Rassismus ist in unseren Zeiten nicht nur ein leider aktuelles Thema geworden, sondern auch ein schwieriges. Auf der einen Seite wächst bei vielen Menschen in der Mitte das Misstrauen und die Vorurteile Ausländern gegenüber, selbsternannte Anwälte dieser Minderheiten kochen das Thema am anderen Ende jedoch derart hoch, dass sie in jeglichem Verhalten meinen Ausländerfeindlichkeit zu beobachten. Somit ist dieses delikate Thema ein solches mit Graustufen, welches von unterschiedlichen Menschen unterschiedlich interpretiert wird, und diesen Zustand macht sich Regisseur und Autor Jordan Peele zunutze, um Chris und uns in seinem "Get Out" lange Zeit einen unguten Schwebezustand dessen, was man glauben soll, erleben zu lassen. Auf der einen Seite scheint Chris arg sensibel auf jedes lauernde Zeichen von Fremdenfeindlichkeit zu reagieren, auf der anderen Seite meint man sehr wohl unterschwelligen Rassismus bei der weißen Familie zu erkennen. Treten nun aufgrund eines unerwarteten Festes Freunde der Familie ins Geschehen, bestärkt sich letzterer Eindruck, sind einige von den reichen Weißen doch definitiv rassistisch in ihrem Versuch es nicht zu sein. Aber gilt selbiges dann auch für die Familie, bei welcher Chris für dieses Wochenende untergekommen ist? Und selbst wenn, würde es etwas an dem Zustand ändern lediglich ein nerviges Wochenende hinter sich bringen zu müssen, wo doch unterschwelliger Rassismus nicht damit gleichzusetzen ist, das sich Chris in Gefahr befindet? Zu wissen, dass man sich in einem Horrorfilm befindet, sorgt nicht gerade für ein Glauben an einen Irrtum Chris' Vermutungen. Letztendlich liegt der Spannungsbogen mitunter darin zu erfahren auf welche Art, von wem und warum Chris' Ängste bestätigt werden.
Peele ist es bei diesem Vorgehen hoch anzurechnen, dass er sich bis zum Zeitpunkt der Klarheit unglaublich viel Zeit lässt und das im Hintergrund brodelnde Misstrauen stets mitschwingen und stärker werden lässt. Wenn er nun noch die Trumpfkarte sich untypisch verhaltender Schwarzer spielt, bekommt nicht nur Chris endgültig Charaktereigenschaften zugeschrieben, die ihn ebenfalls unterschwellig rassistisch erscheinen lassen, von nun an schwebt auch eine Art "Die Frauen von Stepford" mit, erst recht wenn sich im weiteren Verlauf der etwa eine Stunde laufenden "Vor"phase bestätigt, dass Chris einen dieser Schwarzen von früher sich anders verhaltend kennt. Selbstverständlich kann Peele dieses hervorragende Feeling, welches "Get Out" lange Zeit auszustrahlen vermag, nicht beibehalten, wenn aus Mutmaßungen, Erwartungen und Misstrauen Klarheiten werden. Hier wird der Film nun glasklar zu einem Horrorfilm, mit klassischem Mad Scientist-Hintergrund und einem Helden, der im Kampf ums eigene Überleben immer mehr von seiner eigenen Menschlichkeit verliert. Hier mag manch einem der harte Grundton sauer aufstoßen, geht es für einen bislang auf psychologischer Ebene arbeitenden Film doch plötzlich relativ blutig zur Sache. Ich muss aber sagen, dass mir das Treiben im Finale ebenfalls gut gefallen hat, auch wenn es sich nicht, wie bei vielen ähnlich gearteten Werken, um ein Entladen einer bis zu diesem Zeitpunkt unerträglich gewordenen Situation handelt, sondern lediglich um die nächste Phase in der zu erzählenden Geschichte.
Sicherlich könnte man darüber diskutieren, ob ein Film wie "Get Out" die übertriebene Sichtweise angeblich rassistischem Verhaltens in unserer Gesellschaft fördert, oder wie gut es auf der Gegenseite ist, dass er ähnlich wie der Kurzfilm "Wahlnacht" das Thema des unterschwelligen Rassismus beim Zuschauer sensibilisiert, um aufzuzeigen wo Fremdenhass bereits seinen Ursprung erfahren kann. Man würde sich aber bei dem Thema ohnehin nicht einig werden und den Spaß an dieser bissigen, tief schwarzhumorigen Satire ignorieren, den Peele mit seiner ernsten, erschreckend aktuellen Thematik bei sensibler Herangehensweise zu entfachen vermag. Peeles Werk ist das Ergebnis guter Beobachtungen und Reflexionen auf verschiedenen Ebenen, nicht nur jener der Rassenthematik, und ist ganz klar dem Bereich des Unterhaltungsfilm zugewendet, was spätestens die letzte halbe Stunde offenbart, wenn "Get Out" endgültig zu einem waschechten Horrorfilm mutiert, in dem auch kleine Elemente des Science Fiction-Genres vertreten sind. Ironischer Weise hebelt er in nur wenigen Sätzen in seiner Auflösung die Schwarzenthematik des Reststreifens ein wenig aus, was so nebensächlich wie geschehen nach all den aufwerfenden Fragen und Diskussionsanlässen eine grandiose Idee ist. Kurzum ist Peele zu diesem schwierigen Thema ein hervorragender Film geglückt, eine Satire mit einem Hauch unterschwelliger Komik, die einem derart im Hals stecken bleibt, dass man sie als solche kaum wahrnimmt, so dass der Streifen äußerlich als ernst gehaltener Genrebeitrag daher kommt. Die Dramaturgie wird zu Gunsten des Spannungsbogens nie vernachlässigt, der psychologische Aspekt bekommt mehr Raum beschert, als äußere Schauwerte, und den Charakteren wird viel Raum zum Entfalten geboten. Sprich "Get Out" lebt von all dem, was man im Bereich des Horrorfilms so häufig vermisst. Bleibt nur die Frage offen, warum Peel in seinem Folgefilm "Wir" all diese Pluspunkte hat schmerzlich vermissen lassen. OFDb
Der Film hat mich auch begeistert, vor allem der Twist zum Finale hin.
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