Emily ist Mitarbeiterin der
Fürsorge und bekommt den Auftrag bei der kleinen Lilith nach dem Rechten
zu schauen. Sie gewinnt den Eindruck, dass ihre Eltern ihr ein Leid
zufügen wollen, und sie soll recht behalten. Lilith kann kurz vor einem
tödlichen Angriff gerettet werden. Emily selbst erkämpft sich das
Sorgerecht des Mädchens, da Lilith in ihr bereits eine Vertrauensperson
sieht. Als sich in Emilys Umgebung Todesfälle häufen, kommt in der
Sozialarbeiterin der Verdacht auf, dass das kleine Mädchen etwas damit
zu tun haben könnte. Emily entwickelt eine regelrechte Angst vor ihrem
Adoptivkind...
Ausnahmen bestätigen die Regel...
Ausnahmen bestätigen die Regel...
Böse Kinder machen spätestens seit „Das Dorf der Verdammten“ die Leinwand unsicher, und immer wieder weiß das Thema zu wirken. Nachdem Dracula und Co dem Kinozuschauer nicht mehr das Gruseln lehren konnten, entschied man sich näher am Zuschauer zu arbeiten. Plötzlich wurde alles Vertraute böse, egal ob es das eigene zu Hause, der Lebenspartner oder eben das eigene Kind war. Erst kürzlich zeigten die Franzosen psychologisch recht interessant mit „The Children“, dass das Thema noch lange nicht seinen Reiz verloren hat, auch wenn gerade dieser Film im Unterhaltungsbereich leider nur Mittelmaß war.
Nun versuchen die Amerikaner mit „Fall 39“ in den Kinoreihen Angst zu verbreiten, und schaut man sich die Geschichte in ihren einzelnen Schritten einmal an, ist es schon schade, dass Lilith sich so früh als böse entpuppt. Arbeitet man anfangs mit der Täuschung böser Eltern und einem Mädel, das gerettet werden muss, wäre ein Verwirrspiel mit dem Zuschauer in der nächsten Phase wünschenswert gewesen, der für sich enträtseln muss, ob Fürsorgerin Emily sich in etwas Albernes hineinfrisst oder wirklich das Böse adoptiert hat.
Wie viel Potential in einer solchen Idee liegt, zeigte bereits der eher durchschnittliche B-Film „Pinocchio – Puppe des Todes“. Wie gut sich die Idee unter Regisseur Christian Alvart entwickelt hätte, dem Mann der kürzlich mit „Pandorum“ einen weiteren Horrorfilm ablieferte, lässt sich bei seiner beachtlichen Leistung von „Fall 39“ nur erahnen. Denn der Mann beweist wahrlich ein gutes Händchen die eigentlich gar nicht so neue Geschichte packend umzusetzen.
Droht die Geschichte kurzfristig in ein Effektinferno auszuarten, reißt der Mann früh genug das Ruder rum, und arbeitet wieder im Gruselsektor, so dass die Stimmung keinen Abbruch erfährt. Dass die Atmosphäre im Gesamtfilm so stimmig ist, ist jedoch nicht nur der Inszenierung zu verdanken, sondern auch den Verantwortlichen für die Besetzung der Renée Zellweger, die tatsächlich wie eine Sozialarbeiterin wirkt und nicht wie ein Hollywood-Püppchen.
Auch wenn recht früh die Bösartigkeit des Adoptivkindes klar wird, so wird der Film von dort an doch keineswegs langweilig. Ob es die Suspense-Momente, das Grusel-Flair, die Ermittlungen oder gar die Effekt-Szenen sind, „Fall 39“ ist solide Regie-Arbeit, nicht übermäßig gruselig, aber spannend genug um den Zuschauer zu packen und tief in die vorgespielten Geschehnisse einzutauchen.
Wie schon in „Amityville Horror“, so erreicht auch „Fall 39“ mit einer Insektenszene einen Höhepunkt. Im Falle von Alvarts Werk dürfte manch Zartbesaiteten gar anders werden, gehören Hornissen, die aus verschiedenen Körperöffnungen krabbeln, doch nun wirklich nicht zu alltäglichen Ereignissen. Dass ein Mainstream-Horror, der sich dem Gruselbereich verpflichtet sieht, insgesamt blutleer bleibt, dürfte nicht überraschen. Gore-Szenen hat „Fall 39“ ohnehin nicht nötig.
Die Auflösung, die an dieser Stelle nicht verraten werden soll, ist alles andere als neu. Die hat man im Horror-Genre schon häufig gesichtet. Sie ist auch früh klar, auch wenn der Protagonistin selbst erst recht spät ein Licht aufgeht. Dass man sich für den Verlauf der Geschichte so entschied, fand ich sehr schade. Eben um neue Akzente zu setzen, wäre es für die Geschichte wesentlich fruchtbarer gewesen, wenn Emily sich auf die Konfrontation mit Lilith über einen längeren Zeitraum hätte vorbereiten müssen, so wie es „Krabat“ musste, um den schwarzen Müller auszutricksen.
Daran erkennt man jedoch wieder das Amerika-Kino, dass selbst in einem Film, der sich mit seiner Geschichte bei flottem Tempo Zeit nimmt, das Finale eher psychologisch unglaubwürdig abwickelt. In anderen Bereichen beweist der Autor der Geschichte hingegen ein Gespür für psychologische Glaubwürdigkeit, und sei es nur intuitiv geschehen. Mit einer anderen Figurenzeichnung als die der Emily, wäre der sprunghafte, plötzliche Übergang von Liebe zu Misstrauen bezüglich Lilith unglaubwürdig gewesen.
Emily ist jedoch trotz Identifikationsfigur keine Sympathiefigur, was sich bereits an ihrer Opferbereitschaft der Persönlichkeitsrechte zeigt, um mehr Kinder retten zu können. Sie verflucht Gesetze, die der Familie Schutz schenken. Sie pocht auf das Schwarzweiß-Denken Gut und Böse, anstatt auf das intelligente der verschiedenen Graustufen und der damit einhergehenden Möglichkeiten des Gesetzes, Täter psychologisch zu betreuen. Emily glaubt über dem Gesetz zu stehen, und so biegt und dehnt sie es, wie sie es gerade benötigt. Dass der Film ausgerechnet von dem Ausnahmefall der Regel erzählt, welcher einer solch denkenden Person recht gibt, ist eben das wovon ein Horrorfilm zehrt.
Jodelle Ferland in der Rolle der Lilith weiß sowohl in den süßen, wie auch in den bösartigen Szenen zu gefallen. Genreerfahrungen sammelte sie bereits in „The Messengers“ von 2007 und in „BloodRayne 2“. Ohnehin ist die zum Zeitpunkt dieses Textes 15jährige bereits seit 1997 aktiv im Film- und TV-Geschäft tätig. So verwundert es nicht, dass ihr Spiel für ihr Alter so professionell wirkt. Und eine gute Synchronisation sei dank, weiß sie auch in der deutschen Fassung zu überzeugen.
„Fall 39“ bietet keine neue Geschichte. Aber das Drehbuch ist interessant genug geschrieben und Regisseur Christian Alvart hat den Spannungsbogen gut genug im Griff, für ein fröhliches Dranbleiben vor dem Bildschirm und Drinbleiben in Kinosaal und Geschichte. Eine gute Besetzung sorgt für den Rest, so dass sich ein Blick auf dieses Produkt durchaus lohnt, für Zartbesaitete mehr, da diesen ein Gruselerlebnis bevorsteht, für den Genre-Erfahrenen auf anderer Ebene. Der wird einfach die solide Umsetzung eines schon oft gesehenen Themas begrüßen. OFDb
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