Die Serie „Sherlock“ lebt neben ihren wunderbar besetzten, teilweise neuinterpretierten Charakteren, von der Moderne, in welche die Figuren des 19. Jahrhunderts in unsere Zeit hineinkatapultiert wurden, und da weiß die Idee zu gefallen, dass ein TV-Special, welches uns die Wartezeit zwischen der dritten und vierten Staffel versüßen soll, in der Ausnahme einmal zu jener Zeit spielt, in welcher die ursprünglichen Abenteuer von Sherlock Holmes in den Geschichten von Arthur Conan Doyle stattgefunden haben. Da verwundert es zu Beginn umso mehr, dass wir am Anfang eine Zusammenzählung jener Ereignisse vorgesetzt bekommen, die bisher geschahen. Aber im Laufe der Erzählung ergibt auch dies Sinn, entpuppt sich „Die Braut des Grauens“ doch als Film mit direktem Zusammenhang zur Reihe und damit doch nicht als einzig für sich stehendes TV-Special einer erfolgreichen TV-Serie.
Es dauert lange, aber gelegentlich spielt „Sherlock - Die Braut des Grauens“ überraschend plötzlich wieder in unserer Zeit, und da wird, wie typisch für diese Serie, nicht nur wieder alles auf den Kopf gestellt und damit alles anders, als wie von uns vermutet - wie so oft gehen die Autoren der Reihe auch diesmal noch einen Schritt weiter und spielen verschmitzt mit der Idee (zumindest kurz angedeutet), dass alles was wir in den drei Staffeln bisher sahen sich im Gedankenpalast eines im 19. Jahrhundert lebenden Sherlock Holmes abgespielt haben könnte, da Sherlock sich dort eine alternative Welt, die in seiner Zukunft spielt, ausmalt. Das ist freilich nur nebensächliche Spielerei, aber einer jener Faktoren, die das Reinschalten immer wieder lohnt, eben weil die Autoren sich auf Gedankenspiele einlassen, die zur Charakterzeichnung des zutiefiest aufgrund seiner Intelligenz gelangweilten Sherlocks passt.
Umgekehrt: warum sich Sherlock, wie sich erst spät herausstellt, in seinen Gedankenpalast zurückzieht und Überlegungen eines Kriminalfalles im 19. Jahrhundert stattfinden lässt, ergibt im Nachhinein mehr oder weniger tatsächlich Sinn, was aber auch am mittlerweile fast schon üblichen Kniff liegt, dass die eigentliche Geschichte sich gar nicht wie vermutet um den angegangenen Kriminalfall dreht, sondern dieser lediglich das Tor zum eigentlichen Ereignis darstellt.
Die Ablenkungen vom ursprünglichen Kriminalfall sind in Staffel 3 ein wenig zu dominant angegangen worden, so dass „Sherlock“ dort kaum noch Krimi-Serie war. Mir hat sie dementsprechend auch nicht so gut gefallen (was aber noch mehr daran lag, dass clever klingende Ideen nicht so geistreich ausfielen wie intelligente Ideen der Vorgänger). Um so erleichterter war ich, dass der Kriminalfall um „Die Braut des Grauens“ trotz ähnlichem Stellenwertes für die Gesamtgeschichte nicht in den Hintergrund fällt und bis zum Schluss von Bedeutung bleibt und befriedigend aufgelöst wird. Hierfür setzt man in „Sherlock“ erstmals ein politisches Statement, jedoch eines zu einem heutzutage gesellschaftssicheren Themas, so dass man nicht riskierte eine Zuschauergruppe vor den Kopf zu schlagen.
Richtig sinnvoll kann auch ebenfalls erstmals das Spiel mit den Metaebenen beginnen, eben weil „Die Braut des Grauens“ nicht wirklich, wie es zunächst scheint, im 19. Jahrhundert spielt und Sherlock sich mit den Figuren in seinem Gedankenpalast somit darüber unterhalten kann wie reißerisch ein Setting ausgefallen sein kann, oder wie sich der Titel „Die Braut des Grauens“ anhört. Wer genau aufpasst bekommt in einem Nebensatz während eines kleineren, schnell gesprochenen Monologes Sherlocks sogar die Auflösung dessen präsentiert, wie der Meisterdetektiv einst seinen Mord vortäuschen konnte, ein Rätsel das man uns verspielt zankend in Folge 7 auf Teufel komm raus nicht lüften wollte.
Es gibt also viele Gründe sich „Die Braut des Grauens“ anzuschauen, der wichtigste dürfte aber wohl jener sein, dass die Autoren hier zur alten Form zurückgefunden haben, sprich eine interessante Geschichte mit pfiffigen Ideen und intelligenten, wie unterhaltsamen Dialogen präsentieren und sich, im Gegensatz zur mauen dritten Staffel, wieder mehr auf den Kriminalfall konzentrieren und den Bruder Sherlocks wieder etwas reduzierter einsetzen. Die Chemie zwischen Watson und Sherlock stimmt weiterhin und wird als Herzstück des Ganzen zurückentdeckt, und dank der Spielerei zwischen beiden Handlungszeiten wird das TV-Special zur Serie im letzten Drittel noch eine Spur verspielter und interessanter, als man zunächst vermutet hätte.
Dank eines geistreichen Umgangs mit diesem Perspektivwechsel und dem Erkennen der Möglichkeiten von diesem, wird „Die Braut des Grauens“ in dieser Phase noch besser als zuvor. Bereits das Niveau der ersten Stunde hatte mich nach der eher enttäuschenden dritten Staffel zufrieden gestimmt und hätte mir als Wiedergutmachung bereits gereicht. Das Gedankenspiel mit Einweihung ins 21. Jahrhundert hat schließlich zudem wieder das intellektuelle Interesse an der Geschichte endgültig geweckt, so dass „Die Braut des Grauens“ sich damit sogar als besonders wertvoller Beitrag der „Sherlock“-Reihe entpuppte. OFDb
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