29.07.2018

KRAKATIT (1948)

Nur wenige Jahre nach dem ersten Einsatz einer Atombombe ist "Krakatit" entstanden, der die Panik seiner Zeit gut wiederspiegelt, aufgrund der Tatsache welch enorme Kraft ein Kriegsgerät mittlerweile besitzen konnte, und welche Macht mit dem Besitz einer solchen Errungenschaft vorhanden ist. Die Zerstörung der Erde schien keine Science Fiction mehr zu sein, und die Frage über die Mitverantwortung von Wissenschaftlern, auch wenn sie neutral forschen, stand kritischer denn je im Raum. In heutigen Zeiten von Gewöhnung, Gleichgültigkeit und dem Ignorieren des eigentlich noch immer unheimlichen Themas Atombombe schaut sich Vávras Film somit höchst aufgewühlt, panisch und hektisch, was verständlich ist. Leider aber auch (ebenso verständlich) arg moralisch, je mehr er sich dem Ende seiner warnenden Geschichte zuwendet, und das schmeckt mir an dem eigentlich so gekonnt umgesetzten Werk so gar nicht.

Ich schätze Otakar Vávra für seinen ebenfall politisch warnenden Film "Hexenjagd", der aufzeigte wie leicht es ist ein System per Manipulation für sich zu gewinnen. Die moralische Keule blieb dort weitestgehend aus, Sachlichkeit stand im Raum, eine Rekonstruktion der Möglichkeiten angewendet auf einem Mikrokosmos. Aufgrund dessen dass alles Erlebte in "Krakatit" die Einbildung während einer sehr schweren Erkrankung ist, spielen auch die Geschehnisse des hier besprochenen Streifens in einem Mikrokosmos. Der verwirrte Zustand des Patienten lässt den im Zentrum stehenden Wissenschaftler fast schon episodenartig durch die Welt stolpern. Zeiten und Entfernungen fühlen sich absichtlich geringer an als sie es tatsächlich sind, Verschlichtung soll auch hier zum Verständnis führen und das Ganze wie eine klassisch erzählte Geschichte, nahe den Eigenschaften eines Märchens, aussehen lassen.

Da man nicht mit Erklärungen an die Hand genommen wird und sich in diesem sich im Kopf eines Kranken abspielenden Kosmos zurecht finden muss, in welchem selbst der Fiebertraum nur Teil der Fantasie ist, wird manch einer mit "Krakatit" nicht warm werden. Dabei macht das Selbstentdecken der Wahrheit und das Zusammenspiel von Rationalität und verwirrten Elementen gerade den Reiz des Streifens aus. Allerdings wäre es schön gewesen, die Odyssee durch den Geist eines Wissenschaftlers, von dem wir nicht einmal wissen ob er tatsächlich den Sprengstoff Krakatit erfunden hat, würde zu mehr führen als zum reinen Gewissens-Trip, zumal am Ende eine Lektion steht, die zu schlicht ausgefallen ist und in ihrer Naivität den Fakt ausblendet, dass auch Erfindungen die Licht und Wärme in die Gesellschaft bringen können, von Interessengemeinschaften zu Machtzwecken missbraucht werden können, wie gerade unsere heutige Zivilisation zeigt. 

Erfindungen in Kategorien wie gut und böse zu trennen ist nun einmal so unsinnig wie überhaupt die Welt in gute und böse Dinge und Eigenschaften einzuteilen. Aber so ist das mit Moralisten, die haben einen zu begrenzten Horizont um in Graustufen denken zu können. Und unter diesem Makel leidet nun einmal schlussendlich auch "Krakatit", der handwerklich gelungen ist, die tolle Arbeit aber lediglich für naive Botschaften nutzt und damit zu oberflächlich bleibt. Da man in dieser Machart auch sicherlich absichtlich auf Kafkas "Der Prozess" schielte, allein schon wegen der inhaltlichen Parallelen, ist ein solch schlichtes Ergebnis um so ärgerlicher zu nennen, so vieldeutig wie doch die Werke dieses Schriftstellers ausgefallen sind, und so simpel wie man sich hier auf der Lektion ausruht, die der Protagonist als Erkenntnis geradezu obligatorisch zu gewinnen hat. Dank der tollen Bilder, die gerne absichtlich künstlich ausfallen, ist der Fiebertraum freilich trotzdem einen Blick wert. Aber das künstlerisch wertvolle Äußere an "Krakatit" besitzt einen Anspruch, den der Inhalt nicht komplett erfüllen kann.  OFDb

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