02.02.2020

AVATAR - AUFBRUCH NACH PANDORA (2009)

"Avatar - Aufbruch nach Pandora" ist ein sympathisches Filmchen, das einen in eine alternative Welt entführt und uns dort an einem klassisch erzählten Abenteuer um Macht, kulturelle Differenzen und Liebe teilhaben lässt. Naiv wie ein Disney-Zeichentrick erzählt, und auch die Mentalität eines solchen atmend, ist James Camerons Werk somit kein Science Fiction jener Art, der zum Denken anregt und intellektuell erzählt ist, sondern ganz im Gegenteil einer der zum Träumen einlädt und uns für 2 1/2 Stunden in eine phantastische Kinowelt einlullt, die mit ihrer finanzstarken Kraft Bilder entstehen lässt, die zur Entstehungszeit dem höchsten Stand der Technik entsprachen. Sicherlich kann man auch auf dieser schlichten Ebene beklagen, dass wahre Innovationen fehlen, gerade was die einzelnen Stufen des Handlungsablaufs betreffen, die nur klassische Muster abgrasen, von einem großen Werk kann man also auch im Bereich des seichten Unterhaltungsfilmes nicht sprechen. "Avatar" (Originaltitel) ist nur deshalb großes Kino, weil er nicht kleckert, sondern klotzt und uns finanziell und theatralisch aufgeblasen etwas erzählt, das hinter all dieser Fassade simplerer Natur ist. Das Ergebnis geht letztendlich von der Kurzweile her, die er uns, mal aufregend, dann wieder verträumt, zu zaubern vermag, jedoch völlig in Ordnung.

Problematisch wird es erst, wenn man "Avatar" zu mehr erklärt als er ist, letztendlich sogar zu dem erklärt was er scheinbar sein will, denn das ist in der hoch naiven Form, wie hier vorgegangen wurde, unmöglich. Das beginnt mit dem mangelnden Talent der Schöpfer der hier gezeigten Welt, einer solchen einen eigenen Stempel aufzudrücken, der uns fremd erscheint und mit der unseren Welt nichts, oder zumindest kaum mehr etwas, zu tun hat. Hier werden nicht nur stets Verweise auf Pflanzen und Tiere unserer Welt leicht verändert, aber unübersehbar, vorgenommen (die Hauptmethode das uns Bekannte zu entfremden liegt in der Idee Elemente aus der unseren Wasserwelt dort als Landleben einzusetzen), auch die Na'vi sind viel zu menschlich ausgefallen. Körperlich müssen sie dies wohl sein, damit die Liebesgeschichte funktionieren kann, das sei somit verziehen, ihre Kultur ist Kulturen unserer Erde jedoch viel zu ähnlich. Das längst überholte Rollenbild der Geschlechter, das in US-amerikanischen Filmen noch immer geatmet wird, findet auch Platz in der Kultur der Na'vi, wo Männer zu Kriegern werden, nur Frauen emotional werden dürfen und sich sogar mit Schmuck bekleiden. Die Schamhaftigkeit des Amerikaners haben sie auch geerbt, deswegen sind sie an intimen Stellen bekleidet. Sie haben Hierarchien, wie bei uns üblich, singen in ihrer Religion sehr christen-ähnliche Lieder, ihre Nasen erinnern an schwarzhäutige Menschen, die schließlich Pate für das Unterdrücktwerden und der Ur-Völker auf unserem Planeten stehen - ebenso wie Indianer, deren Kultur hier, wenn schon kaum optisch, zumindest musikalisch im richtigen Moment zitiert wird.

Der Mangel an Kreativität und Empathie beim Entwickeln fremdartiger Welten und Kulturen ist ein erstes Hindernis zum wahrlich großen Filmerlebnis. Die hier gelebte Mentalität und die Botschaft des Streifens brechen in der angegangenen Art der Idee der Schöpfer, aus "Avatar" Erwachsenenkino zu machen, endgültig das Genick. Die Naivität als Entschuldigung für Fehler, das Wiedergutmachen wider besseren Wissens angerichteter Katastrophen, im Glauben damit alles wieder gerade zu rücken und entschuldigen zu können, sind häufig auftauchende Bestandteile im US-amerikanischen Kino. Wie heuchlerisch und fragwürdig die hier gepriesene Mentalität tatsächlich ist, beweisen Momente wie Jakes Ansprache vor dem Volk der Na'vis. Diese darf er halten, nachdem er manipulativ unterwürfig, Ehrfurcht vorspielend, anstatt sie zu fühlen, den Anführer des Naturvolkes mit kleinem Ego zu einem großen erklärt hat, so dass dieser nicht mitbekommt, dass in Wirklichkeit unser Held längst das Sagen hat. Der reflektiert das jedoch nicht, erkennt sein Elefantengetrampel im Porzelanladen nicht, sieht sich im Recht, und das macht auch seine Rede deutlich, in der er betont, dass die Himmelsmenschen lernen müssen, dass sie sich nicht einfach alles nehmen dürfen, wie es ihnen gefalle. Das sagt ein Mann, der heimlich die Herrschaft an sich gerissen hat, die mächtigste Frau des Stammes klar gemacht hat, und mit seinem eigentlich zum Scheitern verurteilten Aufruf zur Gegenwehr von seiner eigener Schuld ablenkt und glaubt mit einem Massaker alles wieder gut machen zu können. Aua, es tut schon weh mit anzusehen, welches Bild hier vom Menschen gezeichnet wird. Außerirdische sollten uns besser nicht wegen der Bösewichter meiden, die "Avatar" uns als Paradebeispiel vorsetzt, sie sollten jene meiden, die diese Mentalität, dieses "Denken" und den Mangel an Empathie und Schulbewusstsein teilen, der hier in Form der guten Menschen verkörpert wird. Erst die haben es tatsächlich faustdick hinter den Ohren und zerstören in ihrem blinden Idealismus Kostbarkeiten der Welt und der Gesellschaft.

Punkten kann "Avatar" mental in seiner Botschaft zu mehr Leben im Einklang mit der Natur, die zwar etwas arg esoterisch eingefangen wird, aber gerade in jenem Aspekt reizt, dass die Natur Gott ist - und dies nicht symbolisch gemeint, sondern aktiv als eine Art gemeinsam kommunizierende Symbiose zwischen den Organismen. Dem einfachen Publikum, welches sich auch von Drachen-ähnlichen Flugszenen beeindrucken lässt und während eines gewaltigen Budenzaubers wie "Avatar" das Mitdenken verweigert, bekommt diesen Aspekt einfacher gehalten erklärt, wie in allem hier Gezeigten orientiert am Alltag des Zuschauers. Die Verbindung der Na'vis zur Natur findet mit einer Art Kabelanschluss statt, mit der sie sich einkoppeln. Das wirkt schon recht lächerlich, ist aber irgendwie kompatibel mit dem Gesamtbild innerhalb einer solch naiven Geschichte. In wie fern man die Botschaft ernst nehmen kann, der Mensch solle sich mehr mit der Umwelt verbrüdern, wenn diese doch vorgetragen wird über einen Film, der die kühle CGI-Technik mehr denn je nutzt und die wichtigsten Personen zu Zeichentrickfiguren degradiert, also den unnatürlichsten und technisch aufwendigsten Weg geht einen Kinofilm herzustellen, darf zurecht angezweifelt werden. Großproduktionen sind nun einmal wie kleine Kinder, die es gut meinen, aber schon am fehlenden Einfühlen und Verstehen auf jener Ebene scheitern, dies sie nicht abliefern müssten.

Warum konnte "Avatar" nicht einfach der naive Unterhaltungsfilm für zwischendurch sein? Warum versucht er sich zudem an gesellschaftspolitischen Botschaften, die ohnehin nur geheuchelt wirken? Vielleicht mag noch manch einer das Szenario damit anspruchsvoller als es ist schön reden wollen, durch den Aspekt, dass H.G. Wells Roman "Krieg der Welten" hier verdreht wird, weil der Mensch die Invasion startet, um die Lebewesen eines fremden Planeten zu unterjochen. Dann hat man jedoch nicht die Symbolik verstanden, die Wells vorschwebte, der mit seinem Roman u.a. genau auf dieses Verhalten des Menschen anderen Völkern und Lebewesen gegenüber aufmerksam machen wollte. Was dort subtil als Botschaft geschah, wird hier vordergründig mit dem Holzhammer präsentiert und als innovativ und kreativ verkauft. "Avatar" ist kein einfallsreicher Film. Er bedient sich (leicht abgeändert) an unseren Kulturen und Lebewesen dieser Erde, erzählt die typischen Stadien eines typischen US-Blockbusters, kommt mit immer gleichem verlogenen Pathos über Ehre, Widerstand und der Trennung Gut und Böse daher und bedient sich zentral bei allerhand anderen Stoffen aus der popkulturellen Welt. Diesen Zusammenklau macht er auf simpler Unterhaltungsbasis jedoch so ordentlich, dass das Ergebnis, wenn man es nicht all zu ernst nimmt, ein aufregendes und herzlich dargebotenes Stück Popkornkino ist, das man sich ruhig mal geben kann. Ein empathischer Umgang mit dem Stoff, gerade in einem Film der Empathie predigt, wäre jedoch wünschenswert gewesen, damit die hier vorhandene Naivität nicht solch einen bitteren Beigeschmack besitzt, wie es nun leider der Fall ist.  OFDb

2 Kommentare:

  1. Rein erzähltechnisch und von den Figuren her ist der Film wirklich in keinster Weise besonders. Der Kult beruht wahrscheinlich einzig auf der damals halt neuen 3D-Technik, die sich hier das erste Mal in einer mehr als guten Version präsentierte.

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    1. Ja, so schnell kann's gehen, dass ein Film nichts besonderes ist, wenn man nur auf die Technik achtet. :/

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