26.12.2012

MOTHER OF TEARS (2007)

Das laute Aussprechen der Innschrift einer kürzlich bei Ausgrabungen entdeckten, antiken Urne erweckt eine Hexe, die sogleich Terror und Gewalt über Rom bringt. Die Tochter einer verstorbenen weißen Hexe soll die Böse aufhalten...

Argentos Esoterik-Kitsch... 
 
Jahre lang haben die Fans auf diesen Film gewartet. Die Erwartungen waren sicherlich ebenso hoch wie die Skepsis. Immerhin liegen 27 Jahre zwischen Teil 3 und Teil 2 von Argentos Mutter-Trilogie. Ich selbst habe bislang nur „Suspiria“ gesehen und kann dementsprechend nur Vergleiche zu diesem ziehen. Insgesamt betrachtete ich „Mother Of Tears“ jedoch unabhängig für sich, eben weil sich das Medium Film in all den Jahren zu sehr verändert hatte und ein Vergleich mit Hochglanzbildern zum gruseligen Stil der 70er Jahre einfach unfair gewesen wäre.

Recht stimmig fängt Argentos dritter Hexenfilm an. Die Musik weiß zu packen, der Vorspann wird begleitet von alten religiösen Bildern, die sich mit dem Bösen befassen. Auch der Abspann bietet einem in diesem Punkt einiges an interessantem Material.

Die Erweckung der Hexe wird in einer diesmal nicht ganz so lange zelebrierten Szene gezeigt, wie die typischen Startsequenzen anderer Argento-Filme, aber er lässt sich für das Entstehungsjahr gesehen dennoch etwas Zeit. Eine gewisse düstere Stimmung kann man dieser Szene auch nicht abstreiten, die plötzliche Anwesenheit Gläubiger, die eine schwarze Messe zelebrieren bringt jedoch den ersten Bruch in der Atmosphäre. Hier ersetzt der Regisseur nun die Grundstimmung mit blutiger Aktion, das enttäuscht ein wenig.

Wieder wett macht es der gute Mann dafür mit einer netten und ungewöhnlichen Verfolgungsjagd durch das Museum. Hier wird unsere Heldin von einem Affen verfolgt, ein Tier, das den kompletten Film lang noch auftauchen und für die Seite des Bösen tätig sein soll. Damit bildet er eine Art Gegenpol zu dem hilfsbereiten Affen aus „Phenomena“, der zwar ebenfalls ein Argento-Film ist, aber keiner der drei Mütter-Trilogie. Dennoch ist dies nicht der einzige Punkt, der einen zu diesem fantasyangehauchten Horrorklassiker schielen lässt. Hier wie dort erhält die Heldin Hilfe von einem im Rollstuhl sitzenden Gelehrten, und auch das Baden in eklig schleimigen Geglibber wird zu einer Parallele mit „Phenomena“.

Das Ende der Affen-Verfolgungsjagd verweist darauf, wie es mit dem Film ungefähr weiter gehen wird, und da tut sich nun eine Enttäuschung auf, die ich bei Argento so nie erwartet hätte. Der italienische Horrorregisseur springt auf den Zug des meist vom weiblichen Publikum konsumierten Esoterik-Kitsches auf und erzählt nun die Geschichte einer weißen Hexe, die nicht weiß dass sie eine ist. O.k., da könnte man etwas draus machen, wenn man das Thema nicht so herzerschmerzend umsetzen würde wie Mr. Argento, der stets die tote Mutter aus dem Jenseits mit der Tochter kommunizieren lässt, so dass inmitten von Kitsch das Gefühl einer echten Bedrohung kaum aufkommt.

Und das ist sehr schade, denn die Geschichte aus zweiter Reihe ist endlich mal das, was ich theoretisch gesehen schon lange Zeit erhofft hatte: Eine Hexe verbreitet Terror, und das nicht nur versteckt oder in einem kleinen Radius. Die Dame der schwarzen Magie infiziert fast ganz Rom. Gewalttaten auf den Straßen werden Alltag, die Menschen rauben und beschimpfen sich, der Hass liegt in der Luft.

Argento weiß dieses Szenario nur in Aktion einzufangen. Er beachtet diesen Punkt einfach zu wenig, als dass der Wandel in Rom atmosphärisch auf den Zuschauer übergreifen könnte. Wie muss es sein während des Wandels in Rom zu hausen? Welche Angst müssen die letzten Normalen durchleben? Fragen die Potential für nervenkitzelnde Momente gehabt hätten, Fragen die Argento komplett ignoriert, eben weil er sich auf andere Schwerpunkte konzentriert.

Das wäre auch okay, sofern diese Schwerpunkte ähnlich Interessantes aufweisen könnten, tun sie aber nicht. Sicherlich ist es nicht ganz verkehrt, bei einer Hexe die öffentlicher tätig wird als ihre Artgenossen anderer Horrorfilme, jemand übernatürlich Begabtes auf die Bedrohung loszulassen. In „Suspiria“ kämpfte eine Durchschnittsperson gegen das Übel, diesmal ist es halt eine weiße Hexe. Sieht man aber dann, durch welche Aktion die Heldin von Teil 3 den Sieg erringt, hätte man sich den kompletten, ohnehin schon nervigen, Esoterik-Kitsch auch sparen können, und doch wen Menschliches auf die Bedrohung loslassen können.

Ohnehin ist die Hexe viel zu leicht zu besiegen. Da mag nun wer gegen halten, in „Suspiria“ wäre es ähnlich gewesen. Dort war es jedoch sinnig, immerhin war es die Hexe dort gewöhnt, dass Menschen auf ihre Manipulation hereinfielen. Die Hexe in „Mother Of Tears“ feiert eine Orgie und ist dabei so abgelenkt, dass sie nicht einmal den Angreifer bemerkt, der ja nun auch nicht gerade 20 cm von ihr entfernt steht, sondern einen gewissen Anlauf benötigte. Ach bitte...!

Stilistisch ist das Finale von Teil 3 zumindest stark an „Suspiria“ orientiert. Das beginnt bereits mit der Taxifahrt zum Hexenhaus, das nicht nur durch den Inhalt, sondern auch durch Optik und Musik an die Szene erinnert, in der die Rolle der Jessica Harper sich auf den Weg zur Ballettschule macht. Das ist eine nette Verbeugung zu Argentos bestem Film, leider aber auch viel zu spät, um nun noch das Wohlwollen des Zuschauers zu erhaschen. Nun ist es zu spät, um gruseln zu wollen. Hier guckt man den Film bereits viel zu theoretisch und viel zu enttäuscht, als dass die an sich recht gute Inszenierung vom Finale noch etwas reißen könnte.

Im Hexenhaus angekommen orientiert man sich weiterhin an „Suspiria“, diesmal am Finale. Schriftzüge auf den Wänden, das innere Unbekannte des Hauses, nicht wissen was man tut wenn man erst einmal dort ist, usw. Jahre später präsentiert uns Argento heftigere Bilder. Sah man in „Suspiria“ noch eine recht harmlose Hexenzeremonie, darf man in „Mother Of Tears“ eine Orgie sichten, die an Perversion kaum zu überbieten sein dürfte und mit wirklich großartig eingefangenen Momenten zu schocken weiß.

Der Tod der Hexe und der Zustand ihrer Behausung nach dem Ableben sind ebenfalls nah an „Suspiria“ orientiert. Den Fehler Argentos dritten Teils diesbezüglich habe ich ja weiter oben erwähnt.

Was soll man sagen? Das war so gar nichts! Falsche Schwerpunkte, übler Kitsch, und selbst die Bedrohung verliert an Wirkung, wenn man die gestilten Junghexen durch die abgründigen Straßen Roms umherziehen sehen darf, wo sie doch mehr wie pubertierende Gören mit halbstarkem Getue wirken, als wie unheimliche Gegner mit düsterer Aura.

Das schlechte Ergebnis ist zudem schade, wenn man Argentos Arbeit außerhalb der Geschichte betrachtet. Der Soundtrack darf als gelungen und unterstützend betrachtet werden, die Bilder bieten wieder einige Überraschungen, halt typisch Argento, und auch sonst ist „Mother Of Tears“ handwerklich vollkommen in Ordnung. Aber weder die Geschichte wusste zu gefallen, noch konnte sie den Zuschauer atmosphärisch anstecken. Dafür waren die guten Teile der Story auch viel zu ruckartig und grobklotzig eingebracht. Wo ist Argentos sensibles Fingerspitzengefühl für Grusel hin, das „Suspiria“ zu einem solch unheimlichen Erlebnis machte?  OFDb

2 Kommentare:

  1. Ja ja, "die Mutter der Tränen" spaltet die Kritiker wie Fans des Meisters ! Dennoch, ich seh's etwas anders, differenzierter, glaub' ich. Sicherlich ist und bleibt "Suspiria" Argento's Meisterstück, aber : man bedenke, das er den gleichen Stolperstein gewählt hat, wie schon der große George Lucas mit seiner "Star Wars" Story und vielen anderen Regisseuren. 30 Jahre zu warten um eine Sache zum Abschluss zu bringen,...das ist einfach zu lang. Und zum Scheitern verurteilt. Mir fällt aus dem Stegreif zumindest kaum was ein, wo das funktioniert hätte. Mir fällt hingegen sehr vieles ein, wo es nicht geklappt hat. Zudem kommt dazu, das die Sehgewohnheiten des Publikums sich ändern und wo ein 30 Jahre alter "Suspiria" die Jugendlichen nicht mehr hinterm Ofen vorlockt, wird das auch mit "Mother of Tears" nicht schaffen.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Es sind zwar keine 30 Jahre, aber wo es meiner Meinung nach nach 23 Jahren ganz wunderbar funktioniert hat, ist die Fortsetzung von "Psycho", die zwar nicht an die Genialität des ersten herankam, aber auch ein hervorragender Film und inhaltlich eine interessante Fortsetzung war, die mit 23 Jahren später nicht nur nicht verspätet kam, sondern die überdauerte Zeit für die Geschichte selbst sogar positiv zu nutzen wusste.

      Löschen