit dem Film anfanfangen möchte, und noch mehr mit dem Folgewerk „Praxis Dr. Hasenbein“, in welchem Helge sein Verfahren der improvisierten Nichterzählung, wie ich sie einfach einmal nenne, auf die Spitze trieb, der muss etwas mit der Improvisationskunst Helge Schneiders und Konsorten anfangen können, der muss einen Hang zur schlechten Erzählung mögen, der muss aber auch die Kunst hinter dem vermeindlichen Schund erkennen, der beileibe kein Schönreden desaströser Zustände ist. Denn wer gut beobachtet, der erkennt die geistreichen Intentionen gesellschaftliche Normen und Kinoklischees zu zerlegen, mit ihren Eigenschaften zu spielen und sich mit ihnen auf absurde Art auseinanderzusetzen.
Wer also die Arbeiten Helge Schneiders, egal ob im Musik- oder im Filmbereich, auf albernen Klamauk reduziert, der verkennt das Genie dahinter. Jener der sich auf das was uns Helge Schneider als Film verkaufen möchte, einstellen kann, der erlebt nicht nur hemmungslosen Klamauk, der zu großen Lachanfällen führen kann, er kann auch intellektuell gefordert werden, vorausgesetzt die Scheuklappen konservativen Kunstgefühls sind abgelegt. Im Vergleich zum Vorgänger und Nachfolger haben sich meiner Meinung nach aber dennoch Schwächen eingeschlichen, die das Erleben auf Unterhaltungsbasis im Vergleich ein wenig reduzieren.
So ist die recht dominant eingebrachte Rolle des Nihil Baxter zu nervenzerrend interpretiert, selbst bei Wohlwollen in ihrer extrem vorgetragenen Art kaum auszuhalten und eher der noch vorhandenen Unreife des Komikers zum Überagieren geschult, sprich eine Art Übertreibung darbietend, die es viele Jahre später in „Null Null Schneider 2“ (und ich behaupte mal auch in anderen Filmen, hätte Helge solche gedreht) nicht ohne Grund mehr gegeben hat. Auch kurze Momente des Stillstands, die in anderen Werken des Komikers meist für überraschend stillere Komik genutzt wurden, nagen aufgrund ihrer Länge an den Nerven des Publikums, z.B. dann wenn Baxter ewig klagt wie langweilig ihm ist, während er sich lustlos mit seiner Kunstsammlung befasst.
Auch das zu häufige wiederholen recht sympathischer Witze, wie dem Ersatzreimen aus Kinderzeiten a la Hase, Hase, Popase tut dem Film nicht gut, verliert der Humor doch damit langsam seinen Charme und wirkt wie das Hinwegtäuschen von Einfallslosigkeit. Das liest sich sehr streng inmitten solch gelungener, individueller Komikkunst, denn den aufgezählten Schwachpunkten stehen Stärken gegenüber, welche die konfuse Fasterzählung gestemmt bekommen. „00 Schneider“ mag ein anstrengend zu schauender Film sein, aber auch ein unglaublich witziger und unterhaltsamer.
Running Gags, wie die von Kunze gespielten Frauenrollen, so ziemlich jeder Auftritt Helmut Körschgens und das Gespür fürs Absurde (wunderbar herrlich die Pilotenkommentare während eines Flugzeugfluges, oder die Kameraaufnahme beim Rennen eines in Unterhose gekleideten, scheinbar geistig Verwirrten) sind bereits dominante Trümpfe innerhalb eines Filmes in welchem man mit allem rechnen muss, eben weil es keine Regeln zu geben scheint. Satirische Ansätze sind stark verkleidet vorhanden, ebenso wie besagte Filmklischees, die oft kaum noch zu erkennen sind, so bizarr wie der Ausnahmekomiker sie verarbeitet.
Manches Mal wäre es schön gewesen Helge hätte seinen Mitspielern mehr Raum zur Entfaltung gelassen, manches Mal ist es gut dass er dies nicht zulässt, oder in der Ausnahme eben doch. So ist sie eben, die Improvisation, macht man sie rückgängig, um zu wiederholen und Fehler auszubügeln, manipuliert man sie bereits. Helge Schneider wird schon gewusst haben wann eine Szene im Kasten ist und wann eine Wiederholung von Nöten war. Das Gespür dafür erkennt man dem herrlich kaputten Gesamtwerk stilistisch an. Dass Christoph Schlingensief als Kameramann und Mitregisseur beteiligt war, verwundert mit Kenntnis dessen Filme kaum, ist seine Art der Filmschundkunst jener von Schneider doch recht ähnlich, nur dass Helge sich dem humorvollen Part verschrieben hat, während Schlingensief stilistisch ähnlich vorgehend eher gesellschaftskritische Dramen umgesetzt hat. Im Gegenzug war Helge häufig an Prokten Schlingensiefs beteiligt. OFDb
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